«Nachhaltigkeit hört nicht mit dem Klima-Thema auf»
• Caduff: Frau Ipsaryaris, Aviva ist ein grosser Name im ESG-Business. Sie produzieren am Laufband hochwertiges Research. Ist nicht langsam alles erzählt?
Ipsaryaris: Es wird viel geredet und geschrieben. Aber Nachhaltigkeit ist ein komplexes Thema und vor allem nicht abschliessend. Wir werden mit andauernden Veränderungen konfrontiert wie zum Beispiel dem Krieg in der Ukraine und den damit zusammenhängenden Implikationen auf unsere Energieversorgung. Das hat wiederum Implikationen auf die Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit fossilen Energieträgern. Aviva Investors hat ein Ziel, bis 2040 Net Zero zu erreichen. Das ist ein langer Weg und beinhaltet Meilensteine und Nachjustierungen.
• Caduff: Hand aufs Herz: Haben Sie noch den Überblick?
Ipsaryaris: Fokus heisst unser Prinzip. «Man kann nicht auf verschiedenen Hochzeiten tanzen», wie man so schön sagt. Ich denke, das passt auch auf das Nachhaltigkeitsthema. Wir bei Aviva konzentrieren uns auf drei Themen und den darunterliegenden SDGs: «Climate» - unser Net Zero bis 2040 Ziel, «People» - Soziales im Wesentlichen basierend auf den Human Rights Principles und «Earth» - Biodiversität.
• Caduff: Jetzt kommen Sie mit einem weiteren Thema, der Biodiversität. Können Sie das kurz erklären?
Ipsaryaris: Unser Planet steht vor einer akuten Krise des Verlusts von Naturkapital. Wir verbrauchen mehr Ressourcen, als dass unser Planet bereitstellen kann. Seit den 70er Jahren haben wir durch Menschenhand verursachte Artenverluste von über 60 Prozent. Biodiversität hängt von komplexen, oft überschneidenden Verbindungen zwischen Tieren, Pflanzen und Umwelt ab. Menschliche Aktivitäten stören diese komplizierte Dynamik.
• Caduff: Tönt einleuchtend, aber was hat dies mit Finanzen zu tun?
Ipsaryaris: Sehr viel. Mehr als die Hälfte des globalen BIP hängt davon ab. Die Finanzindustrie hat durch das Kapital Einfluss. Arzneimittelresistente «Superbugs» beispielsweise sind eines der schwerwiegendsten Risiken für die öffentliche Gesundheit, der routinemässige, nicht-therapeutische Einsatz von Antibiotika in Lieferketten trägt wesentlich zu dem Problem bei. Investoren können eine wichtige Rolle bei der Verwaltung der Lieferketten spielen. Wir zum Beispiel sind ein Gründungsunterzeichner der «Farm Animal Investment Risk & Return-Initiative», die ein Ende dieser schädlichen Praxis fordert.
• Caduff: Wird es die Investorenwelt interessieren - haben Sie schon Erfahrungen in Gesprächen gemacht?
Ipsaryaris: Wir sehen in den letzten Jahren eine steigende Nachfrage nach nachhaltigen Produkten. Anfangs vorwiegend in «Klima» - für uns als der Asset-Management-Arm der grössten britischen Versicherungs-Gruppe war Klima schon immer wichtig. Nachhaltigkeit hört nicht mit dem Klima-Thema auf, wenn man sich die 17 SDGs anschaut, sieht man den Umfang der Herausforderungen und vor allem die Komplexität. Dies steigert auch die Nachfrage nach Themen-Strategien in anderen Bereichen.
Teilnehmende

Rula Ipsaryaris
Head Client Solutions Switzerland & Liechtenstein
Aviva Investors Schweiz GmbH
Leutschenbachstrasse 45
8050 Zürich
Rula Ipsaryaris ist seit über 30 Jahren im Finanzdienstleistungssektor tätig. Bevor sie zu Aviva Investors kam, arbeitete sie als Senior Sales Executive und stellvertretende Leiterin Schweiz & Liechtenstein für Vanguard. Ihre Berufserfahrung sammelte sie in verschiedenen leitenden Positionen in der Treuhandbranche, bei einem amerikanischen Broker, sowohl bei internationalen als auch Schweizer Privatbanken, sowie bei einem der weltweit grössten Custodian. Rula Ipsaryaris verfügt über ein CAS (Certificate of Advanced Studies) in Sales and Distribution Management der Universität Luzern sowie den eidgenössischen Fachausweis als Treuhänderin.

Thomas J. Caduff ist CEO der Fundplat GmbH. Er ist seit rund 40 Jahren in der Finanzindustrie tätig. Zu seinen beruflichen Stationen gehörten das Börsenkommissariat des Kantons Zürich, die Bank Vontobel, die Credit Suisse und die UBS. Thomas J. Caduff diente ferner drei Jahrzehnte lang in einer Division und mehreren Brigaden der Schweizer Armee als Kommunikations-/Medienoffizier.