Fünf Spezialisten lassen sich tief in die Karten blicken
• Caduff: Meine Herren, sind Sie froh, dass dieses Jahr bald zu Ende ist?
Dalla Corte: Wir sind mit Begeisterung ins Jahr 2020 gestartet und erwarteten ein elftes Jahr der BIP-Expansion und ein weiteres positives Jahr für die Aktienmärkte. Dann hat uns aber die erste Welle des Covid-19 völlig überrascht und der Lockdown unsere Gewohnheiten auf unerwartete und unvorhersehbare Weise beeinträchtigt. Eine positive Auswirkung ist, so glaube ich, dass wir die Möglichkeit hatten, mehr Zeit mit unseren Familien zu verbringen, und Bewusstsein über die Wichtigkeit unserer Gesundheit, unseres Lebensinhalts und unserer Umwelt zu gewinnen. In der schnelllebigen Welt, in der wir uns alle befinden, empfand ich das als einen wahren Luxus. Gleichwohl könnte ich auf eine zweite Welle gut verzichten. Wenn wir von Corona absehen und in die nahe Zukunft blicken, finden wir im 4. Quartal noch eine grosse Anzahl signifikanter Ereignisse: die US-Wahl, den US-Nachtragshaushalt und den anstehenden Brexit. Es ist daher noch nicht Zeit durchzuatmen.
Trixl: Die exogenen Faktoren wie die Pandemie und deren Folgen werden in die Geschichte 2020 eingehen und haben einiges an persönlichen Herausforderungen und möglichen Schicksalsschlägen verursacht, was ich sehr bedaure. Amundi ist die grösste europäische Vermögensgesellschaft und gehört weltweit zu den führenden Top 10 und zu den grössten Anbietern von ETF / Indexfondslösungen. Amundi Schweiz fokussiert sich auf vier Geschäftsbereiche: Distributionsgeschäft aktiver und passiver Anlagen, institutionelle Anleger und globale Plattformlösungen. 2020 ist Amundi Schweiz gewachsen. Neue Partnerschaften wurden in Europa und Asien gebildet und unterstützen unsere Wachstumspläne mit neuen attraktiven Anlagelösungen und Absatznetzen.
Hodel: Wir alle freuen uns vor allem auf das Ende der Pandemie. Die wirtschaftliche Verunsicherung ist allgegenwärtig. Bislang hat sich die Finanzindustrie (dank Automatisierungs- und Digitalisierungsinitiativen) allerdings noch als operativ robust erwiesen. Und bei all dem Negativen lassen sich auch positive Aspekte erkennen: Individuelle Freiheiten, gesellschaftliche Verantwortung sowie Solidarität, Mobilität und Arbeitsmodelle werden neu bewertet und verhandelt. Die Digitalisierung wird beschleunigt. Gesellschaft und Wirtschaft erfahren gerade einen nachhaltigen Wandel, den wir heute noch kaum ermessen können. Transformation will aber auch finanziert sein. Gerade in unsicheren Zeiten ist dies eine Herausforderung. Für uns ist es daher ein gesellschaftlicher Auftrag, zu einem funktionierenden Finanzsystem beizutragen.
Pouyan: 2020 war in vielerlei Hinsicht ein sehr spezielles Jahr, und ich freue mich auf 2021 sowie die Aussicht, dass etwas Normalität in unser aller Leben zurückkehrt. Positiv ist herauszustellen, dass wir einen gewaltigen Schritt gemacht haben, was die Digitalisierung angeht. Angefangen von breiten Webinaren und Digital-Events bis hin zu Homeoffice. Durch digitale Events können wir jetzt viel einfacher Investoren, die nicht in den Zentren ihren Sitz haben, mit hochwertigen Inhalten erreichen. Dadurch waren wir zu jedem Zeitpunkt nahe an unseren Kunden, die dies in den sehr volatilen Phasen geschätzt haben. Zudem haben Umweltschutz und Nachhaltigkeit in diesem Jahr nochmals einen höheren Stellenwert bei vielen Anlegern erhalten.
Wenger: 2020 war sicherlich ein ganz spezielles Jahr. Allerdings ist es noch nicht zu Ende: mit der US- Wahl, dem anstehenden Brexit und neuen Wellen in der Corona-Krise bleibt es weiterhin spannend, und wir hoffen alle, dass die Entwicklungen in den nächsten Wochen zu mehr Stabilität und Planungssicherheit führen. Und ich muss auch sagen, dass trotz der für viele so schmerzvollen Erfahrung einer globalen Pandemie, die die gesamte Welt mit voller Wucht erfasst hat, die Finanzmärkte sich recht konstruktiv entwickelt haben. Dies hat natürlich auch mit der schnellen Reaktion der Zentralbanken zu tun, die aus vergangenen Krisen einiges gelernt haben. Ich denke, dass es auf der Aktienseite gerade im Sektorenbereich durch die grosse Dispersion einige tolle Möglichkeiten gegeben hat und auch weiterhin geben wird.
• Caduff: Was war geschäftlich der Höhepunkt, wurde etwas ganz Besonderes erreicht?
Trixl: Zusammen mit unserer Amundi Geschäftsleitung haben wir weiter in das Schweizer Geschäft investiert und haben auch 2020 personell weiter ausgebaut. Wir sind noch besser aufgestellt, unsere Kunden zu bedienen. Amundi hat seit Jahresanfang über 30 weitere aktive und passive Anlagefonds lanciert und etabliert sich als führender Innovator in ESG- Impact-Nachhaltigkeits-Anlagen. Wir sind in allen Bereichen aktiv und bilden neue Partnerschaften.
Hodel: Aus Sicht von GENTWO war es ein erfolgreiches und zugleich spannendes Jahr. Unser Geschäftswachstum hat sich in diesem Krisenjahr sogar stark beschleunigt - trotz des Lockdowns. Um es an ein paar Zahlen zu veranschaulichen: Betrugen GENTWOs «Assets under Administration» Ende Dezember 2019 noch 300 Mio. Schweizer Franken, waren es per Ende Juli 2020 schon 500 Mio. Schweizer Franken. Die Anzahl Plattformen, die GENTWO für institutionelle Kunden errichtet hat, stieg im selben Zeitraum um 30 Prozent auf insgesamt über 90. Die Zahl der Produkte, die lanciert wurden, wuchs zugleich um 40 Prozent auf derzeit mehr als 160 an. Diese Dynamik veranschaulicht, wie stark die Demokratisierung im Verbriefungsmarkt voranschreitet. Heute lassen sich Finanzierungen zum Beispiel nicht-kotierter KMU direkt auf den Markt bringen, ohne die Bankenbilanzen zu belasten.
Wenger: Ich denke, es gab viele positive Seiten in diesem Jahr trotz der unvorhergesehenen Ereignisse, vor allem der globalen Pandemie, die ja vor allem eine Gesundheitskrise ist und erst als Folge dessen eine wirtschaftliche. Sowohl bei State Street als auch in unserer Branche im Allgemeinen hat es - denke ich - zwei besondere Dinge gegeben, die ich erwähnen möchte. Einerseits haben wir den Move zum Homeoffice ohne Probleme innerhalb kürzester Zeit geschafft - ohne Qualitätsverluste unserer Services und zweitens gerade im passiven Bereich freut es uns, dass die ETF-Struktur sozusagen ihren Lackmus-Test bestanden hat und das über alle Assetklassen. ETFs haben in der Krise genau das geliefert, was erwartet wird: ein liquides, transparentes und kosteneffizientes Investmentvehikel zur Verfügung zu stellen.
Pouyan: Das Jahr war für Invesco ETF sehr erfolgreich. Unsere europäische ETF-Sparte hat Status quo trotz eines nicht einfachen Marktumfelds Netto-Mittelzuflüsse von knapp 7 Mrd. US-Dollar generiert. Damit stehen wir, wie schon in 2019, auf dem Siegertreppchen der drei erfolgreichsten ETF-Anbieter in Europa. Besondere Highlights waren zum einen die rekordverdächtigen 4 Mrd. US-Dollar-Zuflüsse in unseren Gold-ETC, aber auch die starken Zuflüsse in den Nasdaq 100-, Biotech- und Blockchain-ETF, die während der Krise stark profitieren konnten. Ein weiterer Trend hat uns recht gegeben, dass vermehrt Investoren für Indizes wie beispielsweise S&P 500, S&P 500 ESG und MSCI USA entgegen der physischen die synthetische Replikation wählen, da sie damit die bis zu 30 Prozent anfallende Quellensteuer auf US-Dividenden sparen können.
Dalla Corte: Meine Hauptaufgabe ist der Aufbau und die Etablierung von Eurizon in der Schweiz. In einem schwierigen Jahr, um neue Kundenbeziehungen zu knüpfen, denke ich, dass es für uns dennoch ein sehr gutes Jahr war. So konnten wir viele neue Kunden für unsere Expertisen im chinesischen Onshore-Bond-Markt und im Impact Investing («Green Bonds») gewinnen sowie bestehende Kunden in einer schwierigen Marktphase betreuen und halten. Es ist schön zu spüren, dass Eurizon von Schweizer Anlegern immer mehr als Lösungsanbieter anerkannt wird. Diese positive Entwicklung ist auch im Hauptsitz von Eurizon in Mailand nicht unbemerkt geblieben.
• Caduff: Ihre Planung für 2021: wo setzen Sie die Hebel an?
Pouyan: Wir wollen an unserem Erfolg der letzten Jahre anknüpfen und weiterhin für - aber auch - mit unseren Kunden innovative Strategien lancieren. ESG wird in 2021 nebst den thematischen ETFs ein dominierendes Thema sein, das wir weiter ausbauen wollen. Im Core-Beta-Bereich ist unser Anspruch, Struktur-agnostische, qualitativ hochwertige und sehr kosteneffiziente ETF-Bausteine anzubieten.
Dalla Corte: Derzeit stehen wir in einer ganz interessanten Planungsphase, die weit über das Jahr 2021 hinausreicht. Intesa Sanpaolo, unser Mutterhaus, hat vor zwei Monaten die Akquisition der Bank UBI in Italien abgeschlossen. Mit zum Paket gehört auch das Asset Management von UBI, welches rund 65.7 Mrd. Euro verwaltet. Ich verspreche mir durch den Zusammenschluss eine Erweiterung unserer Anlageexpertise und Aufstockung unserer Anlageteams. Zudem werden wir uns dezidiert unserem ESG-Anlageansatz widmen und die Expertise im chinesischen Anleihen- und Aktien-Markt ausweiten. Was das Kerngeschäft betrifft, hoffe ich, dass die Reisebeschränkungen gelockert werden und wir wieder hochkarätige Portfoliomanager in der Schweiz begrüssen können. Dies ermöglicht den Investoren, «ihre Manager» kennenzulernen und tieferes Vertrauen in deren Fähigkeiten zu fassen. Was schliesslich die Events betrifft, freue ich mich schon heute auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit mit Fundplat und insbesonders auf die Teilnahme an den «Mountain Talks» in St. Moritz.
Wenger: Wir hoffen natürlich alle, dass die Pandemie so schnell es geht hinter uns gebracht wird, wobei wir da sicher noch ein bisschen mehr Geduld benötigen, aber wichtig ist, dass es positive Impulse gibt. Auch was die übrigen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen betrifft. Eine stabile USA und ein gut geplanter Brexit wären eine gute Basis. Was Investmentthemen betrifft, wird das Thema Nachhaltigkeit bzw. ESG sicherlich weiterhin eines der bestimmenden bleiben und sowohl die Portfoliokonstruktion als auch Produktneuheiten prägen. Und das über sämtliche Assetklassen. Wir erwarten auch ein weiteres Wachstum gerade bei ETFs im Obligationenbereich und auch was thematische Investments, die auf sogenannte Megatrends setzen, betrifft. Emerging Markets sollte man auch beachten.
Trixl: Amundi’s globale Plattformlösungen helfen unseren Partnern wie Banken, Pensionskassen und Versicherungen, sich auf ihre Kernprioritäten zu fokussieren. Ein Bereich, den wir fördern werden. Amundi ESG, Impact und Nachhaltigkeit. Amundi investiert sehr viel und ist mitunter ein Initiant zusammen mit der Credit Agricole Gruppe des Pariser Klima-Abkommens 2020. Von den über 30 lancierten Anlagefonds in 2020 waren ein gewichtiger Teil nachhaltige Anlagen wie Klima, «Green Bonds» mit aktiven und passiven Lösungen. Amundi gehört in der Schweiz bereits zu den grössten internationalen Anlagehäusern und wird diese Position in allen Geschäftsbereichen weiter ausbauen.
Hodel: Im Fokus stehen der Ausbau von GENTWOs Geschäftsaktivitäten, die weitergehende Diversifizierung von Produkten sowie die Kooperation mit grösseren Akteuren des Finanzmarktes. Wir möchten zudem in weitere Segmente - zum Beispiel in den traditionellen KMU-Bereich - vordringen. Denn wir glauben, dass innovative Verbriefungsplattformen Mehrwert in vielen weiteren Ökosystemen schaffen werden. Im Jahr 2021 werden wir uns zudem auf die Skalierung unserer Geschäftsprozesse konzentrieren und Produktemissionen automatisieren.
Teilnehmende

Manuel Dalla Corte
Country Head Switzerland,
Sales & Client Management
Eurizon Capital S.A.
Dreikönigstrasse 31A
8002 Zurich
Manuel Dalla Corte, Country Head Switzerland bei Eurizon, verfügt über eine 20-jährige Erfahrung in der Finanzindustrie mit besonderer Expertise in der Betreuung institutioneller Anleger. Er ist für die Entwicklung des Geschäfts in der Schweiz verantwortlich und arbeitet eng mit Banken, Vermögensverwaltern, Asset Managern und institutionellen Kunden zusammen. Vor dem Wechsel zu Eurizon arbeitete Dalla Corte in den letzten 15 Jahren im Asset Management in der Betreuung institutioneller Kunden in Südeuropa. Zuletzt war er bei Aviva Investors für den Aufbau des Vertriebs in Südeuropa verantwortlich und davor bei Jefferies und Lombard Odier tätig. Manuel Dalla Corte ist Certified International Investment Analyst (2006) und hält einen Bachelor of Business Administration (2003) von der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich.

Beat Hodel
Mitglied Advisory Board
GENTWO AG
Brandschenkestrasse 45
8002 Zürich
Beat Hodel ist Mitglied des Advisory Boards von GENTWO. Der Experte für Finanzierungs-, Risiko- und Compliance-Themen und promovierte Ökonom ist Brückenbauer zwischen der Finanz- und der Realwirtschaft; er verbindet Investoren mit Unternehmen. In mehr als 30 Jahren Erfahrung war er u.a. als Chief Risk Officer der Raiffeisen Gruppe, Vorstandsmitglied der schweizerischen Einlagensicherung, Senior Partner bei Ernst & Young, Partner der Comit Gruppe und Leiter Equity Banking der Schweizerischen Volksbank tätig. Heute unterstützt er GENTWO bei der Erfüllung der hohen Erwartungen an Risiko und Compliance und bei der Entwicklung neuer Geschäftsfelder. Neben seinem Mandat bei dem innovativen Verbriefungsspezialisten ist Hodel u.a. Mitglied des Executive Boards der auf Investitionen in KMU spezialisierten CAT Growth.

Nima Pouyan
Head of Switzerland & Liechtenstein,
ETF Business Development
Invesco Asset Management (Schweiz) AG
Talacker 34
8001 Zürich
Nima Pouyan, Head Invesco ETF Switzerland & Liechtenstein, ist für die Weiterentwicklung des Geschäfts in der Schweiz verantwortlich und arbeitet eng mit Banken, Vermögensverwaltern, Asset Managern und institutionellen Kunden aus dem Versicherungs- und Unternehmenssektor zusammen. Pouyan kommt von der Deutschen Bank, wo er zuletzt als Vice President für den Vertrieb passiver Anlageprodukte in der Schweiz und dem Mittleren Osten verantwortlich war und zuvor führende Positionen bei DWS und Deutsche Bank Wealth Management innehatte.

Christian Trixl, CEO Amundi Schweiz, leitet seit 2019 das Geschäft in der Schweiz, zuvor war er als Country Head Threadneedle und Leiter Marketing und Sales bei Schroders tätig. Seine Laufbahn startete Trixl im Corporate Finance bei der Hill Samuel Gruppe und während dieser Zeit sammelte er Erfahrungen als Anlageberater und Portfolio Manager Institutionelle Kunden und Leiter Marketing und Distribution bei Privatbanken.

Bernhard Wenger
Country Manager
State Street Global Advisors AG
Beethovenstrasse 19
8002 Zürich
Bernhard Wenger ist als Geschäftsführer bei State Street Global Advisors AG in Zürich primär für die Geschäftsentwicklung und den Vertrieb von «SPDR ETFs» in der Schweiz verantwortlich. Zuvor war er bei ETF Securities tätig, wo er unter anderem als Head of European Distribution den Vertrieb geleitet hat. Im Weiteren hatte Bernhard Wenger leitende Positionen bei Morgan Stanley, HSBC und BNP Paribas inne und verfügt über einen «European Master in Management» der ESCP Europe (Paris, Oxford, Berlin).
Moderator

Thomas J. Caduff ist CEO der Fundplat GmbH. Er ist seit rund 40 Jahren in der Finanzindustrie tätig. Zu seinen beruflichen Stationen gehörten das Börsenkommissariat des Kantons Zürich, die Bank Vontobel, die Credit Suisse und die UBS. Thomas J. Caduff diente ferner drei Jahrzehnte lang in einer Division und mehreren Brigaden der Schweizer Armee als Kommunikations-/Medienoffizier.