Drei Fonds-Profis reden über Informationsflut, «long-short» und Nachhaltige Geldanlagen
• Caduff: Meine Herren, das Börsenumfeld ist aktuell sehr anspruchsvoll. Wie erleben Sie das im Tagesgeschäft?
Limacher: Seit Jahren erhalten wir eine Überdosis an «Bad News» - über die alten aber vor allem über die neuen Medienkanäle. Auch wenn man sich daran gewöhnen kann, wird es immer schwieriger, in der Informationsflut die relevanten Dinge herauszufiltern. Diese «Triage» vorzunehmen ist einer der Mehrwerte, die wir als Asset Manager den Kunden bieten können. Die Weltpolitik wird provokativer, was wiederum die Börsenwelt beeinflusst. Die Politik prägt aktuell die Finanzmärkte stärker als die fundamentalen Daten, was das Tagesgeschäft zu einer spannenden Herausforderung macht. Hier besteht die Kunst darin, nicht in einen Hyperaktivismus zu verfallen.
Dr. Zurhorst: Das kann ich nur unterschreiben. Wir haben zunehmend eine Fülle an Informationen, gerade in Märkten, wo wir unterwegs sind, also in Emerging Markets und Frontier Markets wie beispielsweise Türkei und Russland. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass wir von einer «Information Pollution» reden können, das heisst: Wir haben teilweise absichtlich gestreut Falschmeldungen, etc. Und da nehme ich Ihren Punkt auf, da ist unsere Aufgabe als aktiver Manager, die Informationen zu filtrieren und die entsprechenden Handlungsanweisungen zu geben. Ganz wichtig in unseren Märkten ist Ruhe zu bewahren und auf die Fundamentaldaten zu schauen.
Infuso: Als Vertreter von ComStage, der ETF-Marke der Commerzbank, und damit eines passiven Hauses, stelle ich erfreut fest, dass wir gerade in so einem Umfeld erst recht Umsatz sehen. Wir sind einer der wenigen Anbieter, die beide Richtungen anbieten, sprich «long-only» genauso wie Short-ETFs. Denken Sie da beispielsweise an mögliche Zinssteigerungen auf der Euro-Seite oder an Zinssteigerungen, die es schon gab auf der amerikanischen Seite. So haben wir Double-Short-ETFs im Einsatz, die Kunden mit entsprechender Vorbildung sehr gut annehmen. Daher kann ich abschliessend sagen, dass auf aktiver wie auch passiver Seite das derzeitige Umfeld sicherlich das Investieren fördert: Zum einen, weil es Kunden gibt, welche die aktive Hand schätzt, die einen Anleger durch den Dschungel führt. Zum anderen gibt es aber eben auch den Investor, der das lieber selber in die Hand nimmt und verschiedene Szenarien abbilden möchte - mittels kostengünstigen, transparenten und UCITS-geschützten ETFs.
• Caduff: Was sind für Sie konkrete Highlights?
Infuso: Ich hätte viele Highlights anzuführen, halte mich aber lieber kurz. Das Wichtigste vorweg, die Gebührensenkung. Das ist nach wie vor ein Thema der Branche, und wir haben es bereits umgesetzt in diesem Jahr. Zum zweiten die Replikationsmethode: Wir stellen immer dort von synthetisch auf physische Replikation um, wo es für den Kunden Sinn macht. Und dort, wo eben nur synthetisch sinnvoll ist oder möglich ist, haben wir mehrere Swap-Partner. Derzeit sind es vier an der Zahl. Last but not least: Wir haben unsere Vermögensstrategie-ETFs an der Schweizer Börse eingeführt. Diese Portfolio-ETFs zeichnen sich durch eine feste Asset Allocation aus, die je nach Kundenbedarf unterschiedlich ist und einmal im Jahr zurückgesetzt, rebalanciert wird. Das meinte ich mit einer kostengünstigen und transparenten Anlagestrategie für den Investor, die ihm die eigene aktive Entscheidung abnimmt.
Dr. Zurhorst: Wir sind in Emerging Europe aktiv. Die liquiden Märkte sind Russland, Türkei und Polen. Wir haben sehr viele Highlights dort in den Märkten. Wichtig dabei ist einfach die Ruhe zu bewahren und sich zu fokussieren. Auch mit unserem Bottom-Up Stock-Picking Approach sehen wir hier Chancen. Wir sind beispielsweise was die Lira in der Türkei anbelangt, in unseren UCITS-Fonds weitgehend abgesichert. Wir haben also ein geringes Währungsrisiko, was die türkische Währung angeht. Nach den UCITS-Regeln ist das möglich, sich entsprechend so aufzustellen. Wir verkaufen Aktien, die aus unserer Sicht gut gelaufen sind, zum Beispiel Turkish Airlines, und wir fokussieren uns auf Werte, die ein sehr hohes Dollar- und Euro-Exposure haben, sprich Hard Currencies, und da sehen wir viele Möglichkeiten.
Limacher: Für unsere Schweizer Vermögensverwaltungsgesellschaft mit der 23-jährigen Expertise im Bereich Nachhaltiger Geldanlagen ist eines der Highlights, dass wir mit unseren deutschen Kollegen nun so verzahnt sind, dass wir unsere ethische Anlagestrategie künftig umfangreicher einsetzen und anbieten können. Die Aktivitäten unseres Mutterhauses sind dynamischer geworden. Mit Spannung sehe ich zum Beispiel der Implementierung einer digitalen Wealth-Management-Lösung entgegen.
• Caduff: In welche Richtung gehen in Ihrem Haus die meisten Kundenanfragen?
Dr. Zurhorst: Was passiert an den Märkten, was sind die Konsequenzen für das Portfolio, warum und wann. Das ist es.
Limacher: Die Berücksichtigung von nachhaltigen Kriterien hat für viele Anleger an Bedeutung gewonnen. Die Kunden sind immer besser informiert und in der Lage, im breiten Angebot zu differenzieren. Kunden schätzen bei uns insbesondere unsere Transparenz im Rahmen der ethischen Bewertungen. Seitens des Mutterhauses hat der Asset-Servicing-Bereich im laufenden Jahr bereits eine bedeutende Wachstumsrate verzeichnet, auch das Investment Banking hat seine führende Position im Small- und Mid-Cap-Bereich als Bookrunner gefestigt.
Infuso: Die Grundfrage, die unser Haus erreicht, lautet: Sind ETFs im UCITS-Mantel gesichert? (Ja, definitiv, es handelt sich um Sondervermögen, wie in jedem anderen traditionellen Fonds auch!). Sie kommt meistens von der Retailseite, welche sich erstmals mit der Thematik «ETF» beschäftigt. Weitere Fragen behandeln Themen bezüglich Investmentmöglichkeiten in Gold, Rohstoffe, der Thematik «Bitcoin» bzw. «Blockchain» oder inwiefern man am steigenden Zinsumfeld mittels ETFs partizipieren kann. Auch kommt häufiger der Wunsch nach Sparplänen auf. In Deutschland verzeichnen wir sehr grosse Erfolge mit dieser Ansparmöglichkeit. Bei uns in der Schweiz sind ETF-Sparpläne noch eher im Hintertreffen. Nichts desto trotz, gibt es erste Anbieter, Namen kann man ja nicht nennen, die unsere Produkte bereits einsetzen zum kontinuierlichen Vermögensaufbau.
• Caduff: Wie können Sie diese bedienen?
Limacher: Wir setzen uns schon lange detailliert mit ethischen Kriterien im Anlageprozess auseinander und bieten individuelle Lösungen an. Die entscheidende Frage ist oft, ob man auch heikle ESG-Themen argumentieren kann. Unser eigenes Nachhaltigkeits-Research kann für unterschiedliche Strategien eingesetzt werden. Das unabhängige Ethik-Komitee gewährleistet fundierte Entscheidungsgrundlagen und hilft, das Anlageuniversum zu definieren. Für die einen Kunden passt ein Individualmandat, für andere ist eine kollektive Kapitalanlage nützlicher. Das Fonds-Consulting unserer Luxemburger Schwestergesellschaft Hauck & Aufhäuser Fund Services unterstützt häufig bei der Findung der geeigneten Struktur.
Dr. Zurhorst: Von meiner Seite ganz wichtig, besonders in schwierigen Zeit gilt immer, nicht den Kopf in den Sand stecken, immer für den Kunden da sein, erklären, was man macht und immer mehr sagen, warum man gewisse Dinge macht, auch wenn es negativ für den Investor ist.
Infuso: Wir nehmen die Ideen und Bedürfnisse seitens der Kunden auf; kreieren neue Produkte bzw. gestalten diese nach Anlegerwunsch um. Beispielsweise haben wir im Zuge der diesjährigen Gesetzesänderung in Deutschland alle ETFs von reinvestierend auf ausschüttend umgestellt. Oder nehmen wir das Beispiel «Rohstoffe»: Ursprung dieses ETF war der Kundenwunsch gleichgewichtet in die Teilbereiche Edelmetalle, Industriemetalle, Öl und Gas zu investieren und gleichzeitig auf Agrarrohstoffe zu verzichten - mittlerweile ist der ETF auf über 400 Mio. Schweizer Franken gewachsen, und wir bieten ihn seit neuestem auch als abgesicherte Version an der SIX an. Gerne knüpfe ich daher an meinen Vorredner an: Dem Kunden zuhören, proaktiv mögliche Veränderungen vorwegnehmen sowie umsetzen und gerade in turbulenteren Zeiten eine Extraportion Service bieten - so lautet unser Erfolgsrezept, welches wir in der DACH-Region übrigens seit nunmehr zehn Jahren anwenden.
• Caduff: Wo setzen Sie bis Ende Jahr die Hauptakzente?
Infuso: Hauptakzente setzen wir weiterhin auf «erweitertem» Kundenservice: Grosse Worte, wie sie jeder verwendet, aber wir folgen auch mit Taten bzw. gezielten Initiativen: Bei Retailanlegern ist unser neuer WhatsApp-Dienst «CORA» sehr beliebt; hier werden wir weiter mit Funktionalität sowie Inhalt brillieren. Speziell auch auf unsere institutionellen Investoren wird der Fokus geschärft: Die Commerzbank bietet mit dem «ETF & Passive Product Selection Service» neu eine anbieterunabhängige Index- und ETF-Selektion, die den gesamten passiven Investmentprozess umfasst. Bankeigene Events sowie solche in Zusammenarbeit mit externen Anbietern runden unsere Hauptaktivitäten bis Jahresende ab - schauen Sie gerne bei uns vorbei, wir freuen uns auf Sie!
Limacher: Gemeinsam mit unserem neuen «PRIME VALUES»-Fondsmanager haben wir zur Jahresmitte hin neue Akzente gesetzt und werden den Anlageprozess weiter optimieren und neueste Erkenntnisse einfliessen lassen. Auch die Bedürfnisse nach «Impact Investments» werden immer grösser. Wir haben das Ziel, dieser Nachfrage gerecht zu werden. Zudem werden die Digitalisierungsprojekte des Mutterhauses neue attraktive Dienstleistungsangebote bringen.
Dr. Zurhorst: Ganz wichtig bis uns in den Märkten ist - wie erwähnt - die politische Situation, die wir momentan genau beobachten in einem Markt wie die Türkei. Es gibt keinen direkten Handlungsbedarf für uns, wir müssen es genau beobachten und dann Ausschau halten nach günstigen Kaufgelegenheiten. Das wird uns für den Rest des Jahres beschäftigen. Wir dürfen nicht vergessen, wenn man zum Beispiel den Bankensektor anschaut, sowohl in der Türkei wie auch in Russland, reden wir über einen Buchwert von 0,3 bis 0,4x. In Polen sind wir deutlich über 1x. Von unseren Ländern ganz zu schweigen. Wir sehen hier also einige Chancen, die sich ergeben. Gleichwohl muss man die politische Situation abwarten.
Teilnehmende

Marco A. Infuso CAIA
Director, Head of Institutional Sales
ComStage ETFs Switzerland
Commerzbank AG
Utoquai 55
8034 Zürich
Marco A. Infuso ist zuständig für den Vertrieb von ComStage ETFs an institutionelle Kunden in der Schweiz. Zuvor sammelte er mehrjährige Erfahrung in leitender Funktion auf der aktiven Asset-Management-Seite bei den Häusern Pioneer Investments und Lombard Odier Investment Managers. Nach dem betriebswirtschaftlichen Studium in Mannheim startete er seine Karriere 1998 bei der DG Bank, heute DZ Bank in Frankfurt. In der Schweiz ist er seit 2003 beheimatet, anfangs in Genf und seit 2007 in Zürich.

Roman Limacher
Managing Director
Hauck & Aufhäuser (Schweiz) AG
Talstrasse 58
8001 Zürich
Roman Limacher, CIWM, verantwortet seit über zehn Jahren den Investment-Ethik-Prozess der traditionsreichen «PRIME VALUES»-Ethikfonds. Er betreut bei der Hauck & Aufhäuser (Schweiz) AG private und institutionelle Kunden mit Fokus auf nachhaltige Geldanlagen. Zuvor war er bei EY und bei einer Gesellschaft der heutigen SIX Group tätig.

Dr. Peter Zurhorst
Head of Distribution and Investor Relations
Mori Capital Management Ltd.
Regent House, Office 35
Bisazza Street
Sliema, SLM 1640
Malta
Dr. Peter Zurhorst ist seit 2011 für Mori Capital Management bzw. deren Vorgängergesellschaft mit Sitz in München tätig. Nach Studium und Assistenz an der Universität St. Gallen ist er seit 25 Jahren in der internationalen Finanzindustrie tätig.
Moderator

Thomas J. Caduff ist CEO der Fundplat GmbH. Er ist seit über 30 Jahren in der Finanzindustrie tätig. Zu seinen beruflichen Stationen gehörten das Börsenkommissariat des Kantons Zürich, die Bank Vontobel, die Credit Suisse und die UBS. Thomas J. Caduff diente ferner drei Jahrzehnte lang in einer Division und mehreren Brigaden der Schweizer Armee als Kommunikations-/Medienoffizier.