Drei Finanz-Profis reden über Volatilität und gute Investmentmöglichkeiten
• Caduff: Meine Herren, bei den Börsenkursen scheint die Luft raus zu sein. Wie sehen Sie das?
Dr. Mitev: Die US-Wirtschaft befindet sich meiner Meinung nach genau zwei Jahre von der nächsten grossen Rezession, welche eine noch grössere Weltwirtschaftskrise als die letzte Finanzkrise auslösen wird. Jetzt ist es aber noch zu früh, über reale unmittelbare Gefahren zu sprechen. Ich halte nicht viel von Panikmache, aber man muss sich nur wichtige wirtschaftliche Faktoren anschauen, welche eine entscheidende Rolle für die künftige Entwicklung der Börsen spielen. Für mich sind dies: Fed-Effektiv-Zinssatz, 10-jähriger US-Zinssatz, EUR/USD-Kurs, Rohöl (WTI).
Dr. Zimmermann: Ich gehe davon aus, dass uns die gegenwärtig gestiegenen Volatilitäten noch eine Weile begleiten werden. Aufgrund weiterhin solider Fundamentaldaten und mangels Alternativen sollten sich die Aktienmärkte jedoch wieder stabilisieren. Selektives Investieren ist aus unserer Sicht ein Gebot der Stunde. Deshalb sind wir fokussiert auf die defensive Gesundheitsbranche, bei welcher das Wachstum überdurchschnittlich hoch und die Konjunkturabhängigkeit gering sind.
Wenger: Insgesamt sind wir auch positiv für die Märkte gestimmt. Wir glauben, dass wir im «Last Stage» vom Wirtschaftszyklus sind, aber noch nicht am Ende. Das Wachstum wird sich wohl in 2019 verlangsamen, in den USA sieht es aber immer noch gut aus. Wir sehen auch China aktuell positiv. Die Volatilität wird jedoch im Markt bleiben. Wir raten zu selektivem Investieren - bei Aktien und bei Anleihen. Im Aktienbereich sind ausgewählte Sektoren besonders interessant.
• Caduff: Was macht Ihnen in diesen Tagen an den Märkten trotzdem Freude?
Dr. Zimmermann: Dass sich die Situation um Korea entschärft hat, zumal wir dort vor Jahren mit einem Partner ein Produkt lanciert haben und in lokalen Gesundheitsfirmen investiert sind. Bei den Emerging Markets wird gegenwärtig alles über eine Leiste geschlagen; wir sehen jedoch in einzelnen Schwellenländern gute Anlagemöglichkeiten und investieren antizyklisch. Wenn man nur an die Binnenmärkte denkt - China, Indien und Indonesien - dort leben drei Milliarden Menschen, das sind zehnmal so viele wie in Amerika. Das darf man einfach nicht aus dem Blickfeld verlieren.
Dr. Mitev: Bin auch Ihrer Meinung. Die Situation um Korea ist erfreulich. Es gibt aber sehr viele andere Faktoren, die derzeit grosse Unsicherheiten in den Markt bringen, beispielsweise die Brexit-Verhandlungen. All dies könnte die aktuell noch positiven makroökonomischen Rahmendaten eintrüben.
Wenger: Der Emerging-Markets-Bereich gefällt uns insgesamt gut, gerade bei den «Local Currencies» und potenziell auch im Aktienmarkt. Wir denken, das Handelskrieg-Thema USA/China wird nach den kommenden Wahlen in Amerika eine geringere Rolle spielen. Der von China ausgehende Stimulus könnte auch auf andere Emerging Markets positiv ausstrahlen. Wie schon erwähnt, sehen wir auch gute Möglichkeiten, selektiv in Aktiensektoren zu investieren, speziell im aktuellen Umfeld.
• Caduff: Wie ist die Stimmung auf Kundenseite?
Dr. Mitev: Die Stimmung ist gut, obwohl die Kunden aktuell etwas verunsichert sind. Aber sie fragen nach unseren Dienstleistungen, was mich natürlich sehr freut.
Wenger: Es war auch schon mal entspannter, aber wir sehen keine Investoren, die jetzt im breiten Umfang Positionen auflösen. Aufgrund der positiven Fundamentaldaten halten sich Käufe und Verkäufe ziemlich die Waage, dies bei einer insgesamt eher verhaltenen Stimmung. Investiert sein mit etwaigen Absicherungen, speziell auch bei Währungen, das scheint das Gebot der Stunde zu sein. Wir sehen aber doch etwas weniger Risikobereitschaft. Ein Thema, das unabhängig von der Lage an den Märkten eine Vielzahl an Investoren beschäftigt, ist das Thema Nachhaltigkeit. Lösungen im Bereich ESG und SRI werden in Zukunft eine grössere Rolle spielen.
Dr. Zimmermann: Die Kunden sind sehr zufrieden, da wir in den letzten Jahren einen sehr guten Lauf hatten und mit den meisten Gesundheitsfonds eine starke Performance ablieferten, das heisst: wir haben die Referenzindizes massiv outperformt. Sie wissen, dass wir mit unserem disziplinierten Vorgehen Mehrwert schaffen können. Aber klar bleibt die Volatilität der Finanzmärkte gegenwärtig das vordringliche Kundenthema.
• Caduff: Welche Ihrer Produkte laufen aktuell besonders gut?
Dr. Zimmermann: Kollege Wenger, ESG - das ist sehr erfreulich von Ihnen zu hören! Im September hat uns die Bundesministerin Österreichs, Frau Köstinger, dafür eine Auszeichnung verliehen, da wir den ersten nachhaltigen Gesundheitsfonds lanciert haben. Beim Thema Gesundheit läuft zur Zeit alles, was Tech-affin ist. Seit drei Jahren sind wir zum Beispiel in Digital Health positioniert. Dank unserer guten Performance konnten wir mit einem neulancierten Fondsprodukt gleich 100 Mio. US-Dollar einsammeln. Wir sehen aber auch, dass Biotech wieder anzieht. Gerade in den Bereichen Krebs, Alzheimer und bei Gentherapie gibt es Durchbrüche. Medtech bleibt natürlich auch ein grosses Thema.
Wenger: Produkte auf den breiten US-Markt sind seit längerem sehr gesucht. Bei Aktiensektoren sehen wir auch verstärkte Aktivität. Emerging-Markets-Anleihen in Lokalwährungen sind ein ständiges Thema bei Investoren. Wir sehen auch Positionierungen am kurzen Ende in Euro Corporates und in Euro Government Bonds. Was Kundenanfragen betrifft, sind konservativere Aktienprodukte wie Low Volatility oder Dividendenstrategien oder auch Convertible Bonds gefragt, was auf eine eher defensivere Ausrichtung hindeutet.
Dr. Mitev: Auf unserer Seite sehen wir verstärkt Interesse an Multi-Assets-Indizes. Diversifikation ist für Investoren aktuell offensichtlich wichtig. Auch Indizes auf Emerging Markets werden gut nachgefragt. Hier muss man bereit sein, rechtzeitig wieder in die Märkte reinzukommen, um die Opportunitäten nutzen zu können.
• Caduff: Was planen Sie für die nähere Zukunft?
Wenger: Wir sind in ständigem Austausch mit unseren Investoren, was Lösungsangebote betrifft. Wir hören gerne zu und wollen nicht Produkte drauflos emittieren. In diesem Jahr haben wir einiges im Währungs-gehedgten Bereich gebracht und ab 29. Oktober 2018 ist in der Schweiz auch der neu gestaltete US-Aktiensektor der Kommunikationsdienste über einen SPDR ETF investierbar.
Dr. Zimmermann: Wir sind dieses Jahr sehr aktiv gewesen und haben drei Produkte lanciert, sodass wir jetzt europaweit der breiteste Produkteanbieter von Gesundheitsfonds sind. Mit unserer Plattform werden wir weitere Produkte auf den Markt bringen. Nachhaltigkeit ist ein grosses Thema für uns. Wir sind uns auch am Überlegen, ein Sharia-konformes Produkt zu lancieren, um vermehrt Anleger aus dem Nahen Osten zu gewinnen. Und mit Vontobel haben wir diesen Sommer ein Gentherapie-Indexzertifikat aufgelegt. Mit unserem Digital-Health-Fonds haben wir zudem den Zeitgeist aufgegriffen. Wenn Sie die grossen Tech-Firmen anschauen - alle interessieren sich für das Thema Gesundheit! So habe ich kürzlich den CTO von Google in Macao getroffen - nur ein Beispiel: 400 Millionen Menschen haben weltweit Diabetes, davon 100 Millionen in China und von diesen werden nur 10 Millionen mit Insulin therapiert - das Informationsbedürfnis ist riesig und Digital Health ein fundamentaler Case - vor allem auch in den Bereichen der Robotik, Telemedizin und Sensortechnik.
Dr. Mitev: Digitalisierung ist ein gutes Stichwort, das wir stark adressieren. Mit unserem Track-record über die letzten 15 Jahren sehen wir jetzt die Möglichkeit, unsere Dienstleistungen auf die B2C-Schiene zu bringen, insbesondere in den Bereichen Wealth Management und Robo.
Teilnehmende

Dr. Miro Mitev
CEO
iQ-FOXX Indices Ltd.
Lugeck 6
1010 Wien
Österreich
Dr. Miro Mitev ist Gründer und CEO der iQ-FOXX Indizes und verfügt über 20 Jahre Berufserfahrung im Asset Management in der Zusammenarbeit mit Banken, institutionellen Investoren und Fondsgesellschaften. Mitev ist ein Pionier der Digitalisierung des Asset Managements und befasst sich seit seinem Studium der Finanzwissenschaften mit dieser Materie. Er befasste sich bereits in seiner Abschlussarbeit in 2000 mit diesem Thema: «Einsatz von künstlichen neuronalen Netzwerken im modernen Portfoliomanagement.» In seiner Doktorarbeit «A Systematic Investment Process for Alternative and Traditional Investment Strategies» stellte er im Jahr 2003 erstmals einen voll digitalisierten Investmentprozess als Vorreiter heutiger Robo-Advisors vor. Als Head of Portfolio Management bei der Siemens AG legte er den Grundstein für die Kombination von Wissenschaft und Vermögensverwaltung sowie für die Prognosemodelle von iQ-FOXX und dessen Live-Track-Rekord seit 2006. Die entwickelten Modelle wurden bei Siemens auch in Zusammenarbeit mit Investmentbanken erfolgreich eingesetzt. Ab 2009 war er Head of Structured Solutions & ETFs bei der C-Quadrat Kapitalanlage AG. Im Zuge eines Management-Buy-outs gründete er im Frühjahr 2012 den unabhängigen Indexspezialisten iQ-FOXX.

Bernhard Wenger
Head of SPDR ETFs Switzerland
State Street Global Advisors AG
Beethovenstrasse 19
8002 Zürich
Bernhard Wenger ist bei State Street Global Advisors für die Geschäftsentwicklung und den Vertrieb von SPDR ETFs in der Schweiz verantwortlich. Zuvor war er bei ETF Securities tätig, wo er zuletzt als Head of European Distribution den Vertrieb geleitet hat. Im Weiteren hatte Bernhard Wenger leitende Positionen bei Morgan Stanley, HSBC und BNP Paribas inne und verfügt über einen «European Master in Management» der ESCP Europe (Paris, Oxford, Berlin).

Dr. Cyrill Zimmermann
Leiter Healthcare Funds & Mandates
Bellevue Asset Management AG
Seestrasse 16
8700 Küsnacht
Dr. Cyrill Zimmerman ist Leiter Healthcare Funds & Mandates sowie Mitglied der Geschäftsleitung von Bellevue Asset Management. 2001 gründete er Adamant Biomedical Investments und leitete die Investmentboutique bis zur Übernahme durch Bellevue in 2014. Cyrill Zimmermann promovierte an der Universität Zürich.
Moderator

Thomas J. Caduff ist CEO der Fundplat GmbH. Er ist seit über 30 Jahren in der Finanzindustrie tätig. Zu seinen beruflichen Stationen gehörten das Börsenkommissariat des Kantons Zürich, die Bank Vontobel, die Credit Suisse und die UBS. Thomas J. Caduff diente ferner drei Jahrzehnte lang in einer Division und mehreren Brigaden der Schweizer Armee als Kommunikations-/Medienoffizier.