Vier Profis geben einen Einblick, wie das Geschäft bei ihnen läuft
• Caduff: Meine Herren, ist es Ihnen im Homeoffice dann und wann langweilig geworden?
Wenger: Es war sicherlich eine Herausforderung, mehr oder weniger über Nacht ins Homeoffice zu wechseln und das praktisch auf globaler Ebene, aber was es sicher nicht war, ist langweilig. Klar geht der persönliche Kontakt sowohl mit Investoren als auch Kollegen am Anfang ab, die Möglichkeit von Videokonferenzen hat hier aber wirklich ihren Lackmustest bestanden, würde ich sagen. Ausserdem war und ist es wichtig, in herausfordernden Zeiten noch näher am Kunden zu sein. All dies und viele Fragen und Diskussionen zu Investitionsthemen, Einstiegsszenarien und ETF-Liquidität haben uns sehr stark beschäftigt. Alles in allem wird es in unserer Branche - denke ich - auch nie langweilig, weil es immer neue spannende Themen und Entwicklungen gibt.
Bloch: Nein, ganz und gar nicht! Von Langeweile kann absolut keine Rede sein, da wir bis in den Juni hinein ein sehr hohes Arbeitsvolumen hatten und die Tage sehr lang waren. Wir haben uns recht schnell in die Welt des Homeoffice eingelebt; als Unternehmen haben wir seit Jahren bereits dieses Model unterstützt und dies kurzfristig auch in der Schweiz umgesetzt. Global hat alles reibungslos funktioniert. Es war eine schöne Erfahrung, von zu Hause aus zu arbeiten und zum Abendessen mit der ganzen Familie auch rechtzeitig «zu Hause» zu sein. Für das Familienleben waren die schwierigen Umstände eine sehr bereichernde Zeit. Es wäre auch kaum anders gegangen, da in einer Familie mit zwei Teenagern auch einiges anstand, bei dem Unterstützung aus Erfahrung nötig war. Für Abwechslung war also auch gesorgt. Auch hilfreich war, dass das Wetter mitgespielt halt - sogar der sonst so launische April hat uns eigentlich nur Sonnenschein beschert.
Heusser: Langeweile haben wir aktuell aus unserem Wortschatz gestrichen. Die Finanzmärkte hielten uns in den vergangenen sechs Monaten auf Trab, insbesondere im März und April. Meinen Arbeitsplatz im Handelsraum der Bank Julius Bär habe ich aber nicht ins Homeoffice, sondern ins Aquarium verlegt. Aquarium, so nennen meine Julius Bär-Kollegen mein temporäres Büro. Es befindet sich in einem Nachbargebäude des Handelsraums der Bank und ist frontal mit einer grossen Glaswand vom Gang getrennt, deshalb Aquarium. Mit der Einführung von Split Operation arbeitet ein Teil der Handelsmitarbeitenden im angestammten Handelsraum, andere im Homeoffice und einige in separierten Büros in anderen Bankgebäuden, so wie ich im Aquarium.
Franck: Wir wollen natürlich, dass sich möglichst keiner ansteckt, aber viel wichtiger ist, dass sich keinesfalls alle Mitarbeitenden gleichzeitig anstecken. Daher haben wir Team «Blau» und Team «Rot» gebildet, und es war immer nur eines der Teams im Büro. Für mich war es aufregend, die Märkte waren ja extrem volatil und boten gleichzeitig auch tolle Einstiegsmöglichkeiten. Da sitzt man dann zu Hause, es wird einem eine Nachranganleihe angeboten, die gerade auf einem Renditeniveau von 8 Prozent handelt, und dann muss man den Kollegen im Büro erreichen, weil die Execution nur aus dem Büro erfolgen kann - langweilig war mir nie!
• Caduff: Läuft Ihr Business wieder in gewohnten Bahnen – haben Sie viel zu tun?
Heusser: Nach den rekordverdächtigen Transaktionsvolumen in den ersten vier Monaten haben sich die Handelsaktivitäten wieder beruhigt. Aber weil gerade der Handel für Anlagefonds via Börse immer beliebter wird und das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft ist, nehmen wir das Wort Langeweile nicht so schnell wieder in unseren Wortschatz auf. Das Interesse steigt täglich, mittlerweile sind es mehr als 450 Anlagefonds im Handelssegment «Sponsored Funds» von SIX Swiss Exchange. Weitere Neuaufnahmen folgen in Kürze.
Franck: Wir haben viele neue Erfahrungen gesammelt und auch unsere Kunden haben in der Krise gelernt und hatten sehr grossen Gesprächsbedarf. Wir verspüren immer noch grosse Unsicherheit und es dominieren Fragen nach der Divergenz der Kapitalmarkt-Performance vs. der Ungewissheit über den zukünftigen makroökonomischen Pfad und Fragen nach Risikoprämien im Creditbereich und des fairen Niveaus von Zinsen. Gerade die Liquidität am Bondmarkt war ja ein grosses Problem, da haben viele auf risikoaverse Strategien gesetzt. Das kam unseren defensiven Mandaten, bei denen wir Credit Default Swaps einsetzen, um das Kreditrisiko zu hedgen, durchaus entgegen. Bemerkenswerterweise ist das Handelsvolumen im CDS-Markt sogar während der heissen Wochen gestiegen, da Investoren gar nicht anders absichern konnten. Daher können wir uns über mangelnde Arbeit ganz gewiss nicht beschweren.
Bloch: Wir haben tatsächlich zwei Rekordquartale hinter uns und bezogen auf Europa das beste Jahr seit dem Bestehen der Firma. Es gibt sowohl im Wholesale als auch im Institutionellen einiges an Aktivitäten. Den grösseren Teil der ursprünglich geplanten Konferenzen haben wir erfolgreich im virtuellen Raum umsetzen können. Wir haben das Instrument aber sehr selektiv eingesetzt und sind uns bewusst, dass bereits eine gewisse, grundsätzliche Müdigkeit auf Seiten der Kunden einsetzt. Die Anzahl solcher Angebote ist sprunghaft angestiegen und was anfänglich als ideale Alternative erachtet wurde, kann plötzlich das Ausmass von unkontrolliertem «Weiterleiten» von E-Mails annehmen. Bezüglich der gewohnten Bahnen würde ich sagen: Das ganze Schweizer Team arbeitet seit Ende Juni wieder im Büro, eigentlich heisst es wieder «business as usual» bei uns.
Wenger: Die Umstellung auf das Homeoffice hat sehr gut geklappt, und wir sind ziemlich schnell in den gewohnten Rhythmus gekommen, wenn auch mit neuartigen Kommunikationswegen. Die Nachfrage nach ETFs hat durch die Krise nicht gelitten, im Gegenteil. Vor allem defensive Strategien waren sehr gefragt und auch Gold, was im aktuellen Umfeld nicht verwunderlich ist. Erfreulich auch, dass ETFs als liquides, transparentes Vehikel sich als krisensicheres Finanzinstrument bewiesen haben, was auch von vielen Marktbeobachtern positiv erwähnt wurde. Von der Nachfrage her, sind es neben Sektor-ETFs vor allem Fonds mit Nachhaltigkeitskomponente, die im Fokus sind. Diesen Trend hat die globale Pandemie sicherlich weiter beschleunigt und es ist hier auf der Produktseite auch noch einiges zu erwarten.
• Caduff: Welche Ihrer Produkte sind ganz besonders oder haben sogar im Markt ein Alleinstellungsmerkmal?
Wenger: Als Vorreiter im ETF-Bereich und Emittent vieler «erster» ETFs im Markt haben wir es uns bei SPDR zum Ziel gesetzt, relevante und effiziente Lösungen anzubieten. Alleinstellungsmerkmal in Europa hat sicherlich unser ETF auf globale Wandelanleihen, der einerseits eine hervorragende Performance aufweist und andererseits im aktuellen Umfeld eine wirklich interessante Möglichkeit darstellt, in Aktien zu investieren und gleichzeitig durch den Bondfloor abgesichert zu sein. Der ETF ist auch mit Währungsabsicherung in Schweizer Franken erhältlich. Infrastruktur ist auch ein wichtiges Thema, hier bieten wir ein Multi-Asset-Produkt an. Hinzu kommen die Evergreens, wo SPDR eine Marktführerschaft einnimmt. Ich denke an die Dividend Aristocrats und Sektor-ETFs, die Sie bei uns beziehen können.
Heusser: Der Handel von Fondsanteilen via Börse ist grundsätzlich attraktiv für die Anleger - vor allem dank einer transparenten, standardisierten und vollautomatischen Auftragsausführung. Beim Primärmarkt hingegen trägt der Investor das Marktschwankungsrisiko vom Entscheidungszeitpunkt - unter Berücksichtigung der Annahmefrist - bis zum NAV-Bewertungszeitpunkt. Hinzu kommt, dass der Investor bei der Auftragsausführung via Primärmarkt keine Preislimite zum NAV mitgeben kann. Die Vorteile beim Handel via Börse liegen klar auf der Hand, auch der Technik sei Dank. Mit technischem Fortschritt und digitalem Wandel verlagern sich immer mehr Transaktionen auf automatisierte Plattformen.
Franck: Wir gehören zu dem relativ kleinen Kreis der Asset Manager, die auch in Publikumsfonds aktiv Kreditversicherungen, also Credit Default Swaps (CDS) einsetzen. Dabei setzen wir CDS zur Kreditabsicherung ein, um so das Risiko-Rendite-Profil zu optimieren. Teilweise werden aber CDS auch outright eingesetzt, anstelle des Kaufs einer Anleihe verkaufen wir einen CDS auf denselben Emittenten, um letztlich über Arbitrage Zusatzerträge zu realisieren. Umgesetzt wird es in unseren drei Kernprodukten der Negativen Basis, einem IG-Credit-Fonds mit extrem geringen Zinsrisiko und einem reinen Financial-Credit-Fonds. Letztlich geben wir erklärungsbedürftige Antworten im Umfeld noch lange andauernder niedriger Zins- und Risikoprämien. Das ist aber auch verständlich in Zeiten von Null- bis Negativzinsen in fast allen saturierten Märkten. Ziel ist es, für unsere Kunden eine positive Realverzinsung auf mittel- bis langfristige Sicht zu erwirtschaften.
Bloch: Ende Sommer haben wir einen Fonds im Emerging-Markets-Euro-Income-Bereich lanciert. Im aktuellen Zinsumfeld für Euro-denominierte Anleihen stellt das Produkt eine attraktive Möglichkeit dar, um auf Euro-Basis Einkommen zu generieren. Das anhaltende Interesse an unserer Emerging-Market-Debt-Total-Return-Strategie ist sehr erfreulich. Ein Unconstrained-Ansatz, gemanaged auf einer Hedgefonds-Plattform, mit deutlich tieferer Volatilität und Downside-capture. Mit einem Upside-capture von über 90 Prozent ist es im aktuellen Tiefzinsumfeld ein ideales Produkt, um von den hohen Coupons zu profitieren, ohne die hohe Volatilität in Kauf nehmen zu müssen. Wir haben die Marktschwankungen soweit gut überstanden und Wachstum verzeichnet. Auch ist das Timing ideal für zwei neue Strategien, die wir seit längerer Zeit planen und in Kürze umsetzen werden. Beide sind im Bereich Private Equity/Data Centers und stossen auf sehr viel Interesse.
Teilnehmende

Martin Bloch
Managing Director,
Head of Switzerland
Principal Global Investors
(Switzerland) GmbH
Dreikönigstrasse 31a
8002 Zürich
Martin Bloch (57) ist Managing Director, Head of Switzerland bei Principal Global Investors (Switzerland) GmbH und verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Branche. Zuletzt war er als Country Manager und Vertriebschef in der Schweiz bei Robeco/RobecoSAM tätig. Davor arbeitete Bloch acht Jahre als Chef und Gründer von CPP Constant Portfolio Protection. Er hatte zuvor führende Funktionen bei der von der Privatbank Julius Bär übernommenen Merrill Lynch International und der inzwischen mit der EFG fusionierten Banca della Svizzera Italiana (BSI).

Jens Franck
Partner & Senior Portfoliomanager
nordIX AG
Ballindamm 37
20095 Hamburg
Deutschland
Jens Franck ist Partner und Senior Portfoliomanager bei nordIX in Hamburg. Die nordIX AG verwaltet Fonds, die teils opportunistisch, teils defensiv in Anleihen investieren und aktiv auch Zins- und Kreditderivate einsetzen. Franck war mehr als 25 Jahre in verschiedenen Funktionen im Rentenhandel, Renten-Sales und im Fondsmanagement unter anderem bei der MEAG, Deka und Merrill Lynch tätig. Seit 2015 arbeitet er bei nordIX.

Oliver Heusser
Managing Director Senior Advisor,
Head Funds Secondary Trading
Bank Julius Bär & Co. AG
Hohlstrasse 606
8048 Zürich
Oliver Heusser leitet seit 2009 das Funds Secondary Trading Team bei der Bank Julius Bär. 2009 wechselte er zu dieser Adresse, um den Sekundärmarkt in Anlagefonds bei der Schweizer Privatbank aufzubauen. In den vergangenen Jahren hat er mit seinem Team den Sekundärmarkt in Anlagefonds weiterentwickelt und unter anderem das Handelssegment «Sponsored Funds» in Zusammenarbeit mit SIX Swiss Exchange eingeführt. Vor seiner Tätigkeit bei der Bank Julius Bär arbeitete er zehn Jahre für die UBS Investment Bank. Oliver Heusser besitzt einen Abschluss als Certified International Investment Analyst CIIA.

Bernhard Wenger
Country Manager
State Street Global Advisors AG
Beethovenstrasse 19
8002 Zürich
Bernhard Wenger ist als Geschäftsführer bei State Street Global Advisors AG in Zürich primär für die Geschäftsentwicklung und den Vertrieb von «SPDR ETFs» in der Schweiz verantwortlich. Zuvor war er bei ETF Securities tätig, wo er unter anderem als Head of European Distribution den Vertrieb geleitet hat. Im Weiteren hatte Bernhard Wenger leitende Positionen bei Morgan Stanley, HSBC und BNP Paribas inne und verfügt über einen «European Master in Management» der ESCP Europe (Paris, Oxford, Berlin).
Moderator

Thomas J. Caduff ist CEO der Fundplat GmbH. Er ist seit rund 40 Jahren in der Finanzindustrie tätig. Zu seinen beruflichen Stationen gehörten das Börsenkommissariat des Kantons Zürich, die Bank Vontobel, die Credit Suisse und die UBS. Thomas J. Caduff diente ferner drei Jahrzehnte lang in einer Division und mehreren Brigaden der Schweizer Armee als Kommunikations-/Medienoffizier.