2022 wird ein Jahr für Stockpicker!

01.02.2022
Herr Fischer, das neue Jahr ist noch jung, also lassen wir 2021 kurz Revue passieren. Wie lief es bei Ihnen?
Wir hatten insgesamt ein sehr gutes Jahr. Da war zunächst unsere gute Performance. Wir haben die Lockdownphase im Winter 2020/21 mit Absicherungen gut überstanden und diese dann rechtzeitig wieder aufgelöst. Von da an haben wir fast kontinuierlich eine Aktienquote zwischen 70 und 90 Prozent gehalten. Das Marktumfeld war vor allem durch die Liquiditätsschwemme der Notenbanken sehr freundlich. Der Mangel an Alternativen für Investoren und ein vorsichtiger Optimismus über das Abflauen der Coronapandemie taten den Sommer hinweg ihr Übriges. Daneben haben unsere Stockpicks, allen voran secunet, Alphabet und Amazon, deutlich zur Performance beigetragen. Die Unternehmen profitierten dabei von säkulären Trends, die von Inflationsdiskussionen, politischen Faktoren oder Konjunkturproblemen weitestgehend unberührt geblieben sind. Grundsätzlich hat sich in diesem Jahr unser Fokus auf einen erweiterten Modern Value-Ansatz ausgezahlt, er macht aktuell rund 80 Prozent unseres Portfolios aus.
Auf der Vertriebsseite hatte das Jahr einige Herausforderungen, denn viele der gewohnten Veranstaltungen fanden nicht statt. Wir haben aber bereits 2020 damit begonnen, Formate wie den «Fondsgipfel» in digitaler Form abzuhalten. Mit der «Fondsgipfel-Akademie» ist uns - glaube ich - ein ganz innovatives und spannendes Fortbildungskonzept für unsere Vertriebspartner gelungen. Wir hatten bei den drei Veranstaltungen im Jahresverlauf rund 2’600 Teilnehmende, 700 davon haben nach einer Abschlussprüfung ein Teilnahmezertifikat erhalten. Für die laufenden Informationen haben wir stark auf Videos, etwa bei unserer Inforeihe «Value Kompakt», gesetzt. Das Feedback war positiv. Wir setzen auch weiter auf einen intensiven Dialog mit unseren Vertriebspartnern, aber auch mit Endkunden. Deswegen bin ich auch sehr froh darüber, dass Heiko Böhmer im September als Kapitalmarktstratege zu uns gestossen ist. Heiko ist der richtige «Übersetzer» für unsere Investmentphilosophie.
Schauen wir nach vorn. 2022 blicken viele Anleger deutlich skeptischer auf die Aktienmärkte. Was ist Ihre Meinung und wie positionieren Sie sich?
Wir haben 2022 ein deutlich anderes Umfeld als in den letzten Jahren. Die Inflationsraten ziehen an und auch wenn ich glaube, dass die ganz hohen Zahlen nur temporär sind, so müssen wir doch mit einem dauerhaft erhöhten Inflationsniveau rechnen. Und das hat Folgen: Neben den Auswirkungen für die Unternehmensgewinne durch gestiegene Preise für Vorprodukte sind das vor allem die Reaktionen der Notenbanken. Eine Anhebung der Zinsen wird über kurz oder lang zu einer Neubewertung der Assetklassen führen. Vor allem Segmente, die hoch bewertet sind, wie etwa die Techwerte, dürften korrigieren. Einen Vorgeschmack haben wir im Januar schon bekommen. Damit rückt die Qualität eines Unternehmens wieder stärker in den Vordergrund, die Fähigkeit, eine nachhaltige Kapitalrendite zu erzielen und das eigene Geschäftsmodell durch strukturelle Wettbewerbsvorteile auch in schwierigen Zeiten zu schützen. Diese Neubewertung führt zu Angst und entsprechend zu höherer Volatilität. Wir sehen an verschiedenen Indikatoren, dass die Angst im Markt ausserordentlich hoch ist. Für langfristig orientierte Investoren wie uns ist die Volatilität aber gut, denn sie bietet Chancen. Deshalb haben wir unsere Absicherungen zunächst wieder aufgelöst und fahren aktuell mit einer Aktienquote von rund 90 Prozent. Zur Stabilisierung haben wir gleichzeitig auch die Goldquote erhöht. Ich gehe davon aus, dass wir nach den Turbulenzen der letzten Tage bis zum Sommer zunächst eine Stabilisierung sehen werden, halte dann aber eine grössere Korrektur nicht für ausgeschlossen.
Bleiben Sie Ihrer Anlagephilosophie treu oder drehen Sie etwas an den Stellschrauben?
Wir nutzen in unseren Mandaten, wie dem «Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen» und dem «Frankfurter - Value Focus Fund», den Value-Ansatz in verschiedenen Ausprägungen. Den Kern bildet aktuell unser Modern Value-Ansatz. Hier steht nicht allein die Bewertung im Vordergrund, sondern vielmehr die Bewertung im Verhältnis zur erwarteten Kapitalrendite, also die Frage, was ich als Investor für mein Geld kriege. Dieser Ansatz erlaubt es uns, auch Aktien mit einer höheren Bewertung zu kaufen, wenn die langfristige Perspektive stimmt. Uns so konnten wir etwa auch Unternehmen wie Amazon oder Alphabet in die Portfolios nehmen, was sich für die Anleger ausgezahlt hat. Daneben haben wir aber auch weiterhin klassische Graham-Value-Werte im Portfolio, Aktien, die wir mit einem deutlichen Abschlag auf ihren Inneren Wert kaufen konnten und bei denen wir nun darauf warten, dass der Markt die Unterbewertung erkennt und ausgleicht. Wir sind mit dieser Kombination sehr gut gefahren, denn so lassen sich die Chancen des Marktes besser abschöpfen.
Sie haben 2020 einen Index aufgelegt, zu dem es in diesem Jahr auch einen ETF geben soll. Können Sie dazu ein paar Worte dazu sagen?
Gerne. Kern unserer Mandate ist ja der Modern Value-Ansatz, mit dessen Hilfe wir Qualitätsaktien identifizieren. In unseren Fonds gewichten wir die Aktien natürlich unterschiedlich stark und steuern aktiv die Aktienquote. In unserem «Frankfurter Modern Value Index» bilden wir die 25 Aktien aus unserem Anlageuniversum ab, die auf Sicht von fünf Jahren den höchsten Total Share Return versprechen. Die Aktien werden gleichgewichtet, einmal im Quartal erfolgt ein Rebalancing. Damit ist der Index ein Querschnitt unserer besten Modern Value-Titel. Im Laufe des Jahres werden wir einen ETF auf den «Frankfurter Modern Value Index» auflegen, so dass Anleger ihn als reinen Aktienbaustein erwerben können.
Link zum Disclaimer
Frank Fischer ist Chief Executive Officer (CEO) und Chief Investment Officer (CIO) der Shareholder Value Management AG sowie Berater des «Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen». Der 57-jährige ist überzeugter Value-Investor.