«A-Aktien bieten Zugang zum wachsenden Mittelstand und zu technologischen Innovationen in China»

25.05.2018
Herr Lin, ab Juni 2018 werden Chinas A-Aktien schrittweise in den MSCI Emerging Markets Index aufgenommen. Wie sieht der Prozess aus?
Mitte Mai hatte MSCI die endgültige Liste der China A-Aktien bekannt gegeben, die in die globalen MSCI-Indizes aufgenommen werden. Nach Marktschluss am 31. Mai 2018 wird die erste Runde dieser Aktien offiziell in den globalen Index aufgenommen werden. Die zweite Aufnahmerunde findet Ende August 2018 statt. Etwas mehr als 200 A-Aktien werden aufgenommen. Für den MSCI Emerging Market Index bedeutet dies zum Beispiel, dass das Gewicht der A-Aktien nach der zweiten Runde im August voraussichtlich unter 1 Prozent liegen wird. Es ist also ein relativ kleiner Anfang.
China ist einer der grössten Aktienmärkte der Welt, aber bisher weitestgehend abgeschottet. Was bedeutet diese Veränderung für globale Anleger?
Der chinesische A-Aktien Markt ist mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 8 Billionen US-Dollar einer der grössten der Welt. Die Unternehmen reichen von führenden Konsummarken über Joint-Venture-Partner von Volkswagen bis zu den dominierenden Herstellern traditioneller chinesischer Medizin.
Wir erwarten, dass die Öffnung des A-Aktienmarkts globalen Investoren die Möglichkeit bietet, umfassende Engagements in Feldern wie wachsender Mittelstand, technologische Innovationen und führenden Industrieunternehmen der zweitgrössten globalen Volkswirtschaft einzugehen.
Der Markt für A-Aktien wird weiterhin von Privatanlegern dominiert. Im vergangenen Jahr machten Privatanleger mehr als 80 Prozent des A-Aktienmarkts auf der Basis des Streubesitzes aus - die USA hatten einen ähnlichen Anteil zuletzt in den 60er Jahren. Diese Dominanz der Privatanleger macht den A-Aktienmarkt zu einem der ineffizientesten Märkte der Welt - und ist damit einer der geeignetsten Märkte für aktive Manager um Erträge jenseits des Markt-Betas zu generieren.
Die Märkte in Schanghai und Shenzhen sind bekanntermassen volatil. Was sollten Anleger bei einer Investition in chinesische A-Aktien beachten?
Zum einen stimmt es, dass die A-Aktien volatiler waren als ihre globalen Pendants, doch ist diese Volatilität in den letzten zwei Jahren deutlich zurückgegangen. Noch wichtiger ist, dass die Korrelation von A-Aktien zu den globalen Märkten sehr niedrig ist. Mit anderen Worten: Ob volatil oder nicht, A-Aktien machen ihr eigenes Ding und sind meist nicht mit globalen Trends oder globalen Ereignissen korreliert. Durch die Hinzufügung von A-Aktien zu Allokationen in anderen Anlageklassen kann ein Anleger sein Risikoprofil insgesamt effektiv reduzieren.
Ein Teil der Volatilität stammt daher, dass China noch immer ein Entwicklungsland ist. In einem solchen Markt gibt es keinen Ersatz für Research. Fonds müssen hier lokale Expertise durch den Einsatz wirklich erfahrener Spezialisten aufbieten. Diese Teams müssen die Nuancen der wachsenden chinesischen Wirtschaft verstehen und die Fähigkeit besitzen, Unternehmen mit guter Führung zu identifizieren. Lokale Präsenz ist der effektivste Weg, um sich erfolgreich im A-Aktienmarkt zu bewegen.
Mit welchen Produkten sollten Investoren daran partizipieren?
Investoren, die Chancen am A-Aktien-Markt nutzen wollen, sollten auf Produkte von Fondsmanagern mit langjähriger und intensiver Erfahrung im Markt und mit lokaler Präsenz setzen. Die Eingliederung von A-Aktien wird aber auch auf die Allokation von Anlegern innerhalb der Schwellenmärkte Veränderungen bedeuten.
In rund 3 bis 5 Jahren wird die Aufnahme der A-Aktien in die MSCI-Indizes vollzogen sein. Dann werden diese ungefähr die Hälfte des MSCI Emerging Market Index ausmachen. Für einige Investoren wird China aufgrund seiner Grösse dann eine eigenständige Kategorie bilden. Mit anderen Worten sind wir der Meinung, die Allokationen werden in China und Emerging Markets ex-China aufgeteilt. Wir sind darauf vorbereitet und arbeiten an Lösungen für Investoren, die an den besten Chancen chinesischer Unternehmen teilhaben wollen, sei es mittels A-Aktien, in Hongkong oder in New York gelisteten ADRs.
John Lin ist seit 2013 Portfoliomanager für China Equities und verantwortlich für das Management der China A-Aktien Value Portfolios und des China Opportunity Fund. Er ist zudem Senior Research Analyst und verantwortlich für die Bereiche Finanzen, Immobilien und Mischkonzerne in Hongkong und China. Im Jahr 2008 zog Lin nach Hongkong als Analyst für unter anderem asiatische Finanzdienstleister, Immobilien- und Telekommunikationsunternehmen. Er ist seit 2006 bei AllianceBernstein. Zuvor war er bei der Citigroup als Investmentbanker für Technologie, Medien und Telekommunikation tätig. John Lin hält einen BS (magna cum laude) in Umwelttechnik von der Cornell University und einen MBA von der Wharton School an der University of Pennsylvania, wo er die Auszeichnung «Graduation with Honours» erhielt.