Abrdn Schweiz will mehr Vermögensverwalter ansprechen

Country Head Switzerland - MD
abrdn Investments Switzerland AG, Zürich
abrdn.com
25.04.2023
Herr Steffens, nach einem herausfordernden Geschäftsjahr 2022 hat sich abrdn Investments Switzerland für 2023 ambitionierte Ziele gesetzt. Sie arbeiten unter anderem daran, den Anteil der Kunden in der Vermögensverwaltung zu erhöhen. Was prägte das letzte Jahr?
Wir haben unsere Vertriebsziele für 2022 leider nicht erreicht. Während die Schweizer Niederlassung hochprofitabel blieb, sank das verwaltete Vermögen um 5 bis 10 Prozent. Ein negativer Trend, den wir in diesem Jahr durch ein entsprechendes Wachstum auszugleichen versuchen. Vorerst bleiben die Kunden indes vorsichtig.
Der Krieg in der Ukraine hat natürlich auch uns nicht verschont. Wir haben unsere Aktivitäten in Russland eingestellt, und zwar aus strategischen und nicht aus taktischen Gründen. In diesem Zusammenhang wurden beispielsweise auch einige Anlageprodukte, insbesondere im Bereich der natürlichen Ressourcen, eingestellt, da sie nicht mit den ESG-Verantwortungskriterien übereinstimmten.
In der Schweiz verwaltet abrdn rund 9 Mrd. Schweizer Franken an Vermögenswerten, die zu 50 Prozent von institutionellen Investoren und zu 50 Prozent von Vermögensverwaltern betreut werden. Wo sehen Sie weiteres Wachstumspotenzial?
Trotz der Regulierungsbemühungen der Finma, die den Vermögensverwaltern nun Lizenzen auferlegt, beurteilen wir das Potenzial dieses Marktes nach wie vor als beträchtlich. Wir arbeiten daran, den Anteil dieser Kundengruppe auf 60 Prozent zu erhöhen.
Wie wichtig ist das Schweizer Geschäft innerhalb des Gesamtunternehmens?
Der Schweizer Markt ist für abrdn angesichts der Grösse des Landes relativ wichtig. Abrdn gehört in der Schweiz immerhin zu den zehn wichtigsten Akteuren der Branche. Unser Team hier besteht aus nur sieben Personen, die ausschliesslich im Vertrieb tätig sind. Zum Vergleich: Ende Februar veröffentlichte unser schottisches Mutterhaus ein verwaltetes Gesamtvermögen von rund 424 Mrd. Schweizer Franken per Ende 2022.
Was erwarten Sie vom Geschäftsjahr 2023?
Nach dem Ende der Negativzinsen wird das Geschäftsjahr 2023 im Zeichen von Staats- und Unternehmensanleihen stehen. Festverzinsliche Wertpapiere bilden seit Ende 2022 eindeutig unseren Schwerpunkt, und wir arbeiten an ihrer Wiederbelebung. Ein seit langem etabliertes Spezialgebiet von abrdn sind Schwellenländerpapiere. Hinzu kommt eine zunehmende Spezialisierung auf den Nachhaltigkeitsmarkt.
Unter den Schwellenländern hat sich abrdn seit vielen Jahren auf China spezialisiert. Wir verfügen über ein grosses Analystenteam, das auch vor Ort tätig ist. Neben China interessieren wir uns aber auch für die Entwicklung in Indien, ein Markt, der zum jetzigen Zeitpunkt weniger entwickelt ist als China, aber genauso viel Aufmerksamkeit erfordert.
Wie stehen die Investoren zum Thema China?
Die Nachfrage nach chinesischen Anlagen ist gut und zieht wieder an, nachdem sie im letzten Jahr einen Dämpfer erfuhr. Sie wird vor allem durch die Aktivitäten einiger Unternehmen in den Bereichen Batterien, Photovoltaik und Windkraft angetrieben, in denen China führend ist. Trotz allem bleibt das Interesse der Investoren überschaubar. Mangelnde Transparenz mag einer der Hauptgründe dafür sein, aber gerade hier kann unser grosses Team vor Ort umfassende Informationen aus erster Hand bereitstellen.
Was spricht denn konkret derzeit für ein Engagement in China?
Wir sehen vier wesentliche Gründe:
Erstens befindet sich China im Vergleich zu vielen Industrieländern in der entgegengesetzten Zyklusphase. Dies dürfte das Wachstum selbst dann begünstigen, wenn sich der Grossteil der restlichen Welt in einer Rezession befindet.
Zweitens weisen die Bewertungen attraktive Niveaus auf. Der Markt für chinesische A-Aktien wird auf Basis des Kurs-Buchwert-Verhältnisses mit einem Abschlag von rund 35 Prozent auf den 15-jährigen Durchschnittswert gehandelt.
Drittens weisen chinesische Aktien eine nur geringe Korrelation zu ihren globalen Pendants auf. Die Korrelation des Marktes für chinesische A-Aktien zum MSCI World Index beläuft sich beispielsweise auf tiefe 26 Prozent. Anders ausgedrückt könnte eine Allokation bei chinesischen Aktien Diversifizierungsvorteile zu einer Zeit bieten, in der sich die Industrieländer in einem Straffungszyklus befinden.
Viertens ist die chinesische Regierung bestrebt, eine Innovationskultur zu fördern, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. In dieser Hinsicht hat sie den Vorteil, dass das Land allein aufgrund der schieren Bevölkerungszahl weltweit führend ist bezüglich Anzahl der Hochschulabsolventen in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik).
Link zum Disclaimer
Karsten-Dirk Steffens ist als Länderchef Schweiz seit Oktober 2019 für den schottischen Asset Manager abrdn tätig. Seit rund 20 Jahren ist Steffens in Deutschland, Grossbritannien und in der Schweiz in leitenden Funktionen bei bekannten Unternehmen in der Branche tätig, darunter Threadneedle, AXA Investment und Aviva. Er ist Experte für Geschäftsentwicklung in der Vermögensverwaltung für den Wholesale-Bereich und institutionelle Kunden. Steffens verfügt über tiefgreifende Kenntnisse der Asset-Management-Produktlandschaft, der Kundenplattform-Peripherie, strategischer Allianzen und Kundennetzwerke. In Deutschland geboren und aufgewachsen, hat er seinen Lebensmittelpunkt 2007 in die Schweiz verlegt und ist mittlerweile eingebürgert. Karsten-Dirk Steffens hat eine fundierte Ausbildung an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie in Frankfurt am Main durchlaufen und gezielt Weiterbildungen, u.a. im Managementbereich, absolviert.