Achtung, starker Rückenwind: Die Industrialisierung der Private-Wealth-Landschaft

CIIA, Geschäftsführender Gesellschafter
Drescher & Cie GmbH, Köln drescher-cie.de
09.09.2016
Herr Lanzendorf, «Professionelle Anleger» werden zunehmend von Fondsanbietern als Vertriebskanal hofiert. Warum ist diese Klientel so gefragt?
Professionelle Anleger, also Fonds-Selektoren wie Vermögensverwalter, Dachfondsmanager, Privatbanken und Family Offices erfreuen sich im Kreise der Investmentgesellschaften schon seit Jahren wachsender Aufmerksamkeit. Ausschlaggebend dafür sind zum einen die Vorbildung dieser Entscheider, die es den Anbietern erlaubt, sich ohne Schulungsbedarf und Haftungsrisiko vollumfänglich auf die eigentliche Produktpräsentation und Kundenbetreuung zu konzentrieren. Zum anderen die effizienten Losgrössen ihrer zur Anlage kommenden Summen. Sie sind in der Regel über den Verdacht erhaben, so kleinteilig wie im klassischen Retailgeschäft zu sein, belassen andererseits aber noch attraktive Margen abseits der Institutionellen, nicht selten über Mandate oder Spezialfonds abgewickelten Geschäfte mit grossen Kapitalsammelstellen wie Versicherungen, Pensionskassen oder Versorgungswerken. Wir haben in einer aktuellen Studie Strukturen und Bedürfnisse, aber auch das Denken und Handeln professioneller Investoren untersucht. Unter anderem ging es uns darum, die Wechselwirkungen und gegenseitig adressierten Erwartungshaltungen der professionellen Anleger und Anbieter zu hinterfragen und auf Überschneidungen und Divergenzen abzuklopfen.
Wie schätzt diese Kundengruppe ihr Umfeld, die Branche und ihre Zukunftschancen ein?
Unbeschadet der Grössen und Geschäftsmodelle nennen die Befragten mehrheitlich drei wesentliche Sorgen: Regulierung, Kapitalmarkt und Nachfolge - und zwar in dieser Reihenfolge. Grundsätzlich ist jedoch ein grosses Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten vorhanden, so dass man diese Herausforderungen für das eigene Geschäftsmodell in den meisten Fällen als beherrschbar ansieht. Zudem impliziert jedes Risiko auch eine Chance, was Regulierung / Beratersterben, Rückzug der Banken aus der Fläche, Anlagenotstand und den Wunsch nach ganzheitlicher Betreuung auch auf der «Haben-Seite» der Bilanz erscheinen lässt. Mancher geht sogar so weit, die Anforderungen des Regulators als «Wachstumsfutter für die Branche» zu interpretieren, da sie jeden Akteur die Nachhaltigkeit seines Geschäftsmodells hinterfragen lassen. Sie fungieren als Innovationstreiber und nötigen jedem Marktteilnehmer Professionalisierung auf. Wer sich als Gewinner sieht, spricht von «Burggraben», die potenziellen Verlierer von «Regulations-Darwinismus». So oder so wird vor diesem Hintergrund in den kommenden Jahren eine Konsolidierungswelle erwartet, für die sich der überwiegende Teil der von uns Befragten gut gerüstet sieht. Bilanziert man Chancen und Risiken, sollten die Leistungsträger in den kommenden Jahren einen deutlichen Rückenwind verspüren können. Grundvoraussetzung ist dabei ein solides und gesundes Geschäftsmodell und gute Managementleistungen, die in einer transparenter werdenden Investmentwelt einer Überprüfung standhalten. Effizienz und Grösse sind hierbei entscheidende Werttreiber.
Welche überlebensfähige Grösse braucht unabhängiges Private Wealth Management mindestens?
Im Rahmen des Strukturwandels stellt sich die Frage nach der sogenannten «geschäftsfähigen Grösse» eines Anbieters, die stark durch Effizienz und Rentabilität geprägt ist. Mit dem nicht zuletzt aus MiFID II resultierenden zunehmenden Druck, der im Private-Wealth-Segment für erhöhten Aufzeichnungs-, Kontroll- und Compliance-Aufwand sorgt, wird derzeit in vielen Häusern mit spitzem Bleistift gerechnet. Das gilt gleichermassen für Banken wie auch für unabhängige Verwalter - was auch den Trend erklärt, Zielkundensegmentierungen vorzunehmen und die B- und C-Klientel in standardisierte Lösungen zu überführen. Dabei sollte man sich von der Überlegung lösen, dass es eine einzige Wahrheit oder «Schwelle» in Bezug auf die geschäftsfähige Grösse gibt. Wie hoch das verwaltete Volumen beziehungsweise das betreute Kundenbuch sein müssen, richtet sich insbesondere nach den vorhandenen Strukturen. Eine grosse Rolle wird im Kontext der Digitalisierung hier die IT-Unterstützung des Beratungs- und Dokumentationsprozesses spielen. Auch bei hochvermögenden Anlegern und in einer Branche, die das «People business» betont, werden Begriffe aus der modernen Managementlehre - wie beispielsweise «Streamlining» oder auch «Lean Management» - zukünftig an Bedeutung gewinnen. Wir sprechen hier also durchaus von der Industrialisierung der Private-Wealth-Landschaft in Deutschland.
Ist aktives Management in diesem Umfeld überhaupt noch gefragt?
Zunächst ist festzustellen, dass der zum offenen Vertrieb zugelassene Publikumsinvestmentfonds mittlerweile ein wesentlicher Bestandteil des Private-Wealth-Instrumentariums ist und auch in Zukunft bleiben wird. Neben Direktanlagen haben Fonds innerhalb der Vermögensverwaltungen in den vergangenen Jahren eine gleichberechtigte Rolle eingenommen und werden in der Breite eingesetzt. Das ist insbesondere auch der guten Regulierung des Instruments zu verdanken. Auch wenn eine grosse Zahl aktiv gemanagter Fonds nicht in der Lage ist, langfristig ihre Benchmark zu übertreffen und viele der aktiven Produkte den Ruf von «Indexschmusern» geniessen, gibt es aus Sicht der meisten Befragten doch genügend Manager, die in der Lage sind, durch aktives Management einen langfristigen Mehrwert für ihre Kunden zu erwirtschaften. Dieser Mehrwert ist im Private Wealth Management nach wie vor gesucht. Allerdings weniger im Rahmen «schöner Vertriebs-Stories» als vielmehr einer professionellen Leistungsüberprüfung. Ob es am Ende eines umfangreichen Fondsauswahlprozesses dann ein aktiver oder ein passiver Fonds ins Portfolio schafft, hängt bereits heute längst nicht mehr nur von den Kosten ab. Insbesondere, wenn es um die Umsetzung taktischer Entscheidungen geht - oder aber auch die Abbildung sehr effizienter Kapitalmärkte - wird gern zu ETF gegriffen. Auch wenn der eine oder andere «Ratgeber» es glauben machen will, so herrschen weder auf der Anbieter- noch auf der Kundenseite Grabenkämpfe. Vor allem aus Sicht der Fonds-Selektoren ergibt sich durch beide Produktformen schlicht eine Erweiterung des Sortiments, das bedarfsgerecht eingesetzt wird, um den Kundenauftrag bestmöglich zu erfüllen.
Warum mögen auch Profis so gerne Mischfonds und ist das nicht problematisch?
Die Mittelaufkommen der letzten Jahre lassen keinen Zweifel: An Mischfonds führt kaum ein Weg vorbei - auch nicht in Kreisen professioneller Anleger. Auf die Frage «Empfinden Sie die Multi-Asset-Mania und den Mischfonds-Hype als Konkurrenz?» antworteten uns 96 Prozent der Befragten mit einem klaren «Nein». Danach befragt, wer Mischfonds als professioneller Investor einsetzt, antworten rund 75 Prozent positiv. Die Gewichtungen schwanken dabei zwischen 25 und 75 Prozent. Spätestens damit dürfte die bisweilen vorgetragene These widerlegt sein, nach der die Mehrheit professioneller Investoren eine eigene Asset Allokation mittels Portfoliobausteinen betreibt. Eine gewisse Ratlosigkeit gegenüber den zukünftigen Kapitalmarktentwicklungen und Pragmatismus mit Blick auf den Pflegebedarf und regulatorischen Aufwand ist kein ausschliessliches Privileg des Retail-Geschäfts. Im Gegensatz zum Breitenvertrieb stellt sich bei den professionellen Anlegern allerdings oftmals die Frage nach dem Zusatznutzen, den sie ihren Kunden spenden. Wenn der Kernauftrag der Dreifaltigkeit «Allokation, Selektion und Timing» auf die blanke «Veredelung» reduziert wird, könnten Private-Wealth- und Dachfondsmanager schon bald angesichts schrumpfender Roherträge in Erklärungsnöte geraten. Schliesslich stellt sich die Frage nach der leistungsgerechten Vergütung. Ad hoc will uns keine Industrie auf der Welt in den Sinn kommen, in der für die reine Veredelung noch einmal soviel bezahlt wird, wie für den kreativen Prozess.
Wie stehen diese Marktteilnehmer zu den bestimmenden Themen und Trends der Industrie?
Es mag an der Fragestellung gelegen haben oder bedarf noch weiterer Präzisierung: zwei Drittel der Teilnehmer widersprechen der Aussage, «dass Mischfonds klassischer Prägung ausgedient haben» - aber 72 Prozent der Befragten sehen mittelfristig eine thematische Bedeutungszunahme von «Alternativen Anlagestrategien» und sind an entsprechenden Produktlösungen interessiert. An zweiter Stelle priorisierter Themen rangieren zumindest derzeit «Smart Beta» und «Faktor-Investments». Die Vervollständigung im Strauss der strategisch interessantesten Investmentthemen findet sich drittens im Themenkreis «Nachhaltigkeit / Sustainability» in unterschiedlichen Formen. Der Trend zu Strategien und Lösungen ist ungebrochen stark. Portfoliobausteine werden vorerst nur noch eine unterstützende, ergänzende, aber keine tragende Funktion haben. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass «Professionelle Anleger» in Deutschland eine hochattraktive Kundengruppe sind, die aus Sicht der Investmenthäuser allem Anschein nach im Vertriebswege-Mix zurecht hofiert wird. Der Grossteil der Marktteilnehmer ist gut bis sehr gut positioniert, erkennt Risiken und nutzt die bestehenden Chancen.
Christian Lanzendorf kam im April 2013 als geschäftsführender Gesellschafter zu Drescher & Cie, wo er sich massgeblich um die Bereiche Vertrieb und Consulting kümmert. Bevor Lanzendorf zu Drescher & Cie stiess, war er 19 Jahre für FRANKFURT-TRUST tätig und verantwortete dort den Publikumsfondsvertrieb «Non-Banks» sowie das Geschäft mit Private-Label-Fonds. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der WHL in Lahr und hält auch ein Diplom als Certified International Investment Analyst der ACIIA. Christian Lanzendorf ist verheiratet, hat eine Tochter und lebt in der Nähe von Frankfurt.