AI Litigation Funding - einzigartig, hoch profitabel, vorhersagbar und grösstenteils automatisiert

30.07.2020
Herr Alefelder, Ihr Unternehmen ist spezialisiert auf die Finanzierung von Rechtsstreitigkeiten («Litigation»). Dies in welchem Bereich?
Der Markt der Finanzierung von Rechtsstreitigkeiten ist im englischen Sprachraum seit langem etabliert und international besser unter dem Begriff «Litigation» bekannt. Aktuell sind wir in Deutschland (Österreich ist aktuell im Aufbau) als einer der erfolgreichsten Anbieter von Prozessfinanzierungen im Bereich Lebensversicherungen und Kapitalmarktprodukte aktiv. In Deutschland sind als attraktiver Teilmarkt zum Beispiel bis zu 108 Millionen Lebens- und Rentenversicherungen von fehlerhaften Widerrufsbelehrungen betroffen, die zwischen 1994 und 2007 abgeschlossen wurden. Aufgrund hoher Kosten und unüberschaubarer Risiken können weltweit bestehende Ansprüche in Milliardenhöhe nicht gerichtlich durchgesetzt werden. In der Regel scheuen viele Privatkunden den administrativen Aufwand, das Prozessrisiko und die damit verbundenen Kosten. Nach eingehender Prüfung durch unser Team (unter Verwendung von künstlicher Intelligenz «KI») besprechen wir mit dem Kunden die weitere Vorgehensweise. Hierbei gibt es eine starke Interessenkongruenz mit den Kunden, da wir nur im Erfolgsfall einen prozentualen Anteil an dem Mehrwert unserer Kunden erhalten. Bisher haben wir ca. 2.000 Prozesse geführt und dabei fast 90 Prozent unserer Prozesse erfolgreich beendet. In der Regel werden die meisten Fälle aussergerichtlich abgewickelt und üblicherweise dauert der gesamte Vorgang - je nach Komplexität - zwischen 6 und 24 Monate.
Durch unser adaptives Modell haben wir unsere Aktivitäten in den letzten Monaten um zwei neue Geschäftsfelder erweitert (wir denken, unser Ansatz ist fast beliebig erweiterbar):
- Wirecard AG-Schadenersatzansprüche: Die Wirecard AG hat am 18.06.2020 eingeräumt, dass in der Bilanz ausgewiesene Gelder in Höhe von 1,9 Mrd. Euro auf Treuhandkonten nicht existieren. Als Folge stürzte der Aktienkurs daraufhin massiv ab und das Unternehmen musste Insolvenz anmelden. Aktuell prüfen wir intensiv mögliche Schadensersatzansprüche von betroffenen Aktionären der Wirecard AG.
- Open-House-Verfahren: Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat über das Open-House-Verfahren medizinische Artikel, vor allem Schutzmasken, bestellt, bisher aber zu grossen Teilen nicht bezahlt. Hohe Kosten und hohes Risiko halten viele Lieferanten davon ab, bestehende Ansprüche durchzusetzen.
In beiden Fällen unterstützen wir unsere Kunden bei der Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche.
Gibt es da viele Wettbewerber?
In den englischsprachigen Kernmärkten USA (200 Mrd. US-Dollar) und Grossbritannien (39 Mrd. US-Dollar) reden wir über einen grossen und etablierten Markt. Trotzdem sind auch hier Prozesse lediglich im geringen einstelligen Prozentbereich durch Dritte finanziert. Wir beobachten hier ein rasantes Wachstum, und es besteht ein enormes globales Marktpotenzial (zurzeit vorwiegend im englischsprachigen Ausland wie USA, Grossbritannien oder Australien / Neuseeland). Bekannte Namen sind Burford (USA), Harbour Litigation & Funding (Grossbritannien) oder IMF Bentham (Australien).
In Deutschland ist der Markt deutlich kleiner und die grosse Herausforderung auf dem Weg zur Monetarisierung ist der Zugang zu einer ausreichend grossen Menge valider Fälle und die exakte Kalkulation der Klageausgangswahrscheinlichkeit. Unsere Mitbewerber im deutschen Markt wie FORIS AG, Roland Prozessfinanz, SOLVANTIS AG, ACIVO Prozessfinanzierung AG, LEGIAL oder obligatio übernehmen in der Regel lediglich Fälle ab 100.000 Euro Streitwert. Lawtechgroup kann bereits Fälle ab 10.000 Euro Streitwert profitabel bearbeiten, was uns Zugang zu einer grossen Anzahl valider Fälle gibt.
Sie arbeiten auch stark mit KI. Wie kann man sich das im Detail vorstellen?
Wir haben mit unserem KI-Tool «RAYDATA360» die Grenzen des traditionellen Rechtssystems verschoben und sind dadurch zum Pionier in KI-Prozesskostenfinanzierung geworden. Wir nennen das ganze «Predictive Analytics». Gemeint ist damit eine KI-Technologie in Zusammenhang mit der Finanzierung von Rechtsstreitigkeiten, die weltweit einzigartig zu sein scheint, basierend auf der Analyse von tausenden Daten aus dem Rechtssektor. Das ermöglicht es, Vorhersagen über den Ausgang eines Verfahrens treffen zu können. Als bekanntester Vertreter dieser technologischen Entwicklung ist vielleicht IBM Watson bekannt, welcher bekanntermassen im amerikanischen Fernsehen die Fernseh-Quizshow «Jeopardy» gewann.
RAYDATA360 ist besonders nützlich in Bereichen wie Massenklagen im Finanzbereich. Es hilft uns beim Screening und dem Diligence Workflow der Ansprüche. Unsere eigene umfassende Datenbank über Verbraucherrechtsstreitigkeiten hilft uns, statistische Muster in Bezug auf Anwaltsvertretung, Timing, Fallergebnisse und Gerichtsentscheidungen zu prognostizieren. Im Kern gesagt, haben wir mit KI und RAYDATA360 einen tieferen Einblick in rechtliche Daten gewonnen, der es uns ermöglicht, Entscheidungen darüber zu treffen, welche Fälle finanziert werden sollen und welche nicht. Durch das unternehmensinterne Data Mining mit dem Aufbau einer grossen Anzahl von Rechtsakten aus dem Bereich Lebensversicherungs- und Kapitalanlagerecht haben wir die Möglichkeiten für praktische sowie rechnerische Modelle von rechtlicher Relevanz in dieser eng zugänglichen Nische der Rechtsprechung geschaffen.
Jinhee Kim, Head of Data Science and Statistic: «Wir können einen fehleranfälligen menschenzentrierten Ansatz weiter beibehalten oder eine leistungsfähige Technologie nutzen, welche eine vorausschauende Analytik als Basis für ein transparenteres und effizienteres Rechtssystem verwendet. Dazu braucht es ein professionelles Team und unser Superior-Predictive-Algorithm-Modell.» Unser erstes Annahmen-Modell konnte durch mehr als 500 positive Verfahren mit einer Erfolgsquote von nahezu 91 Prozent in Funktion und Richtigkeit validiert werden und wird prozessdynamisch der aktuellen Rechtsprechung durchgehend angepasst.
Wie lauten Ihre Unternehmensziele für die nähere Zukunft?
Hier möchte ich die Vision des Firmengründers Daniel Kappes aus dem Jahr 2016 zitieren: «Lawtechgroup wird der europaweit führende Anbieter für digitale Investmentvehikel in Prozesskosten mit eigenen Assets - basierend auf langjähriger Erfahrung und soliden Daten.»
Um dieses Wachstum zu beschleunigen (bisher arbeiten wir nur mit unserem Eigenkapital), planen wir die Emission des ersten Litigation Bonds gegen Ende dieses Jahres. Das Ziel der Emission: Lawtechgroup kauft im Bereich der Lebensversicherungen und Kapitalmarktprodukte valide Portfolios an und etabliert den Markt der Prozessfinanzierung in Deutschland und Österreich.
Link zum Disclaimer
Markus Alefelder ist Chief Financial Officer (CFO) bei der Lawtechgroup GmbH in München. Er hat mehr als 25 Jahre Erfahrung am Kapitalmarkt, zuletzt als Chief Investment Officer (CIO) der Central Bank of Malta. Davor war Markus Alefelder in verschiedenen Führungspositionen bei europäischen Asset Managern und im Private Banking (auch im Ausland) tätig.