Aktien erben von Oma und Opa - die beste Schule für eine ruhige Hand

Initiator und Verwaltungsratsvorsitzender
Mellinckrodt 2 SICAV, Luxemburg-Strassen
mellinckrodt.lu
23.02.2018
Herr Dr. Oehm, Sie sind oft in der Schweiz, was haben Sie für einen Bezug zu unserem Land?
Meine Beziehung zur Schweiz begann vor Jahrzehnten - als Skifahrer. Heute bin ich dort hauptsächlich beruflich unterwegs. Auch wenn unser Luxemburger Aktienfonds in ganz Europa investiert, hat die Schweiz einen besonderen Stellenwert für uns. Wir finden dort hochwertige Unternehmen mit langer Historie und hohen Exportquoten in die ganze Welt. Wichtig ist für uns auch, dass die Schweiz über eine eigene, vom Euro unabhängige Währung verfügt.
In Deutschland sind Sie eines der bekannten Gesichter der «Boutique-Fonds-Zunft». Was sind die hauptsächlichen Unterschiede dieses Marktsegments in Ihrem Land im Vergleich zur Schweiz?
Die Fondsindustrien in Luxemburg und Deutschland sind sehr eng miteinander verwoben. Auf den ersten Blick ist das durch ihre EU-Mitgliedschaft zu erklären. Das ist auch ein wichtiger Unterschied zur Schweiz. Noch wichtiger aus meiner Sicht ist aber der Hintergrund der Investoren. Neben Grossbritannien ist die Schweiz meiner Einschätzung nach das europäische Land mit der stärksten Fokussierung auf den Schutz des Eigentums. Sozialistische Tendenzen wie bei vielen Parteien in Berlin gibt es in der Schweiz nicht. Und das hat Gründe, die sich aus der Geschichte heraus erklären.
Schweizer Anbieter unternehmen grosse Anstrengungen, um in Deutschland ihre Fonds platzieren zu können. Umgekehrt ist das Interesse aber deutlich geringer. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe dafür, wo liegen die hauptsächlichen Hürden?
Die Schweizer sind generell viel erfahrenere Investoren als die Deutschen. In der Schweiz ist es gang und gäbe Aktien zu kaufen, und sehr viele Schweizer haben auch Aktien geerbt. Das ist in Deutschland nach zwei verlorenen Weltkriegen und der Teilung des Landes in der Breite nicht der Fall. Und ganz besonders gilt das leider für Aktien. Es hilft, wenn die von Oma und Opa geerbten Aktien genauso ehrfürchtig behandelt werden wie das geerbte Haus. Ich kenne keine bessere Konstellation zum Üben langfristigen Anlageverhaltens.
Seit 20 Jahren wird den Deutschen von Politik, Regulatoren und Banken systematisch aberzogen, selbst Aktien zu kaufen. Die Produktpaletten der Banken in Deutschland sind danach optimiert, dass die Haftungsrisken der Akteure minimiert werden. Nicht die Risiken der Kunden als Akteure, sondern die Risiken der Bankmitarbeiter.
Dementsprechend unterscheiden sich die Produkte. Viele in Deutschland verkaufbaren Finanzprodukte sind für Menschen - egal ob Profis oder Privatpersonen - die mit Aktien Erfahrungen haben, schlicht uninteressant.
Das bietet nach meiner Beobachtung übrigens auch grosse Chancen für Vermögensverwalter aus der Schweiz, wenn es diesen gelingt, Kunden anzusprechen, die sich für die Anlage in Aktien interessieren. In Deutschland finden Sie Bankmitarbeiter, die Ahnung von Aktien haben und mit Kunden sprechen dürfen, schwerer als die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen. In der Schweiz müssen Sie sich nur umschauen, welche Banken es am Platz neben UBS und Credit Suisse gibt - und los geht’s mit den interessanten Angeboten. Das lässt sich übrigens zurzeit ideal mit dem Skifahren kombinieren, denn der Schweizer Franken ist im Moment wieder günstiger als auch schon. Und in Zeiten des «weissen Geldes» ist es für Schweizer Banken auch kein Problem, steueradäquat für EU-Bürger zu reporten.
Sie haben es mit Ihrem Unternehmen in kurzer Zeit geschafft, eine ökonomische Grösse zu erreichen. Haben Sie einen oder mehrere Tipps an Boutiquen, wie man diesen Erfolg erreicht?
Es ist ein bisschen wie beim Marathonlauf. Entscheidend für den langfristigen Erfolg ist nicht so sehr der Lauf selbst, sondern das Training vorher. Anders gesagt: Als Boutique ohne Grosskonzernressourcen hat man nur eine Chance, wenn man ein Angebot machen kann, bei dem persönliche Neigungen und Kundenwünsche so gut zusammenpassen, dass es nicht stressig ist zu arbeiten, sondern Freude macht, weil man sein Hobby zum Beruf gemacht hat.
Wie lauten Ihre unternehmerischen Ziele für dieses Jahr?
Das ist ganz klar: das Kapital unserer Investoren erfolgreich durch die Märkte bringen. In der Endphase des Aktienzyklus ist aktives Risikomanagement besonders wichtig. Hier spielt die Schweiz eine besondere Rolle: Währung, Stabilität und bewährte Strukturen - das zählt, wenn es schwierig wird. Wenn wir morgens um 05:30 Uhr schauen, was die Aktienmärkte in Asien gemacht haben, dann können unsere Investoren noch ruhig schlafen, insbesondere wenn sie wissen, dass ihr Geld in Unternehmen - auch aus der Schweiz - investiert ist, die schon grössere Krisen überstanden haben, die wir in unserer Lebensspanne so hoffentlich nicht nochmal erleben müssen.
Der 1965 in Meppen an der Ems geborene Georg Oehm arbeitet seit seiner Banklehre Mitte der 80er Jahre in Frankfurt «rund um die Börse». Nicht nur die Diplomarbeit über den Kurssturz 1987 und seine Promotion über den Rohstoffhandel von Kupfer hatten mit der Börse zu tun. Auch Unternehmenskäufe und -verkäufe sowie die Begleitung von IPOs gehörten zu seinen Tätigkeiten. Seit 2008 bei Mellinckrodt aktiv, ist er heute Verwaltungsratsvorsitzender der Mellinckrodt 2 SICAV in Luxemburg, einem UCITS-Fonds, der in Luxemburg, Deutschland und Österreich zum öffentlichen Vertrieb zugelassen ist.