Aktive Asset Manager haben eine beachtliche Erholung verzeichnet

01.12.2017
Herr Masarwah, es sind nur noch ein paar Tage bis zum Jahreswechsel. Wird 2017 ein guter Jahrgang für die europäische Fondsindustrie?
Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn im letzten Monat des Jahres der sprichwörtliche Schwarze Schwan zuschlagen würde. Die europäische Fondsbranche steuert auf ein Rekordjahr bei den Mittelzuflüssen hin, noch wichtiger ist für die Industrie aber, dass die Märkte das verwaltete Vermögen auch auf immer neue Höhen treiben. Das ist der Ertragsturbo schlechthin, da ja die Erträge der Branche Asset-basiert bemessen werden. Sollten Ihnen also Executives von Asset Managern über den Weg laufen, die sich über Regulierungsfesseln oder Bürokratiemonstern beschweren, dann sollten Sie das als Jammern auf sehr hohem Niveau für sich verbuchen.
Was war denn der Hauptreiber für dieses erfreuliche Fazit?
Die Notenbanken! Anleger gehen in Abwesenheit des Zinses immer verzweifelter auf Renditejagd und gehen in immer riskantere Marktsegmente. Da die Fondsbranche ja bekanntlich immer das passende Produkt aus dem Hut zaubern kann, profitiert sie wie kaum eine andere Branche von der sehr lockeren Geldpolitik. Das gilt für die aktiven wie die passiven Häuser.
Dabei sah es 2016 nicht so gut aus für die aktiven Asset Manager, die sehr hohe Abflüsse aus Aktienfonds verkraften mussten.
Ja, das stimmt, das Jahr 2016 war heftig. Aber das ist ja schon fast Schnee von gestern. Wir Menschen neigen dazu, vergangene Entwicklungen fortzuschreiben und sind dann ganz überrascht, wenn es anders kommt. 2017 sieht es tatsächlich deutlich besser für die aktiven Manager aus: Die Mittelzuflüsse sprudeln wieder. Das dürfte angetrieben sein von der besseren Performance vieler Produkte. Darauf sind dann auch die Medien angesprungen, und schon haben wir ein Comeback der aktiven Asset Manager!
Das haben Sie doch auch in Ihrem Newsletter so formuliert!
Richtig. Aber das habe ich auf die Mittelzuflüsse gemünzt, die wir ja monatlich messen und das aufgrund unserer ausgefeilten Kategorie-Methodologie auch recht granular messen können. Da sieht es wirklich sehr gut aus für die viel gescholtenen aktiven Häuser. Egal, ob es die grössten Fonds-Kategorien, wie etwa «Aktien Standardwerte global», waren oder aber die Kategorien, die 2016 die höchsten Abflüsse hatten: Fast überall haben die aktiven Häuser in diesem Jahr viel besser abgeschnitten, und, wie gesagt, das Jahr ist ja noch nicht zu Ende. Aber dass die aktiven wachsen, heisst im Umkehrschluss nicht, dass die passiven Vehikel leiden: Alles steigt!
Wo es Gewinner gibt, muss es aber auch Verlierer geben…
Gewinner gibt es sehr viele, und nach echten Verlierern zu suchen, fällt deutlich schwerer. Aber man findet sie dann schon. Es gibt im Asset Management schon Bereiche im Mid- und Back-Office, gerade bei Häusern, die fusionieren oder gekauft werden, die konsolidieren schon ziemlich massiv, und da möchte man nicht in der Haut der Mitarbeiter stecken. Vermutlich fangen auch viele Berater an, die Veränderungen, welche die EU-Direktive MiFID mit sich bringen wird, zu spüren. Nicht zuletzt gibt es auch immer wieder Anleger, die keine guten Erfahrungen mit Asset-Management-Produkten machen, entweder aus Unvermögen, oder aber weil der Berater seinen Job nicht gut gemacht hat.
Gab es im ablaufenden Jahr etwas, was Sie ganz schnell gerne vergessen würden?
Die Naivität vieler Anleger, die blind auf den Bitcoin-Hype jetzt noch schnell setzen in der Hoffnung auf den schnellen Euro/Franken. Ich hoffe nicht, dass hier das droht, was weiland beim Tulpenwahn in den Niederlanden im 17. Jahrhundert passierte. Aber immerhin blieben damals nach dem Crash hübsche Tulpen übrig. Löst sich der Bitcoin-Wahn in einem Crash auf, bin ich gespannt, was den Long-only Bitcoin-Investoren übrigbleibt. Aber ich würde auch gerne noch mehr vergessen. Das war zwar nicht in den Schlagzeilen, zeigt mir aber, wo es bei Anlegern hakt. Haben wir dafür noch Zeit?
Bitte!
Das Verhalten vieler Anleger mit Blick auf so genannte Smart-Beta-Strategien ist irritierend, vor allem bei den so genannten Risiko-minimierenden Produkten, die das Risiko gegenüber klassischen Benchmarks begrenzen sollen. In den Jahren 2013 bis 2015 haben diese Faktor-ETFs zwei Sachen geleistet, die sich normalerweise ausschliessen: Sie haben nicht nur das Marktrisiko begrenzt, sondern sie haben auch sehr deutlich outperformt gegenüber kapitalgewichteten Indizes. Das hat in der Folgezeit sehr viel Anlegergeld angezogen. Dann kam der Herbst 2016, und viele zinssensitive Aktien, die in Low-Volatility-Portfolios typischerweise vertreten sind, underperformten. Seitdem brachen die Dämme und Risiko-reduzierende ETFs wurden massiv zurückgegeben. In diesem Jahr haben diese Produkte rund 20 Prozent ihrer Assets verloren. Warum? Nicht etwa, weil sie massive Verluste eingefahren hätten, nein, die Renditen waren sogar einigermassen passabel, sondern weil Anleger schlicht und ergreifend in ihnen die Eier legenden Wollmilchsäue gesehen hatten. Sie wollten offenbar Risikoreduzierer, die auch kurzfristig outperformen, und dann waren sie enttäuscht, dass solche Produkte doch keinen Free Lunch ermöglichen. Meine Damen und Herren, so wird das nix mit der Altersvorsorge!
Und auf was freuen Sie sich ganz besonders im neuen Jahr?
Auf die immer wieder spannenden Märkte und die Stories, die das Investieren so schreibt. Und natürlich auch auf viele nette Gespräche mit Ihnen und Ihren Experten bei Ihren Experten-Lunches in Frankfurt und Zürich. Die sind nicht nur free, sondern auch gut!
Ali Masarwah ist Mitglied im europäischen Research-Team von Morningstar und als Chefredaktor für die deutschsprachigen Webseiten von Morningstar verantwortlich. Seit Juni 2015 ist er zudem als Direktor für das Editorial Team von Morningstar EMEA zuständig. Nach seinem Volontariat bei der Wirtschaftsnachrichtenagentur ADX in Berlin fand er recht zügig den Zugang zum Thema Investmentfonds. Im Jahr 2000 wurde er Mitglied der Fondsredaktion bei der Nachrichtenagentur vwd, die er von 2001 bis 2003 leitete. 2003 wechselte Ali Masarwah zur portfolio Verlagsgesellschaft, Frankfurt, wo er zunächst als Chefredaktor das Magazin «portfolio international» übernahm. Von 2006 bis zu seinem Wechsel zu Morningstar im Herbst 2011 hatte er zusätzlich als Redaktionsleiter die journalistische Verantwortung für alle Magazine und Webseiten des Verlags inne.