«Am Obligationenmarkt stehen die Zeichen auf Normalisierung, aber noch nicht auf Renaissance»

19.05.2023
Herr Dr. Xhaja, Sie sind seit sage und schreibe 17 Jahren CIO Fixed Income und dies beim gleichen Institut. Wie erlebten Sie die vergangenen zwei Jahre bis heute?
Na ja, einerseits beunruhigen mich die Auswirkungen der Zinserhöhungen auf die Portfolios, andererseits bin ich froh, dass die Negativzinsen nun endlich hinter uns liegen.
Man liest in bekannten Finanzmedien von einer «Renaissance» an den Obligationenmärkten. Sehen Sie das auch so?
Von einer Renaissance kann man bis jetzt noch nicht reden. Ich würde eher von einer Normalisierung sprechen. Durch die abrupte geldpolitische Wende ist unsere stark verschuldete Welt unter Druck geraten und es besteht das Risiko von negativen Hebeleffekten. Wir müssen ausserdem mit Verzerrungen bei der Kapitalallokation rechnen. Das ist eine Folge der langen Tiefzinsperiode und des immer noch aktiven Eingreifens der Zentralbanken an den Finanzmärkten, besonders am Obligationenmarkt.
Die Anlagekategorien «Total Return» und «Swiss Franc ESG» sind für Schweizer Investoren von besonderem Interesse. Wie sind Sie da aufgestellt?
Dabei handelt es sich um zwei diametral entgegengesetzte Anlagestrategien, die in institutionellen Portfolios ganz unterschiedliche Bedürfnisse bedienen. Die Fonds in Schweizer Franken, die ESG-Kriterien integrieren, gehören zu den Kernanlagen institutioneller Schweizer Portfolios, sie sind eine Art Fels in der Brandung. Sie werden klassisch verwaltet, das heisst ohne Einsatz von Derivaten oder Auslandsanleihen, und streben eine langfristige Rendite an. Darüber hinaus wirken sie sich positiv auf die ESG-Note eines Portfolios aus. Die Kategorie «Total Return» hingegen ist global ausgerichtet und strebt unabhängig von den Zins- und Kreditzyklen eine positive Rendite an. «Total Return»-Produkte werden aktiv verwaltet und verwenden Derivate, um dem Problem der mageren Rendite von festverzinslichen Anlagen beizukommen. Wie Sie eingangs erwähnt haben, wurden wir in den letzten fünf Jahren für beide dieser Anlagestrategien ausgezeichnet. Ich denke, man darf das als Beweis dafür werten, dass das BCV Asset Management im Bereich Obligationen über ein breites und fundiertes Know-how verfügt.
Ihr Haus bietet auch indexbasierte Vermögensverwaltung an. Können Sie ein paar Worte dazu sagen?
Die indexbasierte Vermögensverwaltung drängte sich zur Zeit der grossen Finanzkrise geradezu auf. Damals büssten die grossen Anleihetitel, insbesondere Finanztitel, die Hälfte ihres Werts ein. Das fing bei den ausländischen Emittenten an und ging bei den Schweizer Unternehmensanleihen weiter. Bei unserer passiven Verwaltung setzen wir auf einen «Smart Indexing»-Ansatz. Wir haben darin eine umfassende Expertise entwickelt, dank der wir mehreren bedeutenden Marktereignissen standhalten konnten!
Und noch diese Frage zum Schluss: Ist der Zinsgipfel erreicht?
Es liegen noch weitere Höchstwerte vor uns.
Link zum Disclaimer
Dr. Agim Xhaja hat seine gesamte Karriere den Fixed-Income-Märkten gewidmet. Seine berufliche Laufbahn begann vor 30 Jahren in der Obligationenabteilung des albanischen Finanzministeriums. Anschliessend verfasste er seine Doktorarbeit zum Thema «Zinsen» und stiess dann zur Abteilung Kreditrisiko-Controlling der UBS. Es folgten mehrere Stationen im Obligationenmanagement bei verschiedenen Finanzinstituten, bevor er 2006 zur BCV wechselte. Kurz gesagt, in seinem Leben dreht sich - fast - alles um Obligationen!