Antibiotika als Investmentchance - Kampf den Bakterien

16.07.2015
Frau Bänziger, wie aktuell ist das Problem der wachsenden Resistenz gegenüber Antibiotika?
Politiker und Mediziner schlagen Alarm und reklamieren einen «dringenden Handlungsbedarf». Nach Schätzungen von Gesundheitsexperten sterben alleine innerhalb der Europäischen Union jährlich etwa 25‘000 Patienten durch krankheitsresistente Keime.
Worauf ist diese Resistenz zurückzuführen?
Die wachsende Resistenz gegen Antibiotika ist vor allem in der übermässigen Verschreibung von Antibiotika in der Humanmedizin begründet. Mit dem Resultat, dass etwa Lungenentzündungen oder Infektionen der Harnwege in den Krankenhäusern oft nur noch unzureichend behandelt werden können.
In den Krankenhäusern konzentriert sich die Behandlung auf intravenös verabreichte Antibiotika. Nach dem stationären Aufenthalt wechseln die Patienten zu Antibiotika, die als Tablette eingenommen wird. Das Problem besteht darin, wie sich die Umstellung auf die Verträglichkeit auswirkt. Einige Patienten entwickeln Allergien, andere wiederum werden anfällig für schwere Darminfektionen, weil die Darmflora an gesunden Bakterien durch die Antibiotika beseitigt wurde.
Wie soll nun die Entwicklung von neuen Antibiotika vorangetrieben werden?
Die Regierung Obama hat beispielsweise ein Gesetz verabschiedet, das Unternehmen fünf Jahre Marktexklusivität für Antibiotika mit einem neuen Wirkmechanismus garantiert. Zugleich wurden Schritte in die Wege geleitet, die den Ablauf der klinischen Studien beschleunigen. Dabei geht es zum einen um neue Formulierungen von Antibiotika, die bereits auf dem Markt sind. Der Vorteil liegt darin, dass diese Produkte den Ärzten bekannt sind und die neuen Versionen zugleich die Nebenwirkungen der Originalprodukte verringern.
Wesentlich komplexer gestaltet sich die Entwicklung von neuen Medikamentenklassen. Die meisten Pharmakonzerne sind in diesem Feld über einen grösseren Zeitraum nicht mehr aktiv, weil sie die Forschung wegen vermeintlich geringer kommerzieller Aussichten eingestellt hatten. Akquisitionen bieten sich jetzt als Ausweg an. So legte Merck Ende 2014 für die auf Antibiotika spezialisierte Biotechfirma Cubist Pharma 9,5 Mrd. US-Dollar auf den Tisch. Im Gegenzug erhält der US-Pharmakonzern mit Cubicin ein Antibiotikum, das 2014 rund eine Milliarde US-Dollar Umsatz erzielte, sowie vier weitere Kandidaten in der klinischen Entwicklung.
Welche Unternehmen verfügen über vielversprechende Pipeline-Kandidaten und wann kann mit neuen Ergebnissen oder sogar Zulassungen gerechnet werden?
Zu den aussichtsreichsten Antibiotika-Nischenplayern zählt die US-Gesellschaft Tetraphase. Deren am weitesten entwickeltes Produkt Eravacyclin durchläuft die klinische Endphase III und wird dabei gegen komplizierte Harnwegsinfektionen und Infektionen im Unterleib getestet. Dieses Produkt kann intravenös wie auch als Tablette verabreicht werden. Die Ergebnisse für die beiden klinischen Studien werden 2015 erwartet. Die Aktien von Tetraphase befinden sich ebenso im Beteiligungsportfolio wie die von Cempra. Dessen am weitesten entwickelter Kandidat Solithromycin kommt bei problematischen Resistenzen zum Einsatz und wird gegen Lungenentzündungen getestet. Auch dieser Wirkstoff ist intravenös und oral verfügbar. Liefert auch die zweite klinische Phase-III-Studie positive Ergebnisse, könnte das Produkt einen beschleunigten Zulassungsstatus erhalten - und Cempra noch stärker auf den Radar von übernahmewilligen Pharmakonzernen rücken.
Lydia Bänziger ist seit 2011 als Analystin/Portfoliomanagerin im Managementteam der Beteiligungsgesellschaft BB Biotech AG. Sie hat an der ETH Zürich studiert und 2011 in der Fachrichtung Systembiologie mit Auszeichnung abgeschlossen.