«Asset Allocation Funds und alternative Fonds könnten es weiter schwer haben»

16.12.2018
Herr Masarwah, in wenigen Tagen ist das Jahr 2018 Geschichte. Gab es gute Stories zu schreiben?
Es gab richtig viele gute Stories zu schreiben! Das hat auch damit zu tun, dass wir bei Morningstar etliche neue Research-Tools entwickelt haben, die man als neugieriger Analyst gerne nutzt, um anlegerorientierte Artikel zu schreiben. Zum Beispiel die Möglichkeit, die Karbon-Intensität und das Karbon-Risiko nunmehr auch auf Fondsebene kalkulieren zu können. Zudem haben wir die Reichweite unseres Fonds-Researchs erheblich erweitert. Mithilfe eines Machine-Learning-Algorithmus sind wir nunmehr in der Lage, die Methodologie unserer Analyst Ratings quantitativ zu replizieren, was es uns ermöglicht, das Universum der qualitativ bewerteten Fonds von rund 1‘000 europaweit auf nunmehr 26‘000 zu erhöhen. Auch bei unseren Morningstar-Indizes gibt es inzwischen etliche neue Funktionalitäten, die Anlegern helfen, ESG-relevante Themen, aber auch das Geschäfts-Exposure von Firmen regional und sektoral zu analysieren.
Und welche Marktereignisse haben Ihnen am meisten Arbeit beschert?
Eindeutig war die Rückkehr der Volatilität an den Märkten das Thema Nummer eins. Wie das dann immer der Fall ist, geht man den Folgen für Investments und Fonds nach, auch angetrieben von den vielen Medienanfragen, die dann typischerweise ähnliche Fragen ansprechen: Wer hat profitiert, wer hat gelitten, warum reagieren Anleger so, wie sie reagieren? Über das Warum lässt sich trefflich spekulieren, aber weil wir eine ganz ordentliche Übersicht über die Flows in Fonds haben und auch die Performance von allen relevanten Kategorien von Anlagefonds und ETFs haben, können wir zumindest eine gute Grundlage für die Entwicklung von Thesen Medien zur Verfügung stellen bzw. auf unseren Berater-Websites veröffentlichen.
An welche erinnern Sie sich besonders gerne?
Gerne ist so eine Sache: Viele Misch- und alternative Fonds haben eine höchst unerfreuliche Performance an den Tag gelegt. Besonders krass war das Versagen von defensiven Mischfonds, die ja dazu angetan sein sollten, das Anlegerkapital zu schützen. Das war in diesem Jahr mitnichten so: Zu viel High Yields und andere hochverzinsliche Papiere, zu wenige Staatsanleihen und zu hohe Aktienquoten haben dazu geführt, dass fast alle dieser Fonds eine absolut negative Performance erwirtschaftet haben. Dazu kommt, dass viele offenbar zu hektisch auf die Marktsituation reagiert haben, nachdem sie im Februar kalt erwischt wurden. Wer danach das Aktien-Exposure abgesichert hat, hat Verluste eingeloggt und die über weite Strecken des Frühlings und des Sommers ordentliche Aktien-Erholung verpasst. Hoffen wir, dass solche Manager dann auch in den Oktober mit gehedgten Risiken gegangen sind und nicht von der zwischenzeitlichen, scheinbaren Ruhe an den Märkten dazu bewegt wurden, Risiken einzugehen, um verlorenes Terrain wieder gut zu machen.
Auf den Nenner gebracht: War 2018 also kein erfreuliches Jahr für die Anbieter von aktiv verwalteten Fonds?
Das kann man so sagen. Denn Anleger haben reagiert und - bei Mischfonds ein neues Phänomen! - die vermeintlichen Risikomanager-Fonds zurückgegeben. Die Mittelabflüsse bei den alternative UCITS und den Mischfonds waren doch erheblich.
Und wie sieht es für die ETF-Industrie aus?
Der Motor läuft, die Maschine schnurrt… ETFs profitieren von den volatilen Märkten, auch wenn die Nachfrage nicht mehr ganz so hoch ist wie in den Jahren, in denen die Märkte linear nach oben gelaufen sind. Das dürfte durch regulatorische Veränderungen in manchen Ländern wie Grossbritannien oder den Niederlanden motiviert sein, wo Kickbacks verboten sind. Aber mit Sicherheit spielt die fortdauernden Enttäuschungen bei aktiven Fonds eine Rolle für die steigende Nachfrage nach ETFs - und für die sinkende Nachfrage nach aktiv verwalteten Fonds.
Das neue Jahr wird wohl für alle noch härter. Teilen Sie diese Prognose?
Härter für die Fondsanbieter, die non-performante und zumeist überteuerte Produkte anbieten. Wenn die Märkte steigen, dann fällt es vielen Anlegern nicht auf, wenn der Fonds underperformt, solange der Fondspreis nach oben geht. Es wird indes viel stärker wahrgenommen, wenn die Verluste eines Fonds unerwartet hoch ausfallen. Hier ziehen Anleger, und typischerweise auch Berater, sehr schnell die Reissleine. Für Anleger in solchen Fonds kann es auch härter werden, denn ihre Performance wird absehbar schlecht ausfallen, so schlecht, dass sogar ihre Investment-Ziele in Gefahr sind, wenn es ganz schlecht läuft. Aber es muss nicht für alle härter werden. Gute Manager und die Manager passiver Fonds dürften profitieren. Und Langfristinvestoren, die noch einige Investment-Jahre vor sich haben, können und sollten weiter auf Kurs bleiben. Und sie sollten die Korrektur nutzen, um Risikopositionen aufzustocken. Hier greift das kaufmännische Motto: Der Gewinn liegt im Einkauf!
Ali Masarwah ist Mitglied im europäischen Research-Team von Morningstar und als Chefredaktor für die deutschsprachigen Webseiten von Morningstar verantwortlich. Seit Juni 2015 ist er zudem als Direktor für das Editorial Team von Morningstar EMEA zuständig. Nach seinem Volontariat bei der Wirtschaftsnachrichtenagentur ADX in Berlin fand er recht zügig den Zugang zum Thema Investmentfonds. Im Jahr 2000 wurde er Mitglied der Fondsredaktion bei der Nachrichtenagentur vwd, die er von 2001 bis 2003 leitete. 2003 wechselte Ali Masarwah zur portfolio Verlagsgesellschaft, Frankfurt, wo er zunächst als Chefredaktor das Magazin «portfolio international» übernahm. Von 2006 bis zu seinem Wechsel zu Morningstar im Herbst 2011 hatte er zusätzlich als Redaktionsleiter die journalistische Verantwortung für alle Magazine und Webseiten des Verlags inne.