«Attraktive Anlagemöglichkeiten finden sich auch in Afrika»

25.06.2015
Herr Gerber, wieso lohnt es sich für Anleger, in die doch eher unbekannten Aktienmärkte auf dem afrikanischen Kontinent zu investieren?
Der MSCI Frontier Market Index stieg in den vergangenen fünf Jahren um 43 Prozent, während Schwellenländeraktien gemessen am MSCI EM Index lediglich 19 Prozent zulegten und die BRIC-Staaten gar nur 7 Prozent zu erzielen vermochten. Unter den Frontier Märkten entwickelten sich insbesondere afrikanische Börsen vielversprechend. Im gleichen Zeitraum legten die Aktienindizes Nigerias und Ägyptens fast 60 Prozent zu. Aber auch innerhalb Afrikas zeigten die Börsen unterschiedliche Entwicklungen. Während der Gaborone Stock Index in Botswana in derselben Periode um mehr als 80 Prozent zulegte, korrigierten etwa die Werte an der Casablanca Stock Exchange in Marokko um 20 Prozent (alle Daten per 15.06.2015 in Lokalwährung). Es sind aber nicht alleine die langfristig attraktiven Renditepotenziale, die für Investoren Investitionsanreize bergen, sondern insbesondere auch die diversifizierenden Eigenschaften dieser Märkte.
Welche Treiber stehen hinter diesem Wachstum?
In den vergangenen 15 Jahren erzielten Länder in Nord- und Subsahara-Afrika massgebliche politische und wirtschaftliche Reformfortschritte. Dazu zählt die zunehmende Demokratisierung zahlreicher Länder Afrikas, wobei etwa die vorbildlichen Regierungswechsel nach den letzten Wahlen in Nigeria und Ghana als Beispiele herangezogen werden können. Auf der volkswirtschaftlichen Seite konnten im Durchschnitt die Staatsschulden auf unter 40 Prozent des Bruttoinlandprodukts abgebaut, die Haushaltsdisziplin verbessert und die Inflation auf unter 10 Prozent gedrückt werden. Viele Länder durchlaufen weiterhin anspruchsvolle Reformprogramme, arbeiten an Budget-Transparenz und suchen mittels effizienterer Steuervereinnahmung ihren Haushalt zu stabilisieren. Zu den Reformbeispielen zählt etwa die Reduktion bzw. die Abschaffung von Treibstoff- oder Energiesubventionen in Uganda, Kenia, Ghana oder jüngst etwa auch in Marokko und Ägypten. Anstatt die Konsumnachfrage kurzfristig zu befeuern, können somit die freiwerdenden Mittel optimaler in langfristig wirkende Investitionsgüter angelegt werden.
Dank Infrastrukturinvestitionen, ausländischen Direktinvestitionen, Rohstoffexporten und aufkommendem Privatkonsum konnten Länder in Nord- und Subsahara-Afrika ihr reales BIP in den vergangenen zehn Jahren um 5 Prozent bis 7 Prozent steigern. Regionale Wirtschaftsgemeinschaften begünstigten zudem den intra-afrikanischen Handel, der etwa innerhalb der ostafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft EAC deutlich zunahm.
Neben der Stabilisierung des makroökonomischen Fundaments zählt meines Erachtens die Verbreitung von mobiler Informations- und Kommunikationstechnologie zu den bedeutendsten Wachstumstreibern. Der Kontinent ist heute zu rund 80 Prozent mit mobiler Kommunikation abgedeckt; mehr als 60 Prozent der Bevölkerung leistet sich ein Mobiltelefon und nutzt dieses für mobilen Zahlungsverkehr, Interneteinkäufe sowie Schul- und Ausbildungszwecken. Im weltweiten Vergleich sind die Zuwachsraten im mobilen Breitbandnetz in Afrika derzeit am grössten. Vermehrt spannen sich dabei Finanzdienstleister und IT-Unternehmen zusammen, womit tägliche Finanztransaktionen immer effizienter und kostengünstiger vorgenommen werden können.
Prognosen der OECD, der Weltbank und des IMF gehen davon aus, dass die afrikanischen Märkte auch in den kommenden Jahren um 5 Prozent bis 6 Prozent wachsen werden. Wie sehen Sie die Entwicklung?
Die derzeit stark gefallenen Rohstoffpreise mögen zwar dämpfend auf das Wachstum der Exportländer wirken und insbesondere den Privatkonsum infolge sinkender Einkommen in Ländern wie Nigeria oder Angola beeinträchtigen, andererseits erfreuen sich Importländer etwa von Energierohstoffen im Osten Afrikas von günstigeren Beschaffungskosten.
Mit der wirtschaftlichen Entwicklung etablieren sich auch neue Kapitalmärkte. Die African Stock Exchange Association (ASEA) umfasst heute 23 Börsenplätze, die 26 afrikanische Staaten abdecken. Etablierte Börsenplätze wie etwa Lagos, Nairobi, Kairo oder Casablanca verzeichnen gemessen am jährlichen Handelsumsatz, der Marktkapitalisierung und der Anzahl gelisteten Werte stetige Zunahmen ihrer Aktivitäten. Kleinere und jüngere Börsen in Uganda, Rwanda oder Sambia handeln oftmals noch nicht mit ausreichender Liquidität, um in ein täglich bewertetes Portfolio aufgenommen zu werden.
Wie riskant sind Anlagen in Afrika, bzw. wie kann man sich als Anleger vor möglichen Risiken am besten schützen?
Das Risikomanagement ist zentral, wenn man in Frontier Markets investiert. Zusätzlich zu politischen und wirtschaftlichen sind auch Governance-, Liquiditäts-, Währungs- oder Abwicklungsrisiken zu beurteilen. Transitionen in aufstrebenden Regionen verlaufen selten gradlinig, womit Krisen zu temporären Rückschlägen an den Börsen führen können. Indes erwiesen sich rückblickend Börseneinbrüche in den Schwellenländern meist als gute Einstiegszeitpunkte (94/95 Lateinamerika, 97 Asien, 99 Russland). Anleger sollten sich aber ein ausreichend langes Zeitfenster für ein Engagement in Afrika reservieren. Daneben kann etwa auch ein über einen längeren Zeitraum gestaffelter Einstieg in die Märkte eine gute Vorgehensweise darstellen.
Entscheidend für den Anlagerfolg ist ferner die Wahl geeigneter Instrumente. Gerade für aufstrebende Schwellenländer eignen sich hoch spezialisierte Anlagefonds mit einem aktiven Anlageansatz. Denn eine auf fundamentalen Auswahlkriterien basierte und Benchmark-unabhängige Länder-, Sektor- und Titelgewichtung führt denn oftmals zu besseren Ergebnissen als eine nach Marktkapitalisierung gewichtete Index-Strategie. Damit vermochten Anleger in den vergangenen drei Jahren Renditen von zwischen 10 Prozent bis 14 Prozent p.a. zu erwirtschaften
Für welche Anleger eignen sich Investments in Afrika?
Aufstrebende neue Kapitalmärkte bieten Schwellenländer-Investoren attraktive Anlagemöglichkeiten zur Optimierung und Diversifikation ihrer Portfolios. Nach wie vor bildet Afrika einer der wenigen weissen Flecken auf der Investmentlandkarte und ist in den meisten Anlegerportfolios untervertreten. Für erfahrene Schwellenländer-Investoren, die mit den besonderen Risiken dieser Anlagen umgehen können, dürfte sich Blick auf den Schwarzen Kontinent langfristig lohnen.
Jean-Pierre Gerber trat 2009 bei Bellevue Asset Management als Senior Product Specialist ein. Davor wirkte er während zehn Jahren bei Julius Bär in verschiedenen Kaderfunktionen, u.a. als Leiter Fondsresearch und als Produktspezialist Aktien/Emerging Markets. Zuvor arbeitete er in der Wirtschaftsprüfung und -beratung bei Ernst & Young. Er verfügt über einen Master-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften nach Studien an den Universitäten Bern und Warwick, Grossbritannien.