«Banken sollen sich stärker auf ihre Kunden konzentrieren können statt auf die eigene Bilanz»

24.11.2020
Herr Hodel, als innovativer Verbriefer ermöglicht GENTWO alternative Investments und Finanzierungen. Treten Sie damit in Konkurrenz zu den Banken?
Keinesfalls. Wir verstehen uns als Ergänzung und sogar als Dienstleister für Banken. Auch den Kreditinstituten können wir schliesslich substanziellen Mehrwert bieten. Banken und andere Finanzintermediäre, die unsere Verbriefungslösungen nutzen, können ihren Investoren ein breiteres Anlageuniversum bieten und ihren Klein- und Mittelunternehmen (KMU) eine breitere Palette an Finanzierungsmöglichkeiten. Über unsere Verbriefungslösungen können unsere Partner sowohl Eigenkapital- als auch Fremdfinanzierungen vermitteln. Mit der Verbriefung von Eigenkapitalinstrumenten lässt sich die Kapitalbasis von KMU stärken und damit deren Kreditfähigkeit verbessern, ohne dazu die Bilanz des Finanzintermediärs heranzuziehen. Für Banken dürfte angesichts des wachsenden Regulierungsdrucks und der steigenden Kapitalanforderungen auch die Möglichkeit interessant sein, Kredite zu vergeben, ohne ihre Bilanz zu belasten bzw. zur Entlastung der Bilanz bestehende Portfolien zu verbriefen.
Kreditfinanzierungen sind doch ein Kerngeschäft der Banken. Weshalb sollten diese also von den Verbriefungslösungen von GENTWO profitieren?
Der entscheidende Punkt ist: Die Risikotransformation über die Bankbilanz ist teuer und aufwändig. Sie zwingt Banken zu einer rigorosen Selektion, die sich naturgemäss stärker an den Risiken als an den Chancen orientiert. Die Ablehnung einer Finanzierungsanfrage beeinträchtigt das Verhältnis zwischen Bank und Kunde und kann sogar zum Bruch führen. Dank moderner, ausserbilanziell aufgesetzter Verbriefungslösungen, wie wir sie anbieten, ist es Banken möglich, ihren KMU-Kunden optimale Finanzierungslösungen zu vermitteln, ohne die eigene Bilanz zu belasten. Die Bank kann die partnerschaftliche Kundenbeziehung mit dem KMU-Kunden fortführen. Sie kann dem Kunden eine Lösung bieten und so die Kundenbeziehung sichern.
Sie erwähnen die Vorteile von Verbriefungslösungen für KMU. Nun zeigen Studien ja immer wieder, dass die KMU im Grossen und Ganzen zufrieden sind mit der Kreditvergabe der Banken. Sehen Sie dies anders?
Bei der Kreditgewährung orientieren sich die Banken stark am Risikogehalt der Kredite, da dieser die Eigenmittelanforderungen und die Risikokosten determiniert. Eigenmittel sind für die Banken knapp und teuer. Mit der Umsetzung von «Basel IV» wird dieser Druck weiter zunehmen. Für die KMU bedeutet dies primär, dass die Banken Kapitalreserven und Realsicherheiten fordern. In der Schweiz sehen wir dies etwa am hohen Anteil von Hypotheken und hypothekarisch gedeckten Krediten. Unternehmensmodelle, welche in der digitalen Transformation eine Vorreiterrolle einnehmen, verfügen jedoch oft nicht über die nötige gewachsene Substanz und den Zugriff auf Realsicherheiten. Diese Unternehmen beklagen bereits heute Schwierigkeiten, wenn es darum geht, Bankfinanzierungen zu erhalten.
Was bedeutet dies für die wirtschaftliche Entwicklung - führt das nicht zu einem Ungleichgewicht?
Sie sprechen einen zentralen Punkt an: Die inhärente Logik des Bankkredits bevorzugt etablierte Unternehmen mit Vergangenheit und Substanz. Dies hemmt den Strukturwandel und führt langfristig in der Tat zu einer ungleichgewichtigen wirtschaftlichen Entwicklung. Verbriefungslösungen leisten einen Beitrag zur Finanzierung des strukturellen Wandels und zum Abbau dieser Ungleichgewichte. Gleichzeitig eröffnen sie Investoren die Möglichkeit, in diese Transformation zu investieren.
Müssten die Banken ihr Geschäft demnach anders betreiben?
Nein, eine solche Forderung wäre verheerend. Innerhalb ihrer institutionellen Logik agieren die Banken grundsätzlich richtig. Aber das Bilanzgeschäft ist für die Banken teuer geworden und wird zukünftig noch teurer. Das hat nicht nur, aber auch, mit der Regulierung zu tun. Mit «Basel IV» vor Augen muss sich jede Bank sehr gut überlegen, welchen Stellenwert ihr Bilanzgeschäft künftig haben soll und wo ihr strategischer Fokus liegen soll. Zwar haben grosse internationale Institute bereits früh Verbriefungslösungen erschlossen. Doch für die Mehrheit der Banken waren sie für das KMU-Geschäft bislang zu aufwändig, zu teuer und zu komplex. GENTWO hat diese Hürde beseitigt: Wir machen innovative Verbriefungslösungen einfach, kostengünstig und unkompliziert zugänglich. Banken sollen sich stärker auf ihre Kunden konzentrieren können statt auf die eigene Bilanz.
Sie haben mehrfach die Investoren angesprochen. Wie profitieren diese?
Mit den Verbriefungslösungen, welche wir Finanzintermediären zur Verfügung stellen, bauen wir zunächst einmal institutionelle Hürden für die Finanzierung von KMU ab. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass sich neue und potenziell aussichtsreiche Investitionsmöglichkeiten erschliessen. Unsere institutionellen Kunden, Banken inklusive, können solche Möglichkeiten geeigneten Investoren zugänglich machen. Diesen erschliesst sich damit zusätzliches Ertrags- und Diversifikationspotenzial. Von unserem Verbriefungs-Setup profitieren letztlich alle Marktteilnehmer. Es baut Hemmnisse ab und bringt die Akteure näher zusammen.
Link zum Disclaimer
Beat Hodel ist Mitglied des Advisory Boards von GENTWO. Der Experte für Finanzierungs-, Risiko- und Compliance-Themen und promovierte Ökonom ist Brückenbauer zwischen der Finanz- und der Realwirtschaft; er verbindet Investoren mit Unternehmen. In mehr als 30 Jahren Erfahrung war er u.a. als Chief Risk Officer der Raiffeisen Gruppe, Vorstandsmitglied der schweizerischen Einlagensicherung, Senior Partner bei Ernst & Young, Partner der Comit Gruppe und Leiter Equity Banking der Schweizerischen Volksbank tätig. Heute unterstützt er GENTWO bei der Erfüllung der hohen Erwartungen an Risiko und Compliance und bei der Entwicklung neuer Geschäftsfelder. Neben seinem Mandat bei dem innovativen Verbriefungsspezialisten ist Hodel u.a. Mitglied des Executive Boards der auf Investitionen in KMU spezialisierten CAT Growth.