«Banking soll endlich wieder sexy werden»

CEO, Betreiber der ETF-Infoplattform 10x10.ch und Veranstalter der Finance 2.0
financialmedia AG, Zürich
10x10.ch
13.10.2017
Herr Borini, seit vier Jahren organisieren Sie äusserst erfolgreich die Finance 2.0- Konferenzen. Was tut sich eigentlich im Wealth Management in Bezug auf Digitalisierung?
Richtig, im Oktober feiern wir das 4-jährige Jubiläum der Finance 2.0. Wir waren die ersten, die Themen wie FinTech, später dann noch InsurTech oder Cryptocurrency in die Breite brachten. Übrigens: Hätten die Teilnehmer unserer ersten Cryptofinance-Konferenz im 2015 10’000 Franken in Bitcoins investiert, dann könnten sie sich nun einen Aston Martin im Wert von einer viertel Million leisten. Zurück zu Ihrer Frage: Im Private Banking tut sich viel zu wenig. Es ist bitter nötig, dass die Institute hier Vollgas geben.
Bevor ich auf das eingehe, möchte eine Frage zu Bitcoin noch stellen: Das ist doch keine Anlageklasse, oder?
Gute Frage! Man soll Crypto-Währungen nicht einfach per se abstrafen als Spekulation- oder Gangsterwährung. Es ist sicher eine sehr volatile Angelegenheit und es fehlen noch die richtigen Marktmechanismen, sprich man muss Short-Möglichkeiten haben. Aber ich würde mal sagen: Es wird kommen, ob Bitcoin oder sonst eine digitale Währung. Der erste regulierte Crypto-Fonds steht ja bereits in den Startlöchern. Also nicht einfach sagen «Warum», sondern «Warum nicht». Aber natürlich ist dieses Thema nur für erfahrene Anleger sinnvoll und betrachten wir es doch mal als ein Experiment. Ich habe derzeit sehr Freude, wenn ich morgens auf mein Wallet schaue (lacht).
Bleiben wir gespannt. Zurück zur Frage, in welchen Bereichen findet denn eine Veränderung statt?
In allen: Es beginnt vorne an der Kundenschnittstelle und endet im Mid-/Backoffice. Die ganzen Prozesse müssen End-to-End digitalisiert werden. Es bringt nämlich nichts, wenn man am Frontend, sprich beim Kundeninterface digitale Möglichkeiten anbietet, der Kunde sogar viele Aktivitäten selbständig durchführen kann, dann aber hinten Papier rauskommt. Das ist nur Scheindigitalisierung.
Sie haben auch gesagt, die Branche muss Vollgas geben.
(unterbricht) Weil die Profitabilität und Effizienz überhaupt nicht stimmt. Deloitte zeigt in einer Untersuchung von europäischen Vermögensverwaltern diesen Effekt sehr genau auf. Im Zeitraum von 2000 bis 2015 haben die Marktvolumen der Millionärshaushalte um über 60 Prozent zugenommen, währenddem die durchschnittliche Gewinnmarge um knapp 40 Prozent sank. Das sagt schon alles.
Wie interpretieren Sie diese Divergenz?
Dem Wealth Management gelingt es nicht, Kunden erfolgreich zu bedienen, entweder ertrags- oder kostenseitig. Wenn beide Seiten nicht mehr stimmen, dann wird’s gefährlich. Es herrscht hier eine totale Innovationslücke!
Ein weiterer Druck kommt seitens der Regulation, richtig?
Ja genau. MIFID 2, Fidleg sind hier die Stichworte. Doch das ist nicht nur die eine Seite. Open Banking - das gilt auch für das Wealth Management - ist die andere Seite.
Was heisst das genau?
Wir leben sozusagen in einer API-Ökonomie, es geht um Schnittstellen. In der EU und in Grossbritannien wird das ab 2018 die neue Realität sein, dass diese Schnittstellen von den Banken geöffnet werden müssen. Open Banking ist ein Game-Changer. Banken können nicht mehr so einfach auf ihren Kunden «sitzen». Und letztlich ist der Kunde im Driving Seat. Hier findet ein Paradigmenwechsel statt.
Konkret?
Bisher war Banking anbieterzentriert. Das verschiebt sich nun zur Kundenzentrierung. Also alle diejenigen, die von Customer Relation Management (CRM) sprechen, empfehle ich umzudenken auf CMR, Customer Managed Relation.
Was ist zu tun?
Konsequent digitalisieren! Doch die Technologie ist dabei nur ein Werkzeug. Das Mindset muss sich ändern. Noch heisst es, Technologie sind Kosten, dabei ist es die Zukunft. Jetzt ist ja gerade überall die Phase der Budgetierung am Laufen. Wer fit ist, hat eine klare Multi-Kanal-Strategie, hat Digitalisierung ganz oben in der Strategie und entsprechend auch die Budgettöpfe erhöht.
Wollen die Kunden wirklich digitales Private Banking? Die Robo-Advisors haben Schwierigkeiten, hohe Volumen einzusammeln.
Der Kunde will es, das heisst aber nicht, dass es keine Berater mehr braucht. Es braucht aber nicht mehr jeden. Es braucht Berater mit Asset Management Skills und einem digitalen Mindset. Der Berater wird zum Coach und Experience Maker. Und die Robo-Advisors sind hierzulande noch sehr jung. Das braucht einfach Zeit. In den USA ist das Wachstum bereits exponentiell. Das wird auch hier passieren. Vergleichen Sie es mit Indexfonds. Als John C. Bogle 1976 den ersten Indexfonds lancierte, war es zu Beginn ein Flop. Die Branche verspottet ihn und wenige Jahre später begann das Business zu florieren. Und heute? Der Markt für Indexfonds und ETFs wuchs in den letzten 17 Jahren im Durchschnitt knapp 30 Prozent pro Jahr.
Sie haben gesagt, dass nicht jeder Kundenberater überlebt. Wie meinen Sie das?
Durch konsequente Digitalisierung können Kunden viele Aufgaben selber übernehmen und viele administrative Prozesse, auch im Bereich der Regulation, werden automatisiert. Das heisst: Der Kundenberater hat mehr Zeit für den Kunden und Sergio Ermotti, der UBS-Chef, sagte ja kürzlich, dass statt 50 sogar 100 Kunden dann betreut werden können.
Was empfehlen Sie den Mitarbeitenden im Private Banking?
Raus aus der Komfortzone! Sich mit dem Thema Digitalisierung auseinandersetzen. Ich staune, wenn Freunde von mir aus dem Private Banking nicht wirklich eine Ahnung über Cryptocurrency, ICO, Blockchain, P2P-Lending haben oder was Robo-Advisory wirklich bedeutet. Oftmals wissen Kunden mehr dazu. Ich lernte diese Woche einen vermögenden Unternehmer kennen. Er sagte mir, dass er sein erstes ICO mitgemacht habe. Sein Bankberater wusste nicht einmal was das genau sei. Also, das Thema Digital Finance ist super spannend, breit gefächert und man muss dabei sein. Ganz wichtig: Das Mindset ändern. Digitalisierung ist letztlich nur eine Kopfsache. Und Banking soll endlich wieder sexy werden.
Steht die Schweiz gut da?
Nein! Andere Nationen machen es besser. Wir müssen den Anspruch haben, die Besten zu sein. Wir haben eine Wealth-Management-DNA, wir müssen der führende Bankenplatz für Digital Wealth Management sein. Es geht uns noch zu gut und Ende Jahr wartet ja meist ein schöner Zusatzbatzen, sprich Bonus. Warum also was ändern? Die Gefahr ist, dass es immer schneller geht und exponentiell wächst.
Haben Sie deswegen am 14. November die Wealth 2.0 in Zürich ins Leben gerufen?
Richtig. Wir möchten aus verschiedenen Perspektiven Digital Wealth Management beleuchten: Was muss der künftige Berater können? Was heisst Open Banking für die Wealth- und Asset-Management-Industrie? Wie wird RegTech künftig das Wealth Management beeinflussen und welche innovativen Lösungen gibt es heute bereits? Dies und vieles mehr.
Ich offeriere übrigens Ihren Leserinnen und Lesern einen 20%-Rabatt fürs Ticket. Dazu muss man bei der Registrierung einfach den Aktionscode «Fundplat» eingeben, und zwar hier: finance20.ch/wealth2017
Rino Borini ist Mitgründer und CEO der financialmedia AG in Zürich. Das unabhängige Medienhaus gibt verschiedene Publikationen im Wirtschafts- und Finanzbereich heraus und veranstaltet zahlreiche Veranstaltungen wie die schweizweit grössten Fintech-Konferenzen, Finance 2.0. Rino Borini leitet den Certificate of Advanced Studies (CAS) «Digital Finance» an der Hochschule Zürich. Zuvor war er in leitenden Funktionen in der Finanzindustrie tätig.