«Banking wird in zehn Jahren komplett anders aussehen»

CEO, Betreiber der ETF-Infoplattform 10x10.ch und Veranstalter der Finance 2.0
financialmedia AG, Zürich
10x10.ch
11.08.2016
Herr Borini, Sie veranstalten im Rahmen der Finance-2.0-Konferenzen zum zweiten Mal die Cryptofinance - ein Thema, das noch nicht in der Breite angekommen ist. Um was geht es konkret?
Wir verstehen unter dem Begriff zwei Dinge: auf der einen Seite digitale Währungen wie Bitcoin oder Ether, auf der anderen Seite die Technologie dahinter, die Blockchain.
Dieser wird das Potenzial zugeschrieben, ganze Geschäftsmodelle auf den Kopf zu stellen. Warum?
Dem ist so. Die Blockchain wird das Internet verändern und dafür sorgen, dass sich Geschäftsmodelle und -prozesse grundlegend verändern werden. Sie hat tatsächlich etwas Revolutionäres, denn sie kann Zahlungsverkehr, Kredite oder den Wertpapierhandel schneller und günstiger machen und vor allem auch Finanzinstitute abschaffen.
Wie stark ist die Finanzbranche betroffen?
Sehr stark! Die Wertschöpfungskette der Finanzdienstleistungen wird aufgebrochen, was die Margen zum Erodieren bringt. Dazu kommt neue Konkurrenz, auch aus dem Nicht-Bankensektor. Sie wissen ja, dass unser Kioskbetreiber Valora, der deutsche Telekomanbieter O2 oder der US-Gigant Apple inzwischen auch Consumer Banking betreiben. Der Druck auf die Finanzinstitute wird also anhalten. Ich bin überzeugt, dass sich das Banking in den nächsten zehn Jahren komplett verändern muss - und wird.
Ist Cryptofinance nicht einfach ein weiterer Hype?
Nein, die Finanzbranche nimmt sich dem Thema ja selber an. Das müssen sie auch, wenn sie nicht wie damals Kodak oder Kuoni der Digitalisierung zum Opfer fallen wollen. Deswegen ist Fintech und Cryptofinance eine Riesen-Chance. Die intelligenten Banken wissen um die Gefahr: Nicht umsonst haben sich beispielsweise 45 Institute zusammengeschlossen und R3 gegründet, ein Unternehmen, das globale Standards für die Blockchain-Technologie etablieren will.
Können Sie ein konkretes Beispiel aufzeigen, wie die Finanzbranche konkret tangiert wird?
In den USA gibt’s den grossen Internethändler Overstock, der sein Going Public zu einem Teil über die Nasdaq und zum anderen Teil ohne Börse durchgeführt hatte. Die ganzen Prozesse für den zweiten Teil liefen über eine Blockchain. Der US-Regulator SEC zeigte dem schnellen und günstigen Verfahren nicht die rote Karte, sondern bewilligte es. Was heisst das: Banken wie auch Börsen wurden bei diesem Prozess mehr oder weniger ausgeschaltet - die Zukunft ist also schon da. Willkommen in der neuen Welt, kann man da nur noch sagen.
Aber die Technologie ist kompliziert. Wie soll das ein Normalsterblicher verstehen?
Wissen Sie, welche Technologie hinter E-Mails steht? Aber Sie wissen, wie man E-Mails verschickt, wie man sie ablegt und auf welche Sicherheitsaspekte man achten muss. Bei der Blockchain verhält es sich ähnlich. Jeder, der in Zukunft im Finanzsektor tätig sein will, sollte sich mit den Veränderungen und den neuen Technologien auseinandersetzen, deren Vorteile und Nachteile verstehen. Die technischen Aspekte sind für Normalsterbliche wie Sie und mich nicht relevant.
Ein Thema der Konferenz sind digitale Währungen. Hand aufs Herz: Als Alternative zu unserem Geldsystem taugen diese nie und nimmer, oder?
Das würde ich so nicht unterschreiben. Natürlich hat vor allem Bitcoin immer wieder mit Missbräuchen und Skandalen zu kämpfen. Das ist bei neuen, jungen Themen normal. Aber langfristig sollte man die Entwicklung digitaler Währungen genau verfolgen.
Was ist das Zukunftspotenzial von Kryptowährungen?
Ein Forschungspapier der Bank of England besagt, dass digitale Zentralbankwährungen diverse makroökonomische Vorteile bieten können. Natürlich haben die Autoren dieses Papiers auch Bedenken, aber auch hier gilt: Wir stehen am Anfang der Entwicklung. Niemand weiss mit Sicherheit, wohin die Reise geht. Was aber sicher ist: Wer sich frühzeitig mit diesen Themen auseinandersetzt, hat letztlich einen Wettbewerbsvorteil.
Sind digitale Währungen auch als Anlageinvestments interessant?
Wenn man starke Nerven hat, wieso nicht? Bitcoin hat sich nach den turbulenten Zeiten anfangs Jahr, analog wie Gold, positiv entwickelt. Aber die Volatilität darf man nicht unterschätzen, das konnte man gerade in den letzten Wochen erleben. Seit kurzem gibt es in Europa erste Finanzprodukte, die den Bitcoin-Kurs abbilden. In der Schweiz hat zum Beispiel die Bank Vontobel jüngst ein Tracker-Zertifikat herausgegeben.
Es wird gemunkelt, dass es bald einen Bitcoin-ETF geben wird. Was meinen Sie?
Das höre ich auch immer wieder. Doch so einfach geht das nicht, allein schon deswegen, weil ETFs innerhalb der EU nur auf anerkannte Finanzindizes aufgelegt werden können. Die Alternative ist ein Exchange Traded Investment (ETI). Ein solches Vehikel, basierend auf dem Bitcoin-Kurs, wurde in Deutschland gelistet.
Ist dieses Produkt vergleichbar mit einem Gold-ETF, der den Goldpreis abbildet?
Es bestehen Ähnlichkeiten, doch ETI zählen nicht zum Sondervermögen und sind beim Konkurs des Anbieters nicht geschützt. Es gibt schon ein paar Unterscheidungsmerkmale.
Warum haben Sie das Kunsthaus Zürich für diese Veranstaltung gewählt?
Einerseits, weil das Kunsthaus ein schöner Ort ist, anderseits, weil wir auch das Thema Blockchain in der Kunst thematisieren werden. Ein höchst spannendes Gebiet und wir sprechen dabei über das «Internet of Value». Das betrifft eben auch die Finanzbranche. Dazu haben wir einer der Gurus, Rik Willard aus New York, eingeladen. Er ist einer der Thought Leader in diesem Bereich. Übrigens, Banken betreiben ja auch Art Banking. Das ist eine weitere Verbindung zur Finanzbranche. Der Halbtages-Event findet übrigens am 13. September 2016 statt. Ihren Lesern offerieren wir 25 Prozent Rabatt, dazu bei der Anmeldung den Actioncode «Fundplat» eingeben: www.finance20.ch/crypto2016.
Rino Borini ist Mitgründer und CEO der financialmedia AG in Zürich. Das unabhängige Medienhaus gibt verschiedene Publikationen im Wirtschafts- und Finanzbereich heraus und veranstaltet zahlreiche Veranstaltungen wie die schweizweit grössten Fintech-Konferenzen, Finance 2.0. Rino Borini leitet den Certificate of Advanced Studies (CAS) «Digital Finance» an der Hochschule Zürich. Zuvor war er in leitenden Funktionen in der Finanzindustrie tätig.