Biotech 2023 - schwieriger Start, aber gute Aussichten für das restliche Jahr

Head Investment Management Team BB Biotech bei Bellevue Asset Management
BB Biotech AG, Schaffhausen
bbbiotech.ch
22.07.2023
Herr Dr. Koller, Investoren scheinen derzeit nur geringes Interesse an Biotech-Aktien zu haben. Wie erklären Sie sich die enttäuschende Performance-Entwicklung im ersten Halbjahr?
Es ist durchaus nachvollziehbar, dass die Investoren vom ersten Halbjahr 2023 in Bezug auf Biotechanlagen enttäuscht waren. Die steigenden Zinsen stellten zweifellos eine der grössten Herausforderungen in diesen beiden Quartalen dar. Eine gewisse Müdigkeit nach der Pandemie könnte den Sektor ebenfalls beeinträchtigt haben. Nicht zuletzt waren es aber auch alternative Anlagemöglichkeiten, wie beispielsweise das aufstrebende Thema Künstlichen Intelligenz, das verstärktes Interesse von Anlegern fand. Während das erste Quartal durchwachsen war, wies das zweite Quartal eine Seitwärtsbewegung auf. Wir haben eine Balance aus positiven und schwierigeren Nachrichten gesehen. Aber wir blicken zuversichtlich auf das zweite Halbjahr 2023.
Ist die Skepsis gerechtfertigt, welche Investoren an den Tag legen? Wie steht dies im Verhältnis zur fundamentalen Entwicklung des Sektors bzw. der einzelnen Unternehmen?
Im zweiten Quartal verzeichnete der Sektor tatsächlich viele positive Nachrichten, sowohl in Bezug auf klinische Meilensteine als auch bei den Zulassungen. Die Finanzzahlen des ersten Quartals, die im zweiten Quartal veröffentlicht wurden, waren jedoch eher gemischt. Dies kann als Teil einer systematischen Entwicklung betrachtet werden, die letztendlich eine solide Grundlage für die Zukunft darstellen kann. Wenn wir die Fundamentaldaten betrachten, hat der Sektor viele Erfolge erzielt. Leider hat das bisher noch nicht das volle Interesse der Anleger geweckt. Aber genau hier liegt auch eine Chance für die Zukunft.
Gab es in der Vergangenheit vergleichbare Phasen?
Es ist nicht einfach, Vergleiche zur Vergangenheit zu ziehen, da jede Kapitalmarkt-Schwierigkeit ihre spezifischen Ursachen hatte. Eine Phase, die mir dabei in den Sinn kommt, ist die Zeit von 2009 bis 2011. Alles begann damals mit einer Immobilienkrise gefolgt von einer Bankenkrise und schliesslich einer europäischen Schuldenkrise. In dieser Zeit fand auch eine Umstrukturierung des US-Gesundheitssystems durch «Obamacare» statt. Dies wurde zunächst kritisch betrachtet, mündete aber letztendlich in einer der besten Phasen für den Biotechmarkt im Zeitraum von 2012 bis 2015. Ich glaube, dass es gewisse Parallelen gibt, da sich aktuell auch eine Diskussion um den sogenannten «Inflation Reduction Act» dreht, der auch den Gesundheitsmarkt betrifft. Dabei geht es darum, ob die amerikanische Regierung Preissenkungen durchsetzen kann. Dies erinnert an die damaligen Diskussionen im Gesundheitswesen.
Lange wies die BB Biotech-Aktie eine Prämie im Vergleich zum inneren Wert auf. Diese hat sich mittlerweile in einen Abschlag entwickelt, der per Ende des zweiten Quartals 5 Prozent beträgt. Wie beurteilen Sie die Situation?
In den letzten Jahren hatte BB Biotech im Durchschnitt eine Prämie von etwa 15 Prozent, die mittlerweile in einen Abschlag gedreht hat. In der Folge sehen wir aktuell relativ niedrige Kurse aufgrund einer Unterbewertung des Sektors. Das spiegelt sich auch in unserem Portfolio wider. Die Kombination dieser Faktoren führt dazu, dass die Aktie nahe am inneren Wert gehandelt wird. Das ist eine sehr spannende Konstellation für die Zukunft.
Mit Blick auf die Portfoliounternehmen: Was waren Ihre Highlights bei den klinischen Studien bzw. Neulancierungen im zweiten Quartal?
Im zweiten Quartal gab es eine Vielzahl positiver Entwicklungen. Ich möchte hier zwei Beispiele erwähnen. Zum einen gab es einen klinischen Meilenstein bei einer unserer kleineren Positionen, Black Diamond Therapeutics. Diese Firma hat beeindruckende Ergebnisse bei Patienten mit Lungenkarzinom gezeigt, die über eine spezifische Mutation verfügen, die durch das Medikament gezielt behandelt werden kann. Die frühklinischen, aber sehr ermutigenden Ergebnisse - sprich hohe Ansprechrate, Effizienz und gute Verträglichkeit - führten zu einem deutlichen Kursanstieg und ermöglichten der Firma eine erfolgreiche Kapitalerhöhung. Dies verspricht eine vielversprechende Zukunft. Das zweite Beispiel betrifft eine Zulassung von unserer zweitgrössten Position Argenx. Das Unternehmen teilte mit, dass die subkutan verabreichte Injektion Vyvgart Hytrulo zur Behandlung von Patienten mit generalisierter Myasthenia gravis von der FDA zugelassen wurde. Diese neuartige Formulierung stellt eine alternative Verabreichungsform dar und bietet eine zusätzliche Auswahl für Patienten. Dies ist auf jeden Fall ein bedeutender Schritt für das Unternehmen und eröffnet neues Marktpotenzial.
Welche News erwarten Sie von Ihren Kernbeteiligungen im zweiten Halbjahr?
Wir erwarten bis Ende 2023 weitere Meilensteine unserer Portfoliounternehmen. Auf der klinischen Seite wird wiederum Argenx Ergebnisse seiner Phase-III-Studie für eine weitere wichtige neurologische Indikation namens CIDP vorlegen. Von unserem Onkologieunternehmen Revolution Medicine erwarten wir wichtige Proof-of-Concept-Studien. Von unserer Kernbeteiligung Neurocrine Biosciences werden Ergebnisse zu zwei laufenden Phase-III-Studien zu Crinecerfont für Patienten mit kongenitaler Nebennierenhyperplasie erwartet. Die Daten sind von grosser Bedeutung, denn sollten sie positiv ausfallen, könnte Neurocrine Biosciences sein bisher einziges umsatzstarkes kommerzielles Produkt (Ingrezza) um ein zweites ergänzen. Zwei Beispiele auch für Zulassungen: Sage Therapeutics zusammen mit seinem Vertriebspartner Biogen für Zuranolon bei schweren depressiven Störungen und Wochenbettdepression. Und Ionis und seinem Partner AstraZeneca für Eplontersen zur Behandlung von Polyneuropathie bei ATTR-Patienten. Und ganz wichtig, die Genscherentechnologie von Crispr und Vertex zur Behandlung der Sichelzellkrankheit (SCD) und Beta-Thalassämie (TDT), was den ersten Einsatz dieser vielversprechenden Technologie bedeutet.
Link zum Disclaimer
Dr. Daniel Koller kam 2004 zu Bellevue Asset Management und ist seit 2010 Head Investment Management Team BB Biotech. Von 2001 bis 2004 war er als Investment Manager bei equity4life Asset Management AG und von 2000 bis 2001 als Aktienanalyst bei UBS Warburg tätig. Er absolvierte ein Studium in Biochemie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich und promovierte in Biotechnologie an der ETH und bei Cytos Biotechnology AG, Zürich.