«Biotech-Unternehmen stärken ihre Kapitalbasis»

06.05.2015
Frau Bänziger, BB Biotech hat kürzlich den ersten Quartalsbericht dieses Jahres publiziert. Was waren die wichtigsten Ereignisse?
Die letzten Monate waren ereignisreich, wobei die positiven Nachrichten deutlich überwiegten. Die Aufhebung des Mindestkurses des Schweizer Frankens gegenüber dem Euro war für den gesamten Werkplatz Schweiz ein Schock. Das hat uns ebenfalls getroffen, allerdings nur temporär, da sich der US-Dollar danach beträchtlich erholte. Zusätzlich reduzierte sich der Discount von über 20 Prozent per Ende Dezember auf 10 Prozent per Ende März. Kombiniert mit der zweistelligen Performance des Portfolios ergab dies eine Wertsteigerung von BB Biotech von 31 Prozent in Franken beziehungsweise rund 50 Prozent in Euro. Diese Wertsteigerung schliesst die Dividende von 11.60 Franken ein. Verglichen mit der letztjährigen Dividende ist dies eine deutliche Erhöhung von rund 66 Prozent.
Sind M&A-Transaktionen weiterhin ein Thema für den Biotech Sektor? Und was waren weitere grosse Themen im Portfolio im ersten Quartal 2015?
Die M&A-Aktivitäten haben auf einem bereits hohen Niveau nochmals zugelegt. Besonders erfreulich für BB Biotech war in dieser Hinsicht das Übernahmeangebot für unsere Beteiligung Pharmacyclics durch Abbvie für etwa 21 Mrd. US-Dollar. Auch auf der klinischen Seite gibt es einiges zu berichten: So präsentierte Cempra positive Resultate für das Antibiotikum Solithromycin. Das Produkt wirkt gegen viele antibiotikaresistente Erreger und deckt somit einen wichtigen Bedarf ab. Novo Nordisk erhielt eine sehr positive Reaktion im Markt als sie bekannt gaben, dass sie ihr Insulin Tresiba nach guten Zwischenresultaten in einer Sicherheitsstudie erneut den Regulatoren vorlegen werden.
Gab es ausser der Übernahme von Pharmacyclics noch andere Veränderungen im Portfolio, zum Beispiel neue Gesellschaften?
Mit Intercept gibt es eine neue Position im Portfolio. Das Unternehmen hat einen Entwicklungskandidaten für die seltene Erkrankung der primär biliären Zirrhose. Das Produkt wird auch für die Therapie der nicht-alkoholischen Fettleber getestet, einer Erkrankung, die mit der Zunahme von Übergewicht und Adipositas an Bedeutung gewinnt. Erwähnenswert ist auch, dass wir bei zehn Kapitalerhöhungen von Portfoliofirmen teilgenommen haben. Die Firmen haben nun sehr starke Bilanzen und können für die nächste Zeit unabhängig von den Kapitalmärkten ihre Forschungs- und Entwicklungsprogramme weiterführen, was den Sektor weiter stärkt. Diese finanzielle Sicherheit bringt die Firmen auch in bessere Positionen bei Verhandlungen von Partnerschaften und potentiellen Übernahmen.
Der Newsflow ist ja weiterhin sehr ausgeprägt in diesem Jahr. Was sind die Highlights, welche die Investoren in den nächsten Monaten erwarten dürfen?
Wir können sowohl auf der klinischen als auch auf der regulatorischen Seite nicht über zu wenig Aktivität klagen. Aus der Klinik werden wir zahlreiche Datenpunkte sehen. Hervorheben an dieser Stelle möchte ich Clovis‘ Rociletinib gegen Lungenkrebs, PTC’s Ataluren für die Therapie der Duchennschen Muskeldystrophie, Tetraphase’s Eravacyclin für Harnwegsinfektionen und Infinity’s Duvelisib bei chronischer lymphatischer Leukämie.
Auf der regulatorischen Seite steht die Zulassung von Vertex Lumacaftor bei zystischer Fibrose an einer sehr heimtückischen Erbkrankheit, die meistens bereits im Säuglingsalter beginnt. Ebenfalls erwarten wir die Zulassungen von Regeneron/Sanofi‘s Alirocumab für hohen Cholesterinspiegel und Synageva’s Sebelipase für eine seltene Erkrankung, bei der den Patienten ein lebenswichtiges Enzym fehlt. Später im Verlauf des Jahres oder Anfang nächsten Jahres könnten die Zulassungen von Novo Nordisk‘s Tresiba für Diabetes und Actelions Uptravi für Pulmonal-Arterielle Hypertonie erfolgen.
Mit der anhaltend starken Performance des Sektors kommen immer wieder Fragen zur Nachhaltigkeit auf. Wie sieht BB Biotech die Situation?
Solche Bedenken sind durchaus verständlich. Allerdings sehen wir nach wie vor starke Kapitalzuflüsse in den Sektor. Dank zahlreichen Refinanzierungen stehen Biotechfirmen stärker als je zuvor da. Mit ausreichend Mitteln in der Tasche, können die Unternehmen ihre Produkte selbst entwickeln und stärker an der Wertschöpfung partizipieren. Früher musste schneller ein Partner für Entwicklung und Vertrieb gefunden werden, weil schlichtweg die Mittel fehlten. Dies dürfte zu substantiell höheren Bewertungen führen, wenn sich die Produkt-Pipeline planmässig entwickelt. Zudem können wir immer noch einen gesunden Übernahmeappetit registrieren, was weiterhin für Auftrieb im Sektor sorgt.
Sicher ist, dass der Sektor nicht still steht, sondern noch stets in Bewegung ist. Die Preisniveaus von Medikamenten sind dauernd unter Beobachtung, was es noch wichtiger macht, differenzierte, effizientere Moleküle zu entwickeln. Zudem sehen wir immer mehr Firmen, die sich nun strategisch positionieren und ihre Nische finden, in der sie den Markt formen und dominieren können.
Lydia Bänziger ist seit 2011 Portfolio Managerin bei der Schweizer Beteiligungsgesellschaft BB Biotech AG. BB Biotech beteiligt sich an Gesellschaften im Wachstumsmarkt Biotechnologie und ist heute einer der weltweit grössten Anleger mit über 3,7 Mrd. Schweizer Franken Assets under Management (AuM) in diesem Sektor. BB Biotech ist an den Börsen in der Schweiz, in Deutschland und Italien notiert. Der Fokus der Beteiligungen liegt auf jenen börsennotierten Gesellschaften, die sich auf die Entwicklung und Vermarktung neuartiger Medikamente konzentrieren. Für die Selektion der Beteiligungen stützt sich BB Biotech auf die Fundamentalanalyse von Ärzten und Molekularbiologen. Der Verwaltungsrat verfügt über eine langjährige industrielle und wissenschaftliche Erfahrung.