Bitcoin: eine Idee, deren Zeit gekommen ist!

15.11.2019
Herr Hügli, Sie sind ein erstklassiger Kenner von Digital Finance und Crypto Finance. Worin liegt der Unterschied?
Unter dem Begriff «Digital Finance» fasse ich generell die Entwicklung der Fintech-Startups zusammen, die mit ihren agilen und angesagten Problemlösungen die Margen der traditionellen Bankenwelt unter Druck setzen. «Crypto Finance» geht weiter und ist der Versuch, ein neuartiges, stabileres Finanzsystem als Alternative zum Status quo zu errichten. Dabei sind Bitcoin und Kryptoassets zwar digitale Werte, jedoch ohne die Probleme - beliebige Kopierbarkeit und Drittparteien-Intermediation - der digitalen Welt. Letztlich gilt es Digital- und Crypto Finance zusammenzuführen, was erste Fintechs wie Revolut, Robinhood oder Luno bereits tun. Nur so dürfte es auch gelingen, eine Brücke zwischen «old and new world» zu schlagen.
Wie sieht ein klassischer Arbeitstag von Ihnen aus?
Anders als man denken könnte, checke ich als Krypto-Enthusiast nicht jeden Morgen den Bitcoin-Preis. Vielmehr versuche ich in Erfahrung zu bringen, was sich in der schnell lebigen Blockchain-Welt gerade tut. Ein probates Mittel dazu: Die Twitter-Plattform, wo Bitcoin- und Krypto-Begeistertere gewissermassen ihren Austausch mit der übrigen Welt pflegen. Hier stösst man auch immer wieder auf interessante Literatur. Die Komplexität und Interdisziplinarität des Krypto-Themas verlangt einem eine hohe Lese- und Lernbereitschaft ab. Interessantes steckt oft unter der Oberfläche, wofür es sich durch die Flut an Informationen zu graben lohnt. Natürlich beschäftige ich mich aber auch mit anderen (Wirtschaft- und Finanz-)Themen, doch lässt sich eben nicht selten eine Verbindung zu Bitcoin und Co. herstellen.
Die Tokenisierung ist ein grosser Trend. Was versteht man genau darunter?
Die Tokenisierung meint die digitale Verbriefung von Werten aller Art, von Blockchain-nativen Assets wie Bitcoin und Ether, über Sachwerte wie Immobilien oder Edelmetalle bis hin zu digitalen Daten selbst. Eine solche digitale Verbriefung ist erstmals auch ganz ohne Blockchain möglich. Von der Tokenisierung mittels Blockchain-Technologie erhofft man sich nichtsdestotrotz einiges: weiterführende Demokratisierung der Finanzwelt, transparente Systematisierung von Wertanlagen sowie erhöhte Liquidität derselben. Auch die einer effizienten digitalen Barter-Ökonomie über Tauschprotokolle wird plötzlich denkbar.
Was halten Sie von Crypto Assets als neue Anlageklasse?
Kryptoassets sind eine neue Anlageklasse, doch sind sie vielmehr als das. So wie das Internet nicht bloss ein neuer Medienkanal gewesen ist, hat es doch beispielsweise auch TV, Radio, Zeitungen, Filme fundamental verändert, dürfte auch Krypto dereinst Aktien, Anleihen, Rohstoffe und Sachgüter unter sich vereinen und neue Möglichkeiten schaffen. Insbesondere Blockchain-native Kryptoassets wie Bitcoin und Ether könnten sich künftig als das viel gesuchte unkorrelierte Asset entpuppen.
Sie haben eben mit Kollegen ein Buch geschrieben, das in mehrere Sprachen übersetzt wird. Wem sollte man es als Geschenk unter den Weihnachtsbaum legen?
All jenen, die schon einige Male von Bitcoin und Blockchain gehört haben, aber sich nicht wirklich an das Thema heranwagen. Für interessierte Neueinsteiger, aber auch vorsichtige Skeptiker, ist unser Buch genau die richtige Anlaufstelle. Sehr ausgewogen wird es der Komplexität des Themas gerecht, ohne dabei in technische Details oder allzu starkem Fachjargon abzugleiten. Doch selbst für Kenner bietet das Buch noch die eine oder andere spannende Neuinformation sowie unterhaltsame Krypto-Comics, die das Lesen immer wieder auflockern. Und schliesslich: Für diejenigen, denen selbst dieses Interview ein paar fremd klingende Konzepte wie Blockchain-native Assets oder digitale Barter-Ökonomie enthielt, eignet sich das Kryptobuch ebenfalls bestens zur Aufklärung.
Link zum Disclaimer
Pascal Hügli ist Wirtschaftsjournalist bei der financialmedia AG in Zürich und Dozent an der Hochschule für Wirtschaft Zürich. Neben seiner Tätigkeit als Journalist tritt er immer wieder als Moderator, Vortragender oder Debattierender auf. Zusammen mit Yonghan Lee und Richard Dettling hat er kürzlich das Buch «Ignorieren auf eigene Gefahr: die neue dezentrale Welt von Bitcoin und Blockchain» in deutscher Sprache publiziert. Amazon-Link: https://www.amazon.de/dp/3952510807. Bis Ende November soll die englische Version publiziert sein - Französisch, Koreanisch und Portugiesisch sind bereits für nächstes Jahr in Bearbeitung.