«Bondmarkt hält noch viele Value-Chancen bereit»

20.03.2015
Herr Roberts, wir befinden uns angesichts der historisch tiefen Zinsen in einer nie dagewesenen Situation an den Bondmärkten. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Die jüngste Rallye an den Anleihenmärkten hat viele erneut überrascht. Anleger fragen sich, wo sie jetzt nach lukrativen Anlagechancen suchen sollen, nachdem die Renditen in den Kernländern auf neue Tiefstände gesunken sind. Aus meiner Sicht befinden sich die Renditen auf einem geradezu lächerlichen Niveau.
Wie soll man sich in diesem Umfeld positionieren?
In welche Richtung der Markt auf kurze Sicht tendiert, lässt sich nicht abschätzen. Daher besteht der Weg des geringsten Widerstands womöglich darin, dem Trend zu niedrigeren Renditen zu folgen. Die Nullrendite stellt keine Barriere mehr dar, so unlogisch dies auch erscheinen mag. Eine risikoärmere Strategie, um Gewinne zu erwirtschaften, besteht hingegen darin, die erhöhte Volatilität und vorhandene Bewertungslücken innerhalb des Marktes auszunutzen.
Was meinen Sie damit genau?
Der Start ins Jahr 2015 ähnelt einer beschleunigten Version des gesamten Vorjahres. Aber angesichts der vielen Unbekannten im Zusammenhang mit der quantitativen Lockerung und vor allem mit der Notenbankpolitik rate ich zur Vorsicht. In diesem Umfeld verfolgen wir weiterhin eine Niedrig-Beta-Strategie. Entsprechend dem Mandat korreliert unser Fonds nach wie vor mit den breiten Märkten, berücksichtigt jedoch auch Bewertungen und Fundamentaldaten, um eine Exponiertheit gegenüber Bereichen zu vermeiden, die anfällig für negative Renditen sind.
Die Nachfrage nach Staatsanleihen aus den Kernländern bleibt riesig und so nüchterne Dinge wie Value-Kriterien werden ignoriert: Die Rentabilität gehört der Vergangenheit an. In einem solchen Umfeld bleibt unsere Strategie einfach: Einerseits werden wir den Markt nicht shorten, wollen unsere Kundengelder aber andererseits auch keinem leichtfertigen Risiko durch aggressive Long-Positionen aussetzen. Wir halten daher Ausschau nach Relative-Value-Chancen, die der Markt erfreulicherweise noch in grosser Zahl bereithält.
Können Sie uns ein konkretes Beispiel dafür geben?
Jüngste Beispiele dafür sind Long-Positionen in kanadischen und australischen Anleihen im Vergleich zu Short-Positionen in US-Papieren.
Abgesehen von diesem Ansatz: Wo sehen Sie attraktive Möglichkeiten?
Investment-Grade-Anleihen stellen für mich so lange eine gute Anlagegelegenheit dar, bis ein klarer geldpolitischer Straffungszyklus einsetzt, womit in naher Zukunft nicht zu rechnen ist. Während das Ausmass der Ausfälle weiterhin extrem niedrig ist, rechne ich mit häufiger werdenden Bonitätsveränderungen. Ratingagenturen passen ihre Einschätzung von Unternehmensanleihen an und das gewöhnlich von Investment-Grade auf Junk-Status.
Die Bilanzen vieler Rohstoffproduzenten beispielsweise sind bereits seit geraumer Zeit strapaziert und auch die Ratings in diesem Bereich werden voraussichtlich unter Druck geraten. Weil Kreditausfälle lediglich als kleiner Punkt in der Ferne auszumachen sind, halten wir im Augenblick an unserer starken Gewichtung von Investment-Grade-Anleihen fest. Sollte ich einen Zeitpunkt nennen müssen, ab dem sich dies ändern könnte, würde ich das 2. Quartal 2016 anführen.
Wenn Anleger derzeit nicht in Einzeltitel, sondern in Anleihefonds investieren wollen, auf was sollten sie besonders achten?
Ein wichtiger Aspekt ist die Allokation im Fonds. Das Niedrigzinsumfeld verleitet manche Fondsmanager dazu, zur Steigerung der Renditen in anleiheähnliche Anlagen wie Wandelanleihen oder Aktien zu investieren. Die Sache ist nur, eigentlich sollten Anleihemanager ausschliesslich in Anleihen investieren. Eine abweichende Vermögensallokation kann nämlich gefährlich werden: Solche Fonds gehen gegenüber einem Zinsanstieg höhere Risiken ein als reine Anleihefonds. Auch Barmittelpositionen sollten die Grenze von zehn Prozent nur selten übersteigen. Wenn sich Anleger für einen Anleihefonds entschieden haben, kann der Manager dieses Fonds nicht 50 Prozent des Volumens in Barmitteln anlegen. Er kann sonst nicht mehr als aktiv bezeichnet werden. Wenn Anleger mit der voraussichtlichen Rendite eines Anleihefonds nicht zufrieden sind, sollten sie nach Fonds Ausschau halten, die in andere Anlageklassen investieren.
Gibt es noch andere Punkte, die man unbedingt beachten sollte?
Ich rate Investoren zu Fonds, die durch eine erfolgreiche Titelauswahl überzeugt haben. Sie sind langfristig konstanter als Fonds, die ganz einfach nur von Marktveränderungen profitieren konnten. Ein anderes, wichtiges Thema, das derzeit kontrovers diskutiert wird, ist die Liquidität im Fonds. Seit es bei grossen Bondhäusern zu gewichtigen Wechseln im Senior Management (u.a. Bill Gross) gekommen ist, nehmen die Befürchtungen hinsichtlich der Liquidität in Anleihefonds wieder zu. Investoren sind gut beraten, ihre potenziellen Anleihemanager in dieser Hinsicht genau zu prüfen. Wie 2014 gezeigt hat, wirken geopolitische Unsicherheiten und Verunsicherungen der Marktteilnehmer rasch auf die Fondsliquidität aus. Investoren sollten sich deshalb für aktive Manager entscheiden, die dem Thema Liquidität die gebührende Aufmerksamkeit schenken. Das bedeutet, die Liquidität einer Anlage zum vornherein in die Anlageentscheidung einbeziehen sowie offen und ehrlich ihre Meinung zur optimalen Fondsgrösse kundtun.
David Roberts ist Leiter des Anleihen-Teams von Kames Capital und verantwortlich für die Fixed-Income-Produktpalette. Er ist zudem Co-Manager des Kames Strategic Global Bond Fund und Mitglied des Kames Management Committees sowie des Risk & Control Committees. Zu Kames Capital stiess Roberts 2004 von Britannic Asset Management, wo er Head of Credit war. Er verfügt über mehr als 25 Jahre Industrieerfahrung. David Roberts studierte Economics und Industrial Relations an der University of Strathclyde und verfügt über einen MSc in Investment Analysis.
Kames Capital ist eine spezialisierte Investment-Management-Gesellschaft mit Sitz in Edinburgh und London. Das Unternehmen verwaltet 69,6 Mrd. Euro für seine britischen und internationalen Kunden - darunter Pensionsfonds, Finanzinstitute, Vermögensverwalter, Family Offices und Finanzberater.