Chancen für den Finanzplatz Schweiz

05.05.2014
Herr Borini, bereits zum zweiten Mal organisieren Sie die Finance 2.0 Konferenz in Zürich. Worum geht es bei dieser Veranstaltung?
Die Digitalisierung hält in allen Branchen Einzug und macht auch vor dem Zürcher Paradeplatz nicht Halt. Das heisst: Die Banken werden ihre Geschäftsmodelle - ob sie wollen oder nicht - über die nächsten Jahre ändern müssen, teilweise radikal. An der Finance 2.0 werden wir über diese Veränderungen diskutieren.
Radikal ändern, klingt hart.
Ja, aber Digitalisierung ist nicht trivial. Schauen Sie, wie sich die Musikbranche oder der Buchhandel über die letzte Dekade verändert haben. Wer sind die heutigen Global Player? Die heissen Google, Amazon und Apple. Vor zehn Jahren waren das noch kleine Würmer. Diese rasante Entwicklung in der Digitalisierung zwingt Finanzinstitute zu einer kritischen Überprüfung ihrer bestehenden Strategien und Geschäftsmodelle. Wer auf lange Sicht überleben will, muss sich von antiquierten Strukturen befreien. Die Langsamen werden von den Schnellen überholt.
Sind die Schnellen bankenfremde Firmen?
Nicht zwingend, aber die Wertschöpfungskette gehört definitiv nicht mehr nur den Banken. So wird Swisscom im Bereich Mobile Payment künftig Lösung anbieten. Es gibt heute schon Konkurrenzplattformen für Privatkredite, von Nichtbanken notabene. Ich weiss von Projekten in der Schweiz, die ganz neue Tradingmöglichkeiten für Börsengeschäfte anbieten werden. Es wird Anlageberatungstools geben, die komplett neue Wege beschreiten: Sie ermöglichen einen persönlichen digitalen Portfoliomanager, den man auch sonntags vom Sofa aus aufrufen kann. Bereits voll im Gange ist «Social Investing», bei dem Informationen zur Geldanlage nicht vom Bankberater kommen, sondern von der Crowd. Es wird definitiv zu grossen Verschiebungen kommen. Wichtig ist, dass ein Zusammenspiel zwischen den Banken und den «New Kids» im Fintech-Bereich entsteht.
Betrifft Digitalisierung nur das Basisgeschäft?
Digitalisierung betrifft auch das Private Banking und das Asset Management. Die Anleger, egal ob Private oder Professionelle, werden ganz neue Anforderungen an ihren Finanzdienstleister stellen. Wir müssen uns einfach mal vor Augen halten, was gerade passiert: Das Bankgeheimnis wird beerdigt, Retrozessionen ebenso. Der Anleger will Transparenz, achtet verstärkt auf die Kosten und hat auch bezüglich Kommunikation ganz neue Bedürfnisse. Damit die Margen der Banken nicht ganz erodieren, müssen bei Qualität und Service Mehrwerte geschaffen werden.
Wo sehen Sie den grössten Handlungsbedarf?
Es gibt viele Baustellen, beispielsweise bezüglich Kommunikation. So wird in den sozialen Medien im Bereich Geldanlage und Finanzprodukte zwar fleissig diskutiert, doch die meisten Anbieter lesen nicht mit und können daher auf die Kundenanliegen nicht eingehen. Dass die Stimme der (potenziellen) Kunden nicht gehört wird, ist tragisch. Hier gibt es enorm viel Aufholpotenzial und neue Möglichkeiten. Die weltweite Financial Crowd existiert bereits, nur sind die althergebrachten Banken kaum Teil von ihr.
Ist die Schweiz im Bereich Finance 2.0 innovativ?
Die Schweiz ist Innovationsweltmeister, aber noch nicht bei Finance 2.0. Es gibt zwar einige interessante Projekte, aber auch sie waren nicht der First Mover. Andere Länder hatten die Nase vorn. Was wir haben, ist die schnellste Börse der Welt und eine der weltweit effizientesten Abwicklungen von Finanztransaktionen. Das sollte motivieren und zeigen, dass wir aufholen können.
Wie?
Wir haben enorm viel Brainpower in der Schweiz, also viele gut ausgebildete Banker mit guten Sprachkenntnissen und international anerkannte Ausbildungsstätten wie die ETH. Wir haben zudem genügend Kapital und einen gesunden wirtschaftlichen Nährboden. Die Ampeln stehen auf Grün, doch viele Bank-Entscheidungsträger sehen immer noch eine Orange blinkende Ampel: Achtung Gefahr!
Wohin sollte sich der Finanzmarkt Schweiz entwickeln?
Die Finanzbranche ist nach wie vor ein wichtiger Pfeiler unserer Volkswirtschaft, und dies soll - im Interesse unserer Wirtschaft - auch so bleiben. Warum sollte die Schweiz im Bereich Finance 2.0 nicht eine führende Rolle übernehmen? Wir sind politisch stabil und haben einen gesunden Bezug zu Geld. Zudem zählt die Schweiz zu den sichersten Orten dieser Erde, und das ist zentral. Diese Vorteile sollten wir, gekoppelt mit dem grossen Know-how und der hervorragenden (Finanzmarkt-)Infrastruktur, stärker nutzen.
Können Sie einige Programmpunkte der Konferenz erwähnen?
Sicherheit ist ein wichtiges Thema. Wir haben dazu den Chef der Melde- und Analysestelle Informationssicherung (MELANI) des Bundes eingeladen. Der oberste Cyber-Polizist wird die Cyberbedrohung für die Schweiz aufzeigen. Ein anderer spannender Programmpunkt wird die Diskussion über das «Banking 2020» sein. Zudem fliegen wir den renommierten Buchautor und Finance-2.0-Experten Chris Skinner ein. Er sieht eine radikale Veränderung der Rolle und Funktion des Banking‘ voraus.
An wen richtet sich die Konferenz?
Das Thema ist für alle Finanzmarktakteure relevant, die künftig nicht auf einem Nebenschauplatz agieren möchten. Die Konferenz richtet sich in erster Linie an Strategie-, Produkt-, Marketing- und Kommunikationsverantwortliche bei Finanzdienstleistern und Spezialisten im Bereich Zahlungsverkehr, Anlagen und Finanzierungen. Aber auch Startups und Vertreter von banknahen Unternehmen werden erscheinen.
Wie kann man teilnehmen?
Indem man sich auf finance20.ch anmeldet. Ihren Lesern offerieren wir zudem einen Rabatt von 33 Prozent auf den Ticketpreis. Dazu muss bei der Anmeldung nur der Code «fmagDisc» eingegeben werden.
Rino Borini ist CEO der financialmedia AG in Zürich. Der European Certified Financial Analyst (CEFA) verschaffte sich während mehr als zehn Jahren in unterschiedlichen leitenden Banktätigkeiten ein fundiertes Wissen über die moderne Kapitalanlage. Er war in den Bereichen Derivative Sales, Consulting und Risk Management tätig.