«China gibt bei Biomedizin und Medizintechnik mächtig Gas und steht vor einem gewaltigen Innovationsschub»

Schwellenländerexperte des Healthcare-Teams
Bellevue Asset Management AG, Küsnacht ZH
bellevue.ch
25.05.2020
Herr Kubli, was bedeutet die Coronakrise für den asiatischen Gesundheitsmarkt?
Dank der Erfahrungen aus der SARS-Krise waren die Länder besser auf schnelle Massnahmen gegen eine Epidemie vorbereitet. Zugleich hat die Covid-19-Pandemie die Digitalisierung in den asiatischen Gesundheitssystemen beschleunigt. So sind in China die Online-Konsultationen für die Erstberatung von Patienten während des Lockdowns exponentiell angestiegen.
Welche Bereiche der chinesischen Gesundheitsversorgung sind aus Anlegersicht besonders spannend?
Die Internet-Healthcareplattformen Alibaba Healthcare und Ping An Healthcare sind klare Nutzniesser der Coronakrise. In der Biotechnologie gefallen uns die Firmen Beigene, ZaiLab und eben Innovent. In der Medizintechnik ist es vor allem die Allounderfirma Mindray, die auch Atemgeräte und Patientenmonitore für COVID-19-Patienten entwickelt.
Und wo sehen Sie Protagonisten bei Therapien gegen COVID-19?
In China setzt Innovent Biologics auf monoklonare Antikörper, die den menschlichen Organismus gegen COVID-19 immunisieren sollen. Takeda Pharma aus Japan und CSL aus Australien verwenden mit den Immunglobulinen ein etabliertes Verfahren für die Entwicklung von Wirkstoffen. Das Anti-Rheumatikum Actemra von Chugai wird gegen Immun-Hyperreaktion eingesetzt.
Wo sehen Sie Japan im internationalen Vergleich besonders gut aufgestellt?
In der Krebsmedizin ist das Land führend in der nächsten Generation von Antikörpern wie den bispezifischen Antikörpern. Eisai Pharma wiederum hat weltweit die grösste Expertise bei der Erforschung von Alzheimer. Die Medizintechnik ist ein weiteres Feld, in dem japanische Firmen etwa bei Stents, Kathetersystemen und bildgebenden Verfahren ganz vorne mitspielen.
Was erwarten Sie vom Umbau des Gesundheitssektors in China? Erwächst dadurch auch Renditepotenzial für Ihren Fonds «Asia Pacific Healthcare»?
Die Regierung hat für die gesamte Industrie das Ziel ausgegeben, effizienter und qualitativ besser zu werden. Die Ideen dafür erinnern an den deutschen Industrieplan 4.0. China will seine Innovationskapazitäten steigern und weiter das Humankapital fördern, zugleich aber auch marktwirtschaftliche Institutionen weiterentwickeln und geistiges Eigentum sichern. Um die Unabhängigkeit bei den Schlüsseltechnologien zu erreichen, wurde die «Made in China»-Strategie entwickelt. Für diese strukturellen Umbrüche hat China zehn prioritäre Sektoren definiert. Neben Bereichen wie die Robotik oder Weltraumtechnik zählen dazu auch die Biomedizin und die Medizintechnik. China gibt hier mächtig Gas und steht vor einem gewaltigen Innovationsschub. Zwischen 2018 und 2023 erwarten Marktanalysen bei den in China entwickelten innovativen Produkten ein durchschnittliches jährliches Umsatzwachstum von 14 Prozent. China als weltweit zweitgrösster Pharmamarkt ist hier auf bestem Weg, sich zu einem global führenden Standort für die Arzneimittelforschung zu entwickeln. Die Fortschritte in China in den letzten Jahren sprechen für sich. Jedes Jahr kommen zwischen 150 und 200 neue Projekte in die klinische Entwicklung, davon ist jeweils rund die Hälfte in der Onkologie. Beispielsweise haben bereits mehrere chinesische Biotechfirmen für selber entwickelte Immuntherapien die Zulassung in China erhalten und erfolgreich lanciert. Zugleich kann die chinesische Life-Science-Industrie leichter als in der Vergangenheit Kapital über die Finanzmärkte aufnehmen. Das gilt sowohl für die Venture-Capital-Industrie ebenso wie für Börsengänge: Neue Regularien erleichtern Biotechfirmen ein Listing an der Börse Hongkong. Durch diesen massiven «Upgrade» der chinesischen Gesundheitsindustrie erhalten wir zahlreiche, attraktive Anlagemöglichkeiten in hochwertigen, technologiegetriebenen Gesundheitsfirmen, die einen riesigen Heimmarkt haben.
Auf welche Investmentthemen setzen Sie zurzeit? Fliesst dabei auch das Thema Nachhaltigkeit ein, das derzeit speziell in Europa, aber auch in anderen Teilen der Welt diskutiert wird?
Fundamental getriebene Investitionsthemen wie beispielsweise Digitalisierung des Gesundheitswesens in Asien oder Immun-, Gen- oder Zelltherapien im weiten Feld der Biotechnologie spielen bei unseren regionalen Strategien eine dominante Rolle. Aber auch das Thema Nachhaltigkeit wird immer wichtiger. Einerseits geht es um nachhaltige Gesundheitssysteme schlechthin, sprich die Förderung innovativer, zukunftsorientierter und kosteneffizienter Therapien. Hierbei denken wir etwa an Präventionsmedizin, Förderung personalisierter Medizin, minimalinvasive Operationsverfahren, Cloud-basierte Medizinaltechnologien, Telemedizin, Preisgestaltung der Medikamente und natürlich auch Förderung von Generika und Biosimilars. Andererseits erwarten Investoren auch immer mehr die Umsetzung von Nachhaltigkeitskriterien auf Ebene der Anlageportfolios. Auch hier übernahm Bellevue Asset Management mit der Lancierung 2018 des weltweit ersten nachhaltigen Gesundheitsfonds - dem «Sustainable Healthcare Fund» - eine Pionierrolle ein. Konform mit den strengen Vorgaben des österreichischen Umweltzeichens werden dabei im Rahmen der Titelselektion globale ethische Normen berücksichtigt und best-in-class ESG-Selektionsverfahren angewandt. Dabei kooperieren wir mit Sustainalytics, einem der weltweit führenden unabhängigen Nachhaltigkeitsspezialisten. Aber auch im Gespräch mit vielen asiatischen Gesundheitsfirmen stellen wir fest, dass das Thema ESG vermehrt auch in diesem Teil der Welt angekommen ist.
Wie hat ihr Fonds die Krise überstanden?
Der Healthcare-Fonds mit Schwerpunkt Asien hat die Krise bislang relativ gut überstanden. Der Fonds ist seit Jahresanfang knapp 30 Prozent besser als der asiatische Gesamtmarkt. Wir haben zuletzt zum einen mit japanischen Pharmafirmen defensive Positionen aufgebaut. Zum anderen haben wir den Fokus unverändert auf Firmen gelegt, die von Megatrends wie zum Beispiel Internet Healthcare, Modernisierung des chinesischen Gesundheitswesens oder Spitzeninnovation in Japan profitieren.
Link zum Disclaimer
Oliver Kubli ist seit 2015 Managing Director, Head Portfolio Management Healthcare Funds & Mandates bei Bellevue Asset Management. Zuvor war er während einigen Jahren Mitglied der Geschäftsleitung und Head Portfolio Management bei Adamant Biomedical Investment AG, bis zu deren Übernahme durch Bellevue. Er studierte Betriebswirtschaft an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur und ist CFA Charterholder.