«China verdient mehr Anerkennung»

Senior Vice President and Director, Asia Pacific - Fixed Income
AllianceBernstein Hong Kong Limited, Hongkong
abglobal.com
17.09.2015
Herr Briscoe, die hohe Volatilität an Chinas Märkten wird weitgehend den Auswirkungen von politischen Entscheidungen zugerechnet. Wie sehen Sie die Lage?
Unserer Ansicht nach verdient China für seine jüngsten Massnahmen mehr Anerkennung als Vorwürfe. China versucht, den Übergang zu einer offeneren Wirtschaft zu vollziehen und da sind zwei Dinge geradezu unausweichlich: Marktvolatilität und extrem schwierige politische Entscheidungen, von denen viele spontan getroffen werden müssen.
Ein Paradebeispiel ist die Intervention der Regierung, die auf die anfängliche Korrektur am A-Aktien-Markt im Juli folgte. Diese wurde ausserhalb Chinas weithin als panikartige Reaktion interpretiert. Chinas Aktienmarkt wird jedoch grösstenteils von Privatanlegern bestimmt und hier dürfen wir nicht vergessen, dass die Aufrechterhaltung einer sozialen Harmonie für einen Einparteienstaat von überragender Bedeutung ist. Vor diesem Hintergrund ergibt die Reaktion der Regierung Sinn.
Die Regierung hat die jedoch auch die Landeswährung überraschend abgewertet.
Das stimmt, und der Schritt wurde weithin als ein Versuch Chinas aufgefasst, seine ins Stocken geratene Exportwirtschaft wiederzubeleben. Beschreibt man die Massnahme jedoch als eine kompetitive Abwertung, ignoriert man eine Reihe von Fakten, wie etwa, dass sich Chinas Exporte trotz Schwierigkeiten sehr viel besser entwickelten als die regionaler Wettbewerber. Allein aus diesem Grund ist kaum einzusehen, warum eine kompetitive Abwertung notwendig wäre.
Wo sehen Sie also den Grund?
Plausibler erscheint uns die Erklärung der chinesischen Zentralbank (People’s Bank of China), dass mit der Anpassung eine ungewöhnlich grosse Lücke zwischen dem Fix- und dem Kassakurs der Währung geschlossen werden sollte. Dies war sinnvoll, da die Zentralbank den Fixkurs nur um 1,9 Prozent senkte und am Markt intervenierte, um die unter Druck geratene Währung nach Publikation der Abwertung zu stützen.
Sinnvoll war sie auch als Ausdruck der Regierungspolitik, denn mit dem Einsatz privaten Kapitals von innerhalb und ausserhalb des Landes zielt diese auf die Modernisierung und Diversifizierung der Wirtschaft ab. Hierfür benötigt China eine stärker am Markt orientierte Währung und daraus folgt der Schritt, den Fixkurs stärker an den Kassakurs anzupassen.
Was ist der Fokus der Regierung?
Unsere Recherchen deuten darauf hin, dass China weniger auf seine Währung fokussiert ist, sondern vielmehr auf das Lenken notwendiger Liquidität in die richtigen Teile der Binnenwirtschaft , sodass der Konsum neben den traditionellen Triebkräften des Export- und Investmentsektors zu einem stärkeren Wachstumsmotor wird.
Hayden Briscoe ist Director Asia-Pacific - Fixed Income bei AllianceBernstein mit Sitz in Hongkong. Er ist seit 2009 bei AB und verantwortlich für das Fixed-Income-Geschäft in der Asien-Pazifik-Region sowie für die Verwaltung von global und regional ausgerichteten Portfolios. Zuvor war er ein führendes Mitglied des Fixed Interest Teams von Schroders in Australien, wo er nationale und globale Rentenfonds verwaltete. Vor seiner Tätigkeit bei Schroders verbrachte Briscoe sechs Jahre bei Colonial First State Investments mit Verantwortlichkeit für lokale und globale Rentenfonds und war davor neun Jahre bei Bankers Trust. Er hat einen BA in Wirtschaftswissenschaften von der Universität von New South Wales.