Circular Economy ist alternativlos

16.01.2020
Frau Dr. Oberleiter, wie kamen Sie auf die Idee, das Institut zu gründen und warum gerade im Südtirol?
Den Impuls, das Terra Institute zu gründen, hatten wir vor etwas mehr als zehn Jahren auf einer Reise nach Ägypten, wo mein Geschäftspartner Günther Reifer und ich mehrere Tage beim Träger des Alternativen Nobelpreises und Gründer der Sekem-Initiative, Ibrahim Abouleish, verbracht haben. Sekem ist eine Unternehmensgruppe, die biologisch-dynamische Landwirtschaft, Wüstenbegrünung, Textilindustrie, Lebensmittelproduktion und Arzneimittelherstellung miteinander verbindet und gleichzeitig die gesundheitliche Versorgung und die intensive persönliche wie kulturelle Weiterentwicklung der Mitarbeitenden und ihrer Familienmitglieder sicherstellt. Dort habe ich erlebt, dass es möglich ist, wirtschaftlichen Erfolg mit ökologischer Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit ganz authentisch miteinander zu verbinden. Ab diesem Zeitpunkt wusste ich, dass eine andere Wirtschaft nicht nur sinnvoll, sondern auch erfolgreich sein kann und dass es nicht stimmt, dass wir immer entweder andere Menschen in anderen Ländern oder die Natur ausbeuten müssen, um wirtschaftlich signifikante Resultate einzufahren. Zurück in Südtirol, meinem Heimatland, habe ich so mit Günther Reifer zusammen das Terra Institute gegründet, um Unternehmen auf dem Weg hin in ein zirkuläres Wirtschaften, das in die Kreisläufe der Natur eingebunden ist, anstatt diese zu gefährden, zu begleiten.
Wie viele Leute umfasst es, und wie sieht ein klassischer Arbeitstag von Ihnen aus?
Wir sind etwas mehr als 20 Leute - ein interdisziplinäres Team aus Natur-, Geistes- Wirtschaftswissenschaftlern. Nachdem wir ein von den Vereinten Nationen anerkanntes Zentrum für Bildung für nachhaltige Entwicklung sind (ein sogenanntes RCE), agieren wir in einem breiten internationalen Netzwerk. Mein klassischer Arbeitstag ist vor Ort in einem Unternehmen, im Kreise der Geschäftsleitung im gemeinsamen Workshop zu einem Thema der Zukunftsgestaltung. Ich bringe dann dort Erfahrungen, Best Practice, Ideen ein, ich moderiere und inspiriere, knüpfe Verbindungen und stelle Fragen.
Wer sind Ihre Kunden, wie generieren Sie Einkünfte?
Unsere Kunden sind Unternehmen aller Sektoren: Logistiker, Lebensmittelproduzenten, Pharma, Banken, Handel, Industrie. Unternehmen, denen bewusst ist, dass sie nur dann verantwortungsvoll und zukunftsfähig handeln, wenn sie ihr wirtschaftliches Tun an den Prinzipien der lebendigen Welt ausrichten. Unsere Einkünfte generieren wir durch massgeschneiderte Beratungsprojekte, durch Executive Coachings oder den Verkauf unserer digitalen Tools, wie zum Beispiel den CO2-Berechner, den digitalen Zukunftsstrategie-Assistenten, die Online-Materialitätsmatrix als Basis der Nachhaltigkeitsberichtserstattung oder das Global Sustainable Enterprise System, als Bewertungstool für die Nachhaltigkeit von Unternehmen oder Produkten. Diese Smart Online Solutions stellen wir anderen Beratern und Instituten zur Verfügung und erweitern damit sukzessive unsere Berater-Community weltweit, die mit Terra Tools arbeitet.
Kann man sagen, dass Ihr Institut im Bereich Circular Economy im deutschsprachigen Raum eine führende Stellung hat?
Circular Economy kann von unterschiedlichen Perspektiven her gedacht werden: Technisch, prozessual oder beispielsweise aus einer Geschäftsmodell-Logik. Und genau in letzterer Perspektive haben wir unsere Stärke und zehn Jahre Erfahrung, was in diesem Bereich eine wirklich sehr lange Zeit ist und wir damit durchaus eine führende Stellung im deutschsprachigen Raum innehaben: Wie sieht das Geschäftsmodell aus, wenn es sich von einer linearen in eine zirkuläre Wirtschaftslogik bewegt? - diese Frage beantworten wir zusammen mit unseren Kunden.
Die Finanzindustrie ist voll auf den «ESG»-Zug aufgesprungen. Wäre es nicht allerhöchste Zeit, sich auch dem Thema Circular Economy mehr zu widmen?
ESG ist eine Vorstufe zur Circular Economy - denn wenn wir Nachhaltigkeit, Langfristigkeit, Fairness, Compliance, CSR u.ä. weiterdenken, so landen wir in der Kreislaufwirtschaft. Und ja - die Finanzindustrie, wie jede andere Industrie auch, tut gut daran, sich schnell mit den Logiken der Circular Economy vertraut zu machen. Denn für die Enkeltauglichkeit unseres Lebens auf der Erde sind regenerative Massnahmen und der Switch in eine Circular Economy alternativlos.
Link zum Disclaimer
Dr. Evelyn Oberleiter studierte in Mailand, Innsbruck und New Orleans Rechts- und Politikwissenschaften. Sie hat vor zehn Jahren zusammen mit Günther Reifer das Terra Institute gegründet, ein Beratungsunternehmen mit Schwerpunkt in Circular Economy - Geschäftsmodellinnovation, Sustainability und sinnorientiertem, transformativem Leadership. Neben ihrer Tätigkeit als Coach ist sie mehrfache Buch-Autorin (Sustainable Companies; Die Kunst der Transformation u.a.) und Unternehmerin (Lebensmittel-Manufaktur, Alternative Energien).