Claude Baumann: «Glücklicherweise blieb uns dieses Schicksal erspart»

15.05.2020
Herr Baumann, Sie sind ein profunder Kenner der Schweizer Finanzmedien, schreiben viel und leiten das bekannteste Finanzportal unseres Landes. Wie erleben Sie als Unternehmer die Krise?
Im heutigen Ausmass war die Krise natürlich auch für uns eine riesige Überraschung. Allerdings war ich im Februar noch in Singapur, wo ich - damals trug ich zum ersten Mal auch eine Gesichtsmaske - ziemlich klar erkennen konnte, was sich da zusammenbrauen würde. Insofern waren wir dann Mitte März in der Schweiz sehr rasch in der Umstellung auf Homeoffice und konnten so den Betrieb reibungslos fortführen. Das war wichtig, denn die Zugriffszahlen sind fast über Nacht massiv gestiegen, so dass wir erstmals mehr als 500‘000 Leserinnen und Leser verzeichnen konnten.
Die Erlöse aus Anzeigen sind bestimmt stark zurückgegangen. Konnte Ihr Haus mit anderen Einnahmen gegensteuern?
Glücklicherweise blieb uns dieses Schicksal erspart. Wir haben bis heute keine Ertragseinbrüche erlitten - im Gegenteil. Wir hatten eine bereits gut gefüllte Auftragspipeline und haben den Kunden gesagt, dass die Welt sich auch mit Corona weiterdreht. Sprich: Wir haben unsere Marketingaktivitäten massiv ausgebaut und neue Werbeformate lanciert. Wir waren - und sind - für unsere Klientel da. Die Zeit im Homeoffice war auch eine Periode, in der man persönlicher miteinander kommunizierte. Das war etwas Spezielles und hat uns sehr geholfen.
Finews ist nicht nur in Zürich präsent, sondern auch in Singapur und Hongkong. Würden Sie den Sprung nach Asien nochmals wagen?
Aber sicher. Asien ist das Salz in der (Nudel-)Suppe! Das Wachstum von morgen findet in Asien statt, und das hat entsprechend sehr viel mit der Finanzbranche zu tun. Dank der heute verfügbaren technologischen Mittel (Slack, Zoom, Whatsapp) konnten wir die ganze Zeit mit unseren Kolleginnen und Kollegen in Singapur und Hongkong in Kontakt bleiben. Und natürlich freue ich mich schon jetzt, wieder dorthin zu reisen.
Wenn Sie zurückblicken: Welche Story der letzten Wochen werden Sie nie vergessen?
Das ist natürlich unser Artikel in Wort und Bild (!) über insgesamt 31 Schweizer Bank-CEOs, wie sie in ihrem persönlichen Homeoffice arbeiteten. Die Idee war am Anfang eher ein Spleen bis sich dann immer mehr Chefs teilweise von selber gemeldet haben, um auch mitzumachen. Das ist zweifelsohne ein historisches Dokument, das uns immer an diese verrückte Zeit erinnern wird - und manchen Bankmanagern für einmal auch «menschliche Züge» verliehen hat.
Haben Sie neue Ideen in der Schublade oder ist vorerst Konsolidierung angesagt?
Vordringlichstes Ziel ist und bleibt, keine Kurzarbeit einzuführen und aus eigener Kraft über die Runden zu kommen, was einerseits einen disziplinierten Umgang mit den Kosten bedingt, und andererseits uns zwingt, gute Erträge zu generieren. Alles in allem: Wir sind nicht untätig geblieben und geben enorm viel Gas. Inhaltlich möchten wir den Bereich «finews.life» weiter ausbauen, wo wir Themen wie Work-Life-Balance, Karriere, Aus- und Weiterbildung sowie Neudeutsch «Mindfulness» - ich sage dem «vernünftig leben» - aufgreifen. Das interessiert unsere Leserschaft enorm, wie dies die hohen Zugriffszahlen belegen.
Link zum Disclaimer
Claude Baumann, geboren 1962 in Zürich, ist Unternehmer. Er arbeitete früher als Redaktor für die «Weltwoche», «Finanz und Wirtschaft» und die «Handelszeitung». Er war Mitgründer des Literaturverlags Nagel & Kimche und lancierte 1989 das Geschäftsreisemagazin «Arrivals». Im Jahr 2009 startete er «finews.ch», das heute führende Online-Portal für alle Beschäftigten in der Schweizer Finanzbranche. Seit 2016 existiert auch «finews.asia» mit Sitz in Singapur und einem Büro in Hongkong. Er ist Autor mehrerer Bücher, zuletzt einer Biographie über den Schweizer Bankier Robert Holzach.