Das Fondsdomizil Liechtenstein ist trotz der vielen Herausforderungen weiter auf starkem Wachstumskurs

06.09.2022
Herr Gamper, durch die Talfahrt der Börsen in der ersten Jahreshälfte ist das Volumen an fast allen Fondsplätzen in Europa geschrumpft. Warum war Liechtenstein eine der ganz wenigen Ausnahmen?
Über 80 Prozent der in Liechtenstein domizilierten Fonds und ca. 50 Prozent des Fondsvolumens sind Private-Label-Fonds. Dieses Segment ist für die ausserordentlich gute Entwicklung des Fondsplatzes im ersten Halbjahr verantwortlich. Einerseits wurden sehr viele neue Fonds gegründet, anderseits haben sie im ersten Halbjahr einen besonders hohen Netto-Neugeld-Zufluss verzeichnet und konnten so die Rückgänge durch die schwächelnden Börsen kompensieren.
Warum gab es im ersten Halbjahr diese positive Entwicklung?
Es ist nur die Fortsetzung der Dynamik der letzten Jahre. Seit 2016 nimmt in Liechtenstein die Anzahl der jährlichen Fondsgründungen stetig zu, sie hat sich mehr als verdoppelt. Vergleicht man die Zahl der Fonds je Fondsdomizil bei EFAMA (European Fund and Asset Management Association) seit Einführung der Statistik im Jahr 2016, so hat Liechtenstein in absoluten Zahlen europaweit nach Irland und Deutschland den drittgrössten Zuwachs. Das Fürstentum liegt damit vor Ländern wie Luxemburg, Grossbritannien, den Niederlanden und Frankreich. Zwar sind die Assets under Management (AuM) noch bei weitem nicht auf dem Niveau dieser Länder, aber auch bei den Neuveranlagungen ist das Wachstum ausgezeichnet, besonders im Bereich der Alternative Investment Funds.
Weshalb werden aktuell so viele Private-Label-Fonds gegründet?
Das hängt vor allem mit der regulatorischen Entwicklung der letzten Jahre zusammen. Durch MiFID II ist es für Vermögensverwalter viel einfacher und kostengünstiger, Fonds aufzulegen als ihre Kunden mittels individueller Mandate zu betreuen. Wenn die Kunden im Ausland domiziliert sind, wird der Vorteil durch die Reduktion der Administration noch grösser. Durch eine Fondslösung wird zudem die Steuerkonformität sowohl im Fonds als auch im Wohnsitzland des Kunden sichergestellt. Die dafür notwendige Aufbereitung der Unterlagen übernimmt die Fonds-Verwaltungsgesellschaft. Ein Fonds sichert ausserdem die Gleichbehandlung aller Kunden, dadurch wird jeglicher Interessenskonflikt vermieden. Durch die Verwendung eines Fonds ist darüber hinaus sichergestellt, dass der Vermögensverwalter für seine Tätigkeit ausreichend reguliert ist. Die Gefahr, aufsichtsrechtliche Vorgaben zu verletzen, wird dadurch vermieden.
Ein weiterer wichtiger Faktor für den Aufschwung der letzten Jahre ist, dass Family Offices und Privatkunden ihr Vermögen immer häufiger mithilfe von Fonds strukturieren. Gerade dieses Segment hat in Liechtenstein enorm zugenommen.
Es gibt viele bekannte Fondsdomizile in Europa, was spricht dafür, einen Private-Label-Fonds gerade in Liechtenstein zu gründen?
Liechtenstein kann im Prinzip alles, was die anderen Fondsdomizile können, da es als Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) die EU-Regulierung übernimmt. Der Vorteil liegt aber in den viel schnelleren und flexibleren Prozessen bei der Gründung und laufenden Administration der Fonds. Liechtenstein hat sich auf Private-Label-Fonds spezialisiert und da ist die «Time-to-market» besonders wichtig. Allein die Zulassungsdauer der Finanzmarktaufsicht ist mit einer Woche unglaublich schnell. Bei anderen Aufsichten muss ein Fondsinitiator oft mehrere Monate warten. Ein weiterer Vorteil ist, dass in Liechtenstein Fonds im Gegensatz zu vielen anderen Ländern von allen Steuern befreit sind. Das kommt auch bei der Vermögensstrukturierung mittels Fonds zum Tragen. Bei dieser Art Fonds punktet Liechtenstein im Besonderen durch seine politische und wirtschaftliche Stabilität. Liechtenstein hat keine Staatsschulden und ist eines von nur noch 11 Ländern weltweit, dass von Standard & Poor’s ein AAA-Rating erhält.
Der Finanzplatz Liechtenstein wird international immer angesehener. Dazu tragen natürlich die guten Ergebnisse bei der Prüfung durch das «Global Forum» der OECD und von MONEYVAL bei. Liechtenstein hat bereits 2015 vom «Global Forum» der OECD bezüglich Steuertransparenz die sehr gute Beurteilung «Largely Compliant» erhalten, 2019 wurde diese Einstufung bestätigt. Liechtenstein erhält damit die gleiche Bewertung wie zum Beispiel Deutschland, Grossbritannien und die USA. Zusätzlich hat das «Global Forum» an der Plenarversammlung vom 19.11.2021 bestätigt, dass die nationale Umsetzung Liechtensteins in Bezug auf den automatischen Informationsaustausch (AIA) vollständig im Einklang mit den Anforderungen der OECD steht. Der Bericht enthält daher für den liechtensteinischen Rechtsrahmen die Bewertung «In Place», was dem bestmöglichen Rating entspricht.
Ende Juni dieses Jahres wurde der Länderbericht von MONEYVAL publiziert. MONEYVAL ist ein Regionalgremium nach Vorbild der Financial Action Task Force (FATF), das seinen Sitz beim Europarat in Strassburg hat. MONEYVAL überprüft bei seinen Mitgliedstaaten regelmässig die nationalen Regelungen zur Bekämpfung von Geldwäsche sowie Terrorismusfinanzierung und bewertet die Wirksamkeit des Systems inklusive der Unternehmen unter anderem durch Prüfungen vor Ort. In dem Länderbericht kommt MONEYVAL zum Schluss, dass Liechtenstein ein hohes Mass an Effektivität bei der Erkennung und Bekämpfung von Geldwäsche- und Terrorismusrisiken zeigt. Liechtenstein schneidet im Vergleich zu anderen geprüften Ländern sehr gut ab und ist eines von nur fünf bis dahin geprüften Ländern, die aufgrund des positiven Berichts dem regulären MONEYVAL-Berichtsprozess unterzogen werden. Alle anderen Länder unterliegen einem sogenannten «Enhanced Follow-Up».
Link zum Disclaimer
Mag. David Gamper, ist seit 2014 Geschäftsführer des LAFV Liechtensteinischer Anlagefondsverband. Seit 2020 ist er Mitglied des Stiftungsrates der Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungs-Stiftung SV Liechtenstein. Vor seiner Tätigkeit beim LAFV arbeitete als Vermögensberater und Vermögensverwalter und später in Führungspositionen in Finanzdienstleistungsunternehmen in Italien, Österreich und Liechtenstein.