«Das Sentiment im ETF-Markt ändert sich»

15.04.2016
Herr Mautone, Gold war eine Anlageklasse, in der zu Beginn des Jahres alle untergewichtet schienen. Was haben Sie seither in Bezug auf die Kapitalflüsse gesehen?
Gold erreichte im Dezember 2015 bei rund 1’050 US-Dollar je Unze die Talsohle, und die meisten CIOs hatten Gold als Anlageklasse vermutlich aus fundamentalen Gründen untergewichtet. Alle dachten, es wäre beschlossene Sache, dass die Fed die Zinsen erhöhen würde, möglicherweise viermal im Jahr 2016. Seither ist die Stimmung jedoch wirklich umgeschwungen: Der US-Aktienmarkt korrigierte innerhalb des 1. Quartals um 10,5 Prozent, der Ölpreis fiel auf einen Tiefstwert von 26 US-Dollar je Barrel und «sichere» Anlagen erhielten eine hohe Priorität in Portfolios.
Da die wirtschaftlichen Aussichten jetzt weniger sicher erscheinen und die Möglichkeit besteht, dass die Fed die Zinssätze nicht so schnell anheben kann wie zuvor angenommen (jetzt möglicherweise nur zweimal im Jahr 2016), hat Gold wieder an Glanz gewonnen. Wir vermuten, dass jede Konsolidierung des Goldpreises von Anlegern, die noch nicht investiert sind oder die erste grössere Bewegung verpasst haben, als Chance für einen Einstieg in Gold genutzt wird. Für europäische Anleger, die sich Sorgen über eine Abschwächung des Euro oder des Schweizer Franken gegenüber dem US-Dollar machen, ist Gold vermutlich noch attraktiver.
Mit einem Wertzuwachs von 18 Prozent in der Spitze gegenüber dem Tiefstwert vom Dezember war Gold sicherlich eine der erfolgreichsten Anlagen im bisherigen Verlauf des Jahres. Im ersten Quartal war unser Goldprodukt sehr gefragt und verzeichnete seit Jahresbeginn einen Nettozufluss von 970 Mio. US-Dollar (Stand Ende März). Dies war der zweitgrösste Zufluss in der gesamten ETP-Industrie in Europa und der grösste im Gold-Bereich. Im ersten Quartal haben wir jetzt schon die Zuflüsse des gesamten Jahres 2015 vierfach übertroffen und mit einem Gesamtwert von fast 3 Mrd. US-Dollar ist dies jetzt unser grösstes Produkt. Was unseren Anlegern möglicherweise an unserem Goldprodukt am besten gefällt, sind seine geringen Kosten - die Total Cost of Ownership entspricht in der Regel einer Geld-Brief-Spanne von 3 bis 4 Basispunkten plus einer Jahresgebühr von 29 Basispunkten - die zahlreichen Market Maker an Börsen und ausserhalb, die hohe Liquidität und die UCITS-Konformität. Für viele Anleger ist es wichtig, dass sie Vertrauen in ein Produkt haben. Unser Ziel ist es, dieses Vertrauen zu vermitteln.
Welche Kapitalströme sind Ihnen abgesehen von Gold bisher im Jahr 2016 noch aufgefallen?
Es gibt eine Nachfrage nach einem reinen Beta-Engagement in Europa, da die Anleger nach einer kostengünstigen, effizienten Möglichkeit suchen, um auf einen bestimmten Index zu setzen. Dies könnte eine Übergangslösung während der Umschichtung von Anlagen sein oder eine strategischere Allokation in einem Core-Satellite-Ansatz. Ausserdem bestand Nachfrage nach gezielteren Engagements wie etwa Value-und Multi-Faktor-Strategien. 2015 waren unsere Multi-Faktor-Strategien ein enormer Erfolg: Das europäische Produkt übertraf den MSCI Europe Index um 5,8 Prozent und das globale Produkt schlug den MSCI World Index um 1,9 Prozent mit jeweils tieferer Volatilität. Die Anleger hat dies offenbar beeindruckt, da die ETFs signifikante Zuflüsse verzeichneten und zusammen bereits Vermögen von über 1 Mrd. US-Dollar aufweisen.
In Öl, Energie und Grundstoffen waren die Anleger ebenfalls untergewichtet. Welche Entwicklungen haben Sie in dieser Hinsicht festgestellt?
Das stimmt. In der Regel haben die Anleger alles vermieden, was mit Rohstoffen zu tun hatte. Viele von den Anlegern, mit denen wir sprachen, wollen jedoch offenbar abwarten, bis der Markt eine Bodenbildung zeigt, bevor sie wieder einsteigen. Das Problem für die meisten Anleger besteht darin, den richtigen Titel für eine Erholung zu identifizieren. Im letzten Jahr hatten viele Anleger ziemlich negative Erfahrungen mit Engagements in Einzelaktien gemacht. Ich denke dabei zum Beispiel an Glencore. Wie können sie also gemäss ihrer Einschätzung handeln, aber das Risiko eines Einzelengagements vermeiden? Unserer Meinung nach besteht die beste Möglichkeit auf eine Erholung zu setzen darin, in den gesamten Sektor zu investieren und Engagements in Einzelaktien zu minimieren oder zu vermeiden. Mit Blick auf die weitere Entwicklung dürfte die Sektorrotation den Ausschlag geben, nicht nur für Hedgefonds, sondern auch für die taktische Positionierung. In diesem Umfeld ist die Chance für eine Buy-and-Hold-Strategie vorbei, und ein Portfoliomanager muss opportunistischer investieren.
Source ist mit einem verwalteten Vermögen von 1,6 Mrd. US-Dollar Marktführer im Handel mit in Europa notierten US-Sektoren. Den Anlegern gefallen die gute Liquidität und die günstigen Kosten dieser Produkte. Ausserdem bieten wir ein breites Spektrum an europäischen Sektorprodukten und sind in Bezug auf das gehandelte Volumen in Europa führend.
Können Sie mehr über neue Produkte erzählen, die derzeit entwickelt werden?
Wir arbeiten mit Research Affiliates zusammen, um Möglichkeiten zu finden, hohe und nachhaltige Erträge aus Aktiendividenden zu erzielen. Dank dem fundamentalen Ansatz, Unternehmen zu filtern, statt sich einfach an ihrer Marktkapitalisierung zu orientieren, werden diese Produkte unserer Meinung nach einen Mehrwert für unsere langfristig orientierten Anleger bieten. Ausserdem haben wir jetzt auch unseren ersten ETF an die Schweizer Börse gebracht, der ein Engagement in risikobasierten Anlagestrategien von Rothschild bietet. In volatilen Märkten dürfte er besonders attraktiv sein, da er Aktien mit weniger Risiko und Korrelation kombiniert. Seit der Lancierung an der LSE im Januar 2015 hat der ETF den MSCI Europe Index per 6. März 2016 um 5,2 Prozent übertroffen. Die Strategien von Research Affiliates und Rothschild bieten Anlegern intelligentere Möglichkeiten für den Aufbau ihrer Portfolios. Wir gehen davon aus, dass mehr Fonds/ETFs dieser Art entwickelt werden, die genau auf die Anforderungen der Anleger ausgerichtet sind.
Abgesehen von der Entwicklung neuer Produkte behalten wir unsere bestehende Palette ebenfalls aufmerksam im Auge. In diesem Zusammenhang suchen wir nach Möglichkeiten zur weiteren Verbesserung der Performance, insbesondere nach Abzug von Kosten, denn das sollte für die Anleger wirklich wichtig sein.
Source ist als innovativer ETF-Anbieter bekannt. Welche Arten von Innovationen haben Sie für dieses Jahr geplant?
Wir haben gerade eine ETF-Plattform eingeweiht, die wir «der nächsten Generation» zuordnen. Mit ihr nutzen wir die neue britische Struktur steuertransparenter Fonds. Das Konzept von Master-Feeder-Fonds ist nichts Neues - derzeit sind mehr als 1 Bio. US-Dollar in Master-Feeder-Fonds in Europa angelegt. Dies ist jedoch das erste Mal, dass ETFs auf diese Weise angeboten werden.
Die Source-ETFs, die wir unter der neuen Struktur auflegen, werden in Irland domiziliert sein und in eine exklusive Anteilsklasse des betreffenden Masterfonds investieren. Die Struktur steuertransparenter Fonds bedeutet, dass jeder Feeder-Fonds nach seiner eigenen Rechtsordnung besteuert wird. Das heisst, dass die Source-ETFs in steuerlicher Hinsicht als irische Investoren behandelt werden, da die Source-ETFs in Irland domiziliert sind.
Anleger kommen in den Genuss aller üblichen Vorteile von ETFs, einschliesslich einer grösseren Transparenz und des täglichen Handels. Hinzu kommen jedoch die potenziellen Skalenvorteile auf der Masterfonds-Ebene, wie das Potenzial einer besseren Performance dank günstigerer Transaktionskosten.
Unsere Master-Feeder-Plattform wird von Legal & General bzw. LGIM verwaltet, dem grössten Manager von Indexprodukten in Grossbritannien. Der Masterfonds bietet eine physische Replikation, denn hier sehen wir derzeit die grösste Anlegernachfrage. Wir beobachten den Markt und sprechen mit Anlegern über künftige Neulancierungen, behalten sie uns also im Auge.
Marco Mautone ist bei Source als Managing Director für die Schweiz und Liechtenstein verantwortlich. Vor seinem Eintritt bei Source war er acht Jahre lang bei der Bank of America Merrill Lynch in der Schweiz als Leiter des europäischen und US Equity Sales Trading tätig. Zuvor war er während fünf Jahren bei Lehman Brothers als Cash Equity Sales Trader auf Schweizer institutionelle Kunden fokussiert.