Der digitale Weg zu individuellen Anlagelösungen

11.11.2016
Herr Weber, wie viele Fonds braucht die Welt?
Puristen würden sagen: Ein Fonds genügt! Ein passiver Multi-Assets-Fonds, der den Markt, also das Marktportfolio kauft, dazu allenfalls ein paar Anteilsklassen mit Währungsabsicherung; kombiniert mit Cash oder Leverage lässt sich so jedes Risikoprofil abbilden. Soweit wird es allein aus Gründen der Markteffizienz nie kommen, aber für eine grosse Mehrheit von Trittbrettfahrern wäre dies durchaus eine Lösung.
Multi-Asset-Fonds verzeichneten die letzten Jahre enorme Zuflüsse, ist das die Zukunft?
Es ist die Antwort aktiver Manager auf den Vorstoss der passiven Manager. Sie bieten damit Lösungen statt Bausteine an und können längerfristig den Zwischenhandel ausschalten und sich direkt an den Privatanleger wenden. Aber auch die Distributoren, die Banken, lancieren intern verwaltete Multi-Asset-Fonds, nicht zuletzt um nach dem Wegfall der Retrozessionen die Marge zu halten. Auch die passiven Manager schlafen nicht. Sie bündeln ihre Bausteine zu kostengünstigen Portfolios, verkaufen diese direkt online mit Digital-Advice, mit hybriden Modellen oder via Zwischenhändler wie Vermögensverwaltern ergänzt, mit sehr günstigen Zusatzdienstleistungen wie Asset Allocation und Risikomanagement.
Dann haben wir also in einigen Jahren praktisch nur noch passive Bausteine und aktive Multi-Assets-Fonds?
Nein, denn für den Anleger ist dies nicht die optimale Lösung: Es gibt ihm zu wenig Wahlmöglichkeiten. Passive Produkte sind per Definition in ihrer Vielfalt eingeschränkt. Multi-Assets-Fonds lassen sich nur schwer in einem Portfolio kombinieren. Der Anleger müsste sich also mit weitgehend standardisierten Lösungen zufriedengeben.
Aber ist das nicht der Trend: standardisierte Lösungen zu möglichst tiefen Kosten?
Standardisierung war gestern, Individualisierung ist morgen. Wenn Sie früher Ferien buchten, hatten Sie standardisierte Pakete in Ferienprospekten zur Auswahl. Für ein Weekend in Barcelona gab es einen Flug und vielleicht 50 Hotels zur Auswahl. Heute können Sie online aus acht Direktflügen und 2’238 Unterkünften auswählen, also 17’904 Kombinationen statt 50. Wollen Sie gleich noch zwei Restaurants buchen, dann haben Sie für Flug, Hotel und Restaurants 476’425’440 Kombinationen zur Auswahl. Früher brauchte es Standardisierung, um Kosten zu senken. Bedeutet heute Individualisierung noch höhere Kosten? Nehmen wir 3D-Drucker: Damit lassen sich beliebige Unikate vor Ort, rasch, günstig und ohne Abfälle herstellen. Ob Sie ein Stück oder eine Million Stücke herstellen wollen, spielt bald keine Rolle mehr. Der Konsument erwartet, dass er individualisierte Produkte und Dienstleistungen jederzeit und sofort beziehen kann.
Wieso ist Individualisierung in der Vermögensverwaltung wichtig?
Mit einer standardisierten Anlagelösung wird sich der Anleger nie wirklich identifizieren können. Warum diese Identifikation aber wichtig ist? Was ist der grösste Fehler, den Anleger begehen? Die Kapitulation: In einer Korrektur sind die Anleger von den Resultaten ihres Portfolios enttäuscht und verkaufen auf dem Tiefst. Jahre später steigen sie in einer euphorischen Phase wieder ein. Es ist also zentral, dass der Anleger ein Portfolio hält, zu dem er auch in schlechten Zeiten steht. Das ist nur dann der Fall, wenn er seine Wertvorstellungen und Überzeugungen einbringen kann und in ein massgeschneidertes Portfolio investiert, an das er wirklich glaubt und somit auch in schlechten Zeiten dazu steht und nicht aufgibt.
Wie kann man also massgeschneiderte Portfolios zu tiefen Kosten anbieten?
Sie brauchen als Bank eine Vielzahl von hochwertigen Bausteinen im Angebot, also sehr gute aktive und passive Fonds, deren Eigenschaften Sie genau kennen und in einer Datenbank strukturiert abgelegt haben. Dann geben Sie dem Anleger die Möglichkeit via seinem Tablet aus einem Menü die Kriterien auszuwählen, die ihm wichtig sind, zum Beispiel Bevorzugung von Nachhaltigkeit, hohen Dividenden, lokalen Fondsmanagern, tiefen Kosten. Algorithmen berechnen nun, welche Bausteine diesen Bedürfnissen am besten entsprechen und der Kunde erhält innert Sekunden einen Vorschlag für einen Fonds oder ein ganzes Portfolio. Dies ist die Funktionsweise unseres Digital-Advisors.
Und wie viele Fonds braucht es nun für ein wirklich individualisiertes Angebot?
Wir empfehlen Banken ein Universum von 400 bis 1’000 aktiven und rund 800 passiven Fonds. Diese Fonds verfügen alle über eine gute Qualität und werden von uns laufend überwacht, damit auch alle Compliance-Anforderungen erfüllt sind. Mit der Bank legen wir strategische und sich ändernde taktische Anlagethemen fest. Im Digital-Advisor können nun Portfolioberater, Analysten oder gar Privatanleger selbst aus diesem Menü auswählen und erhalten innert Sekunden einen individualisierten Vorschlag mit einer Begründung, die sich auch für ein Beratungsprotokoll eignet. Mit dem Digital-Advisor können die Portfolios auch völlig automatisiert überwacht werden: Passt ein Fonds nicht mehr zum Anlegerbedürfnis, hat sich seine Qualität verschlechtert oder gibt es inzwischen andere, bessere Lösungen, so kann ein Switch-Vorschlag generiert werden. Es ist also tatsächlich zu geringen Kosten und mit hoher Qualität möglich, jedem Anleger sein massgeschneidertes Portfolio anzubieten, zu dem er auch in schlechten Zeiten stehen wird.
Matthias Weber schloss 1989 an der Universität St. Gallen in Betriebswirtschaft und Operations Research ab und absolvierte später ein MBA in International Wealth Management der Universität Genf und der Carnegie Mellon University in Pittsburgh. Nach einigen Jahren in der Konsumgütermarktforschung trat er 1995 der Bank Leu (heute Credit Suisse) als Analyst bei und war schliesslich Managing Director Investment Research & Consulting sowie stellvertretender CIO. Seit 2006 ist er bei ifund services AG als Partner und CIO verantwortlich für Fondsresearch und Investment Advisory.