«Der Minimum-Varianz-Ansatz stösst auf grosses Interesse»

18.02.2016
Herr Poulin, Sie haben vor einigen Tagen Ihre Minimum-Varianz-ETF-Palette um den Ossiam Japan Minimum Variance NR UCITS ETF 1 C (EUR) erweitert. Wie lässt sich der ETF kurz beschreiben?
Mit dem Ossiam Japan Minimum Variance NR UCITS ETF 1 C (EUR) können Anleger in ein breit diversifiziertes Portfolio japanischer Aktien investieren, das in einem streng systematischen Prozess zusammengestellt wird - mit dem Ziel, die Volatilität gegenüber dem traditionellen, kapitalgewichteten Aktienindex signifikant zu reduzieren, ohne dass dadurch die Ertragschancen zwangsläufig sinken. Auf Seiten der Investoren besteht schon seit einiger Zeit ein starkes Interesse am japanischen Markt. Mit dem neuen ETF erhalten sie nun die Möglichkeit, von den Chancen am japanischen Aktienmarkt zu profitieren und dabei einen Mehrwert in Form einer Risikoreduktion zu erzielen.
Wie genau funktioniert der Minimum-Varianz-Ansatz?
Minimum-Varianz-ETFs gewichten die Aktien im Portfolio nicht nach ihrem Börsenwert, sondern anhand ihrer Volatilität. Statistische Analysen haben gezeigt, dass sich die Ranglisten der Volatilitäten von Aktien in einem bestimmten Investmentuniversum über längere Zeit auf einem ähnlichen Niveau halten. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen werden nach einem systematischen Verfahren aus dem jeweiligen Investmentuniversum die Titel mit der geringsten Volatilität und der niedrigsten Korrelation zu anderen Titeln des Marktes ausgewählt, was sich beim Ossiam Japan Minimum Variance NR UCITS ETF 1 C (EUR) im Japan Minimum Variance Index (NR) widerspiegelt. Je niedriger die Volatilität, desto höher ist das Gewicht im Minimum-Varianz-Index. Als Ergebnis schneiden die Minimum-Varianz-ETFs bei vorübergehenden Kurseinbrüchen tendenziell besser ab als traditionelle Indizes. Diese Eigenschaft stösst bei Investoren auf grosses Interesse. Es gibt am Markt daher eine ganze Reihe von Minimum-Varianz-ETFs vieler verschiedener Anbieter, die sich allerdings in ihrer Herangehensweise unterscheiden und daher auch unterschiedliche Ergebnisse hinsichtlich Performance und Risiko erzielen.
Und was sind hier die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale?
Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale liegen im Implementierungsprozess und in der Formulierung geeigneter Nebenbedingungen, die gewährleisten, dass der Ansatz die formulierten Ziele so effizient wie nur möglich erreicht werden. Wichtige Voraussetzung dafür ist für uns, dass sich der Ansatz in jedem denkbaren Marktumfeld streng systematisch und ohne Korrektiv durch menschliche Interventionen durchhalten lässt. Zudem müssen die Nebenbedingungen sicherstellen, dass das Portfolio ausreichend diversifiziert ist - und dies unter allen Marktbedingungen bleibt. Sie müssen darüber hinaus jegliche Risiken adressieren, die ausserhalb der Kontrolle des Investmentmodells selbst liegen. Beispiele sind hier das Liquiditätsrisiko oder idiosynkratische Risiken.
Der Ansatz der Ossiam-Minimum-Varianz-ETFs basiert dabei nicht nur auf der Auswahl von Aktien mit niedriger Volatilität, was bereits zu einer signifikanten Reduzierung der Volatilität des Portfolios gegenüber einem vergleichbaren nach Marktkapitalisierung gewichteten Index führt. Zusätzlich achten wir noch auf die historischen Korrelationen zwischen den einzelnen Aktien. Denn eine niedrige Korrelation der Aktien untereinander senkt das Gesamtrisiko eines Portfolios. Je geringer die Korrelation, desto grösser ist also der Diversifikationsnutzen. Mittels eines mathematischen Optimierungsprozesses zur Minimierung der erwarteten Portfoliovarianz bestimmen wir unter Berücksichtigung der Volatilitäten und Korrelationen schliesslich, welche Aktien mit welcher Gewichtung im Portfolio berücksichtigt werden sollten.
Selbstverständlich achten wir bei der Umsetzung unserer Minimum-Varianz-Strategie nicht nur darauf, dass die gesetzten Investmentziele erreicht werden, sondern auch darauf, dass die klassischen Vorteile passiven Investierens wie Transparenz und geringe Kosten erhalten bleiben.
Wie wurde bisher der Minimum-Varianz-Ansatz von Anlegern aufgenommen und inwieweit hat sich die Strategie bisher für den Anleger bezahlt gemacht?
Institutionelle Investoren wie auch viele erfahrene Privatanleger haben erkannt, dass der von uns konsequent angewandte systematische Anlageansatz erwiesenermassen einen Mehrwert in Form einer signifikanten Risikoreduktion gegenüber Produkten, die einem nach Marktkapitalisierung gewichteten Index folgen, liefert. Das bestätigt beispielsweise die Kursentwicklung des im Juni 2011 aufgelegten Ossiam iSTOXX Europe Minimum Variance NR UCITS ETF 1C (EUR). Der ETF enthält im Durchschnitt 70 bis 90 der im Investmentuniversum liquidesten und schwankungsärmsten europäischen Aktien. Seit seiner Auflage erzielte der Ossiam iSTOXX Europe Minimum Variance NR UCITS ETF 1C (EUR) eine Rendite von 59,97 Prozent, der Vergleichsindex STOXX Europe 600 dagegen nur 43,79 Prozent - und dies bei einer deutlich geringeren Volatilität von 12,29 Prozent im Vergleich zum Gesamtmarkt (17,55 Prozent).
Das Produktrepertoire von Ossiam ist im Vergleich zu anderen Anbietern relativ klein.
Das hat mit unserer Unternehmensphilosophie tun. Im Gegensatz zu anderen Anbietern, die über eine grosse Produktpalette verfügen und auf eine breite Abdeckung des Marktes abzielen, setzen wir auf ein klar definiertes Portfolio innovativer Produkte. In Bezug auf Produkteinführungen gehen wir daher auch sehr selektiv vor - immer mit dem Ziel vor Augen, für Investoren einen Mehrwert zu schaffen. Jede mögliche Strategie wird von uns umfassend getestet, bevor wir uns dazu entschliessen, sie Investoren in Form eines ETF, eines Spezialfonds oder eines Mandats anzubieten. Das Wachstum unserer Assets under Management (AuM) bestärkt uns darin, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Unsere AuM konnten wir in den vergangenen drei Jahren verdreifachen und verwalteten per Ende 2015 mittlerweile insgesamt rund 2,1 Mrd. Euro.
Sie arbeiten eng mit Wissenschaftlern zusammen. Mitunter fliessen die Erkenntnisse von ihnen auch direkt in Ihre Strategie ein.
Das ist richtig. Zum einen haben wir einen wissenschaftlichen Beirat aus renommierten Universitätsprofessoren und Ökonomen installiert, der als Schnittstelle zwischen unserem eigenen Research Team und der akademischen Forschung fungiert. Der Beirat bietet einen externen Blick auf unsere Strategien und unser Research. Zum anderen fliessen die Erkenntnisse von Wissenschaftlern auch direkt in einige unserer Strategien ein. So basieren zum Beispiel unsere beiden ETFs aus der Shiller-Produktfamilie auf der vom US-Ökonomen und Nobelpreisträger Robert Shiller entwickelten CAPE Ratio. Die ETFs nutzen das auch als Shiller-KGV bekannte konjunkturbereinigte Kurs-Gewinn-Verhältnis, um eine Sektorrotationsstrategie zu konstruieren. Mit ihr erhalten Anleger die Möglichkeit, an der Wertentwicklung der jeweils potenziell am stärksten unterbewerteten US- oder europäischen Branchen zu partizipieren. Diese Strategie zielt darauf ab, im Vergleich zu herkömmlichen Value-Strategien für Anleger einen Mehrwert zu schaffen.
Setzen Sie zukünftig auf eine Ausweitung des Strategie-Angebots?
Wir wollen uns auch weiterhin auf Smart-Beta-Strategien fokussieren, da wir eine weiter steigende Nachfrage nach innovativen, systematischen Anlagestrategien insbesondere von institutionellen Investoren sehen und es einige neue Marktsegmente gibt, die es zu besetzen gilt. So werden wir die Smart-Beta-ETF-Palette auf weitere Anlageklassen und Risikoprofile ausweiten. Zudem werden wir unsere Produkte in Europa systematischer vermarkten und haben dabei auch Asien und den Mittleren Osten im Blick. Der Fokus ist dabei stets, Investoren durch innovative, researchgetriebene Ansätze einen echten Mehrwert zu bieten. Nachahmerprodukte wird es von uns nicht geben.
Bruno Poulin ist einer der Gründer und CEO von Ossiam, des auf Smart-Beta-Strategien spezialisierten Vermögensverwalters. Bevor Ossiam von ihm im Jahr 2009 mitgegründet wurde, arbeitete er acht Jahre lang als stellvertretender Chief Investment Officer (CIO) und Head of Quantitative Research bei Systeia Capital Management. Sein Aufgabengebiet umfasste dabei die Verwaltung von mehreren Alternativen Fonds. Von 1989 bis 2001 arbeitete Bruno Poulin als Managing Director bei der Société Générale in Tokio und Paris, wo er Positionen in den Bereichen Handel und Strukturierung innehatte. Er absolvierte die Sciences Po (Institut d’Etudes Politiques de Paris) und hält einen Master-Abschluss in Finanzwesen der ESCP Europe Business School.