Der Wachstumstrend bei nachhaltigen ETFs hält an

Head of Business Development ETF & Index Solutions - Deutschland, Österreich, Deutschschweiz
BNP Paribas Asset Management, München
easy.bnpparibas.ch
13.12.2022
Herr Hecher, Nachhaltigkeit ist in Ihrem Haus ein zentrales Thema. Wie setzen Sie das in Ihren ETFs um?
Als europäischer Anbieter müssen wir sicherstellen, dass ein Index, den wir in einem unserer ETFs abbilden, die regulatorischen Voraussetzungen der EU-Offenlegungsordnung erfüllt, um nach Art. 8 oder 9 klassifiziert werden zu können. Unter denjenigen, die nach Art. 8 klassifiziert, wollen wir sicherstellen, dass diese auch als nachhaltig im Vertrieb im Sinne der MiFID gelten, die wenigen «9er» sind es ohnehin. Dies lässt sich beispielsweise durch Berücksichtigung von nachteiligen Auswirkungen in einer Anlage darstellen. Von den 64 ökologischen und sozialen Indikatoren, die sich in grössere Kategorien wie Treibhausgasemissionen, Artenvielfalt oder Wasser einteilen lassen, sind 18 Kernindikatoren. Im nächsten Schritt prüfen wir Vorschriften einzelner Länder für nachhaltige Investments wie zum Beispiel die «AMF Doctrine» für Frankreich oder Branchenstandards wie das «Zielmarktkonzept der Verbände» für Deutschland. Schliesslich haben wir sicherzustellen, dass die Indexregelwerke Mindestausschlüsse beachten, die von Umweltsiegeln vorgegeben werden. Dazu gehören das belgische «Towards Sustainability Label», das französische «Label ISR» oder das «FNG-Siegel» für den deutschsprachigen Raum. Sie sehen, die Anforderungen an die Ausgestaltung unserer ETFs sind hoch.
Sagen das nicht alle?
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Während die Einteilung nach EU-Offenlegungsverordnung durch den Asset Manager selbst erfolgt, kann nur ein Nachhaltigkeitssiegel für eine geeignete Qualitätskontrolle sorgen. Das «FNG-Siegel» ist der Qualitätsstandard für nachhaltige Investmentfonds im deutschsprachigen Raum. Die ganzheitliche Methodik des «FNG-Siegels» basiert auf einem Mindeststandard. Dazu zählen Transparenzkriterien und die Berücksichtigung von Arbeits- und Menschenrechten, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung, wie sie im weltweit anerkannten «UN Global Compact» zusammengefasst sind. Auch müssen alle Unternehmen des jeweiligen Fonds explizit auf Nachhaltigkeits-Kriterien hin analysiert werden und das Produkt eine explizite Nachhaltigkeits-Strategie vorweisen. Investitionen in Atomkraft, Kohle- und Uranbergbau, bedeutsame Kohleverstromung, Fracking, Ölsand sowie Waffen und Rüstung sind tabu. Darüber hinaus spielen Elemente wie Reporting, Kontroversen-Monitoring, die Einbindung von Stakeholdern und die Fondsgesellschaft als solche eine wichtige Rolle. Wir haben am 24. November 2022 die Bestätigung erhalten, dass das «FNG-Siegel» für zehn unserer Aktien- und Anleihen-ETFs für das Jahr 2023 erneuert wurde und drei weitere Low Carbon ETFs erstmalig ausgezeichnet wurden. Schliesslich sind wir neben zahlreichen aktiven Asset Managern der einzige ETF-Anbieter, der ETFs mit dem «FNG-Siegel» in seinem Sortiment vorweisen kann.
Konkret: haben Sie Produkte mit Alleinstellungsmerkmalen?
Bei den thematischen ESG-Aktien-ETFs haben wir mehrere Unikate im Angebot, von denen ich zwei hervorheben möchte. Der vor ca. drei Jahren aufgelegte ETF für Kreislaufwirtschaft kann erfreuliche Absatzerfolge vorweisen und hat beim verwalteten Vermögen die 670 Mio. Euro-Marke überschritten. Mit diesem ETF können Anleger auf die Wertentwicklung von 50 internationalen Large-Cap-Aktien setzen, die aufgrund ihres aktiven Beitrags zu dem auf der Zirkularität von Waren, Materialien und Rohstoffen basierenden Wirtschaftsmodell ausgewählt werden. Diese werden in mehrere Kategorien eingeteilt: zirkuläres Konzept, Rückgewinnung von Materialien, Verlängerung der Produktlebensdauer, Sharing-Plattformen und Angebot von Produkten als Dienstleistungen (Cloud, Leasing, Warenaustausch).
Innovativ war die Auflage des ETF für Blue Economy im Oktober 2020. Der Index umfasst fünfzig Unternehmen, die nicht nur im Bereich der Meeresenergien und -ressourcen (Offshore-Windenergie, Meeresbiotechnologie, Gezeitenenergie), sondern auch auf den Gebieten Küstenaktivitäten (Küstenschutz, Ökotourismus), Fischerei und Aquakultur, Reduzierung der Umweltverschmutzung (Recycling-/Abfallentsorgungsunternehmen, Umweltdienste) und schliesslich Seeverkehr (Containerschifffahrt, Schiffsausrüstung) positiv tätig sind. Es ist der einzige ETF, der das UN-Entwicklungsziel Nr. 14 (Leben unter Wasser) neben weiteren im Fokus hat.
Sie sind in der ETF-Industrie in Deutschland und der Schweiz sehr bekannt, kennen das Geschäft in- und auswendig. Wie optimistisch sind Sie fürs 2023?
Die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beinhalten weiterhin Risiken für die Kapitalmärkte, die wir mit ins neue Jahr nehmen. Trotz der schwierigen Marktstimmung waren wir im Jahr 2022 bis Stand heute mit über 4 Mrd. Euro Nettomittelzuflüssen in unsere Palette sehr erfolgreich. Unabhängig davon bin ich insbesondere für die Produktkategorie ETF sehr optimistisch. Das liegt vor allem daran, dass immer mehr Privatanleger die Vorteile von ETFs wie niedrige Gebühren und unkomplizierter Handel zu schätzen wissen. Der Branchenriese BlackRock rechnet bis 2026 mit 500 Mrd. Euro, die über digitale Handelsplattformen in den europäischen ETF-Markt fliessen sollen¹. Wir können diesen Trend bereits heute an den stark steigenden Abschlusszahlen für ETF-Sparpläne feststellen. BNP Paribas Asset Management hat fast ausschliesslich ETFs im Angebot, die nachhaltige Indizes abbilden. Der Trend hin zu solchen Produkten verstärkt sich trotz der gegenwärtigen Renaissance von Aktien der Öl- oder Waffenindustrie, die in nachhaltigen ETFs idealerweise gar nicht oder nur mit geringer Dosis vertreten sind.
¹ Quelle: etfstream.com, 06.12.2022
Link zum Disclaimer
Claus Hecher leitet seit Juli 2016 das ETF-Geschäft von BNP Paribas Asset Management im deutschsprachigen Raum. Nach mehreren Jahren im Derivategeschäft ist er seit 2008 in der ETF-Branche tätig.