«Die angewandte Quantforschung ist seit der Studienzeit meine Passion»

31.01.2019
Herr Nardon, Sie sind ein weit über Grossbritannien hinaus bekannter Quant-Spezialist. Wie haben Sie sich diesen Ruf erschaffen?
Gerne fasse ich dies als Kompliment auf!
Die angewandte Quantforschung ist seit der Studienzeit meine Passion und um erfolgreich zu sein, muss man sich kontinuierlich weiterentwickeln. Die Annahmen in den von uns verwendeten Modellen müssen ständig hinterfragt werden, da sich die Welt leider nicht so verhält, wie es oft in ökonomischen Büchern gelehrt wird. Der Erfolg kann auf verschiedene Weise gemessen werden. Wenn ich am Jahresende auf die vergangenen zwölf Monate zurückblicke, analysiere ich, wie ich mich in Bezug auf Performance und neue Strategien entwickelt habe und strebe an, im kommenden Jahr positiv darüber hinaus zu wachsen.
Was für Dienstleistungen bietet Ihr Haus an?
Sarasin & Partners ist ein Investmentmanager. Daher bieten wir eine Vielzahl von Anlagelösungen für unsere Kunden an. Ich bin stolz, Teil dieser Familie zu sein, mit einer starken Leidenschaft für Evolution und Technologie, die unsere Arbeitsweise immer schneller verändert. Im quantitativen Bereich haben wir bisher vorwiegend Lösungen in Aktien angeboten. Darüber hinaus werden künftig auch andere Anlageklassen offeriert werden, und ich erwarte, dass wir den Markt schon sehr bald mit neuen und originellen Produkten begeistern können.
Und wer sind Ihre Kunden?
Als Unternehmen konzentrieren wir uns auf Wohltätigkeitsorganisationen, sehr vermögende Privatkunden (UHNWI) und institutionelle Anleger in Grossbritannien und im Ausland. Die Quant-Investment-Einheit von Sarasin fokussiert sich vor allem auf institutionelle Kunden. In den letzten Jahren hat unser Team mit einigen der grössten Vermögensinhaber der Welt zusammengearbeitet. Viele der neuen Produktideen wurden durch diese Investoren inspiriert. Unsere quantitativen Anlagelösungen sind in der Regel sehr technisch sowie massgeschneidert und passen daher gut zu den Anforderungen vieler institutioneller Investoren. In Zukunft erwarten wir die Akzeptanz von Smart-Beta-Lösungen auch von den Privatkunden, jedoch haben wir dies bisher nicht gesehen.
Das Thema «Factor Investing» ist ein grosser Trend. Es gibt unzählige Fonds und ETFs dafür. Können Sie ein paar Worte zu dieser komplexen Materie sagen?
Es ist eigentlich einfacher als es klingt. Marktkapitalisierung hat die Szene eindeutig dominiert, aber dies wird sich wahrscheinlich bald ändern. Um dies zu sehen, müssen wir einen Schritt zurücktreten und verstehen, weshalb passive Anlagen erfolgreich sind. Die Antwort liegt in einem spezifischen Merkmal des Aktienmarktes, der Asymmetrie von Renditen, was bedeutet, dass jedes Jahr, in fast jedem einzelnen Aktienindex, eine kleine Teilmenge von Gewinnern vorhanden ist, die die Marktentwicklung beeinflusst. Wenn wir also wissen, dass ein kleiner Teil die Indexrendite beeinflusst, aber wir wissen nicht, wer die Gewinner sein werden, habe ich dann mehr oder weniger Chancen, den Markt mit einem konzentrierten Portfolio zu übertreffen? Definitiv geringere Chancen, es sei denn, ich weiss etwas, das andere Anleger nicht wissen. Der Vorteil von passiv ist somit die grössere Diversifikation. Denn es ist Tatsache, dass man beim Kauf von einer Vielzahl von Aktien stärker diversifiziert ist als bei einem aktiven Produkt. Passiv beinhaltet aber auch ein weiteres Merkmal, nämlich die Gewichtung der Marktkapitalisierung. Es gibt keine Belege dafür, dass Unternehmen mit einer grösseren Marktkapitalisierung in Zukunft besser abschneiden werden als andere. Dies ist der Hauptgrund für die Bedeutung von «Factor Investing». Anstatt Aktien auf Basis ihrer Marktkapitalisierung zuzuteilen, ordnen wir eine Reihe von Faktoren zu, die sich in der Vergangenheit als überlegen erwiesen haben. Dies sind die sogenannten Risikoprämien, d.h. Value, Quality, Momentum, Low Volatility und Small Cap.
Was gibt es sonst noch Spannendes in der «Quant-Welt»?
«Short term Tradingl»! Die Regulierungsbehörde hat mit MiFID die Marktteilnehmer gezwungen, jeden Handel unverzüglich zu veröffentlichen. Der Markt ist transparent! Sie können sehen, was los ist und ungewöhnliche wiederkehrende Muster erkennen. Dies ist ein Bereich, in dem Künstliche Intelligenz an grosser Relevanz gewinnt, beispielsweise mit ihrer nichtlinearen Modellierungsfähigkeiten Marktstrukturen zu beobachten und ungewöhnliche Verhaltensweisen zu erkennen. Dies führt zu kurzfristigen Trades, welche nicht notwendigerweise im Hochfrequenzbereich liegen, jedoch eindeutig kurzfristig sind. Dieser Bereich ist absolut faszinierend, und wir werden in den nächsten Jahren einen stärkeren Einsatz von quantitativen Spezialisten sehen.
Link zum Disclaimer
Andrea Nardon ist seit über 20 Jahren als Quant Portfolio Manager und Researcher tätig. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Venedig, wo er über ein Jahr an der Fakultät für Mathematik mit Schwerpunkt auf Anwendungen von neuronalen Netzen und «Neuro Fuzzy Logic» für Finanzzeitreihen arbeitete. Nardon leitet derzeit mehrere Projekte zu «Artificial Intelligence» (Künstliche Intelligenz) und «Machine Learning». Zudem kodiert er in mehreren Programmiersprachen.