«Die Bewertungen im Tech-Sektor sind sehr fair»

10.02.2016
Herr Ripatti, technologische Megatrends versprechen auch in turbulenten Zeiten Wachstum. Wie viel können die Kurse von Tech-Aktien 2016 zulegen?
Der Start ins neue Jahr ist auch Technologie-Aktien missglückt. Der Technologie-lastige Nasdaq Composite Index büsste seit Jahresbeginn rund 10 Prozent seines Wertes ein. Positiver Nebeneffekt: Im Zuge der Korrektur sind die Bewertungen wieder auf den historischen Schnitt zurückgefallen. Aktuell werden Technologieaktien mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 16 gehandelt. Im Sektorenvergleich rangiert Technologie damit im Mittelfeld. Wenn man die Wachstumsaussichten und die hohen Cashflows der etablierten Spieler sieht, ist die Bewertung sehr fair. Die hohen Cashflows sollten auch wieder Investoren anziehen. Wir erwarten für 2016 zwar ein volatiles, aber gewinnbringendes Aktienjahr. Für Technologieaktien rechnen wir unter dem Strich mit Zuwächsen von ca. acht Prozent.
Doch ist nicht davon auszugehen, dass alle Technologieaktien sich gleich entwickeln werden. Wie trennen Sie die Spreu vom Weizen?
Steigern lässt sich die Performance mit gezieltem Stockpicking, dass das Osloer Team um Anders Tandberg-Johansen bestens beherrscht. Unser Technologie-Fonds hat durch eine gezielte Titelauswahl über die letzten fünf Jahre eine Performance von 13 Prozent pro Jahr zu Stande gebracht und sich damit an die Spitze aller globalen TMT-Fonds gesetzt. Unser vielsagender Track-Record reicht allerdings bis 2001 zurück, als Anders und Sverre Bergland das Tech-Team ins Leben riefen. Um die Titelauswahl im riesigen Technologie-Universum zu optimieren, haben wir sechs technologische Megatrends identifiziert. Diese Trends sorgen langfristig für hohe Wachstumsraten, und dies weitgehend unabhängig von konjunkturellen Schwankungen. Konkret sind das die weitere Verbreitung des Internets vor allem auch in den Emerging Markets, die Verbindung von Gegenständen mit dem Internet - das sogenannte Internet of Things -, die Fragmentierung des TV über Anbieter wie Netflix, Apple TV oder Amazon, die Digitalisierung von Finanzdienstleistungen unter dem Stichwort Fintech sowie Cypersecurity und Cloudcomputing.
Was halten Sie vom Cloudcomputing?
Die Zeiten sind vorbei, in denen noch diskutiert wurde, ob immer mehr Daten und Dienstleistungen in die Datenwolke verlegt werden. Cloudcomputing ist in der Gegenwart angekommen. Jetzt wird diskutiert, wer die Gewinner und Verlierer des Trends zum Cloudcomputing sind. Zu den Gewinnern zählen wir Oracle und SAP. Diese eingesessenen IT-Konzerne sind in diesem Trend hervorragend positioniert und zeichnen sich noch dazu durch hohe Profitabilität, grosse Innovationskraft und niedrige Bewertung aus. Oracle wird beispielsweise mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12 gehandelt.
Sind Sie auch im Bereich Cybersecurity investiert?
Nein, zurzeit nicht. Die hohen Bewertungen sind aber nicht der alleinige Grund dafür. Cybersecurity bleibt ein höchst interessantes Geschäftsfeld. Immer mehr sensible Daten wandern ins Internet. Alleine bei Facebook sind 1,5 Milliarden Nutzer registriert und 1,4 Milliarden Menschen nutzen Android. Auch Firmen und Behörden lagern zunehmend Daten aus. Das Wachstumspotenzial ist gross, aber die Bewertungen sind bisweilen zu hoch. Wir sind bei unserem Ansatz sehr diszipliniert. Für unseren Investmentansatz stehen volle Kassen und starke Cashflows im Vordergrund. Trends sind wichtig, Luftschlösser kaufen wir aber nicht. Dieser Fokus auf die Profitabilität hat sich in der gesamten IT-Branche durchgesetzt. Machten während der Dot.com-Blase nur 50 Prozent der Technologie-Firmen Gewinne, sind es derzeit mehr als 90 Prozent. Zudem horten die Tech-Giganten jede Menge Cash. Bei Apple sind es 140 Mrd. US-Dollar, Google hat 70 und Facebook 20 Mrd. US-Dollar auf die Seite gelegt.
Wie entwickelt sich der Technologie-Bereich weiter?
Besonders attraktiv ist die Technologie-Branche durch ihre disruptive Kraft. Die Digitalisierung oder neue Organisation vieler Dienstleistungen stellt ganze Branchen auf den Kopf. Der technologischen Wandel bricht gerade über die Finanzbranche herein. Der Ex-CEO von Barclays, Antony Jenkins, sagte für die Finanzindustrie bereits einen «Uber-Moment» voraus. Uber setzt mit seiner disruptiven Dienstleistung die Taxibranche gehörig unter Druck. Im Trendthema Fintech mischen aber weniger grosse als vielmehr unzählige kleine Spieler die traditionellen Strukturen auf. Mehr als 1’000 Unternehmen sind im Fintech-Bereich aktiv. Es tut sich extrem viel. Die kleinen Unternehmen setzen sich mit fortschrittlicher Technik in spezifischen Segmenten durch.
Welche Auswirkungen sehen Sie auf die Medienwelt?
Die Medienwelt ist voll im Wandel begriffen. Norwegische Kinder verbringen bereits mehr Zeit im Internet als vor dem Fernseher. YouTube ist in den USA bereits der grösste TV-Sender. Selektives Sehen über «Video on Demand» ist angesagt. Der Konsument kann entscheiden, welche Inhalte er sieht, wann er sie sieht und auf welchem Gerät. Das sind die Killer-Applikationen. Netflix oder Amazon Prime sind die grössten Anbieter. Sie profitieren vom Trend zur Fragmentierung des TV-Geschäfts.
Und über allem steht Google?
Ja, bei den meisten Trends ist Alphabet sehr gut positioniert. Zu dieser Holding gehören Google und YouTube. Wegen dieser guten Positionierung und der nicht übertrieben hohen Bewertung befindet sich der Suchmaschinen-Riese auch in unserem Technologie-Portfolio. Als grösstes Risiko sehen wir die Regulierung. Besonders seitens der Europäischen Union droht Gegenwind.
Wie sehen Sie die Entwicklung von Apple?
Die Technologiebranche stellt nicht nur althergebrachte Industrien auf den Kopf, sondern wandelt sich auch selbst. Zuletzt hatte Alphabet mit seiner Bewertung Apple kurzzeitig als das wertvollste börsenkotierte Unternehmen abgelöst. Der iPhone-Hersteller fiel im Vorjahr bei den Anlegern durch. Das Papier verlor binnen eines Jahres knapp 30 Prozent an Wert. Auch wenn der Markt für iPhones gesättigt scheint und Apples Abhängigkeit von den Mobiltelefonen - dort erwirtschaften sie zwei Drittel des Umsatzes - gross ist, zeichnet sich der Konzern durch eine starke Marke, hohe Cash-Reserven und besonders grosse Skaleneffekte aus.
Der 1972 geborene Finne Mikko Ripatti ist Senior Portfolio Manager und unterstützt bei DNB Asset Management das Investment Research und die Portfolio-Analyse. Zwischen 2007 und 2015 arbeitete er in Helsinki als Fondsmanager bei FIM Asset Management. Dort war der Finanzexperte als Teil des Emerging Market Teams für Investments in den lateinamerikanischen Märkten verantwortlich. FIM ist in den Emerging Markets bereits seit den 1990-er Jahren aktiv. Zwischen 2000 und 2007 arbeitete Ripatti beim finnischen Konzern Nokia in verschiedenen Positionen in Finnland und Lateinamerika. Der Fokus lag auf Strategie, Marktanalyse und der Entwicklung von neuen Geschäften. Mikko Ripatti hält einen Master-Abschluss in Economics und Business Administration der finnischen Turku School of Economics. Er spricht Finnisch, Schwedisch, Englisch, Portugiesisch und Spanisch.