«Die Finanzkennzahlen der Minenunternehmen zeigen einen Umschwung»

Leiter Marketing & Distribution
Craton Capital (Schweiz) AG, Zürich
cratoncapital.com
01.04.2015
Herr Bachmann, Rohstoffe und Edelmetalle befinden sich seit über vier Jahren im Abschwung. Zu Recht?
Ja, für 2012 und 2013. Da mussten die Übertreibungen des vorangegangen Wachstumszyklus bereinigt werden, was einerseits die Rohstoff- und Metallpreise beeinflusste und andererseits jedes einzelne Unternehmen selber. Dieser Vorgang ist grösstenteils abgeschlossen, weshalb ich Ihre Frage hinsichtlich 2015 mit «zu Unrecht» beantworten möchte.
Wie sieht die Situation denn derzeit bei Gold- und Minenaktien aus?
Seit Beginn 2013 ist Gold in US-Dollar 29 Prozent gefallen und Industriemetalle teilweise über 50 Prozent. Der S&P 500 Index stieg um 45 Prozent, die aggregierten Gewinnschätzungen der Unternehmen jedoch nur um 6 Prozent. Der handelsgewichtete US-Dollar-Index DXY steigerte sich um 23 Prozent, aber die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen expandierte nur um 16 Basispunkte. Während sich die operativen Margen der Gold- und Minenproduzenten stabilisiert haben und trotz der tieferen Metallpreise nun am Start eines Expansionstrends stehen, erreichen die prognostizierten Nettogewinnmargen der S&P 500 Firmen in 2015 den Höhepunkt und flachen danach ab. Das Verhältnis des S&P 500 Index zum Bloomberg Commodity Index hat sich auf historisch hohe 21,1 mal mehr als verdoppelt und der GDX Gold ETF in Relation zum Goldpreis handelt beim Tiefststand. Kurzum, der Markt bewertet Gold- und Rohstoffminen auf den niedrigsten Niveaus seit Jahrzehnten, trotz der positiven strategischen Neuausrichtung und der operativen Verbesserungen des Rohstoffsektors als Ganzes (Energie mal ausgeklammert). Dies reflektiert das Desinteresse der Investoren, zu Unrecht, wie wir meinen.
Ist diese negative Entwicklung nicht auch ein Abbild des hohen US-Dollar infolge der Erwartung einer Trendumkehr des US-Zinszyklus aufgrund der erstarkten amerikanischen Wirtschaft?
Dieses Argument wird sehr oft benutzt, um die Entwicklung der US-Währung zu erläutern. Nur, auf eigenständiger Basis ist der US-Dollar überbewertet. Anhaltend negative Handelsbilanzentwicklung und eine Verschuldung, die durch das derzeitige und erwartete Bruttosozialprodukt-Wachstum bei weitem nicht abgebaut werden kann, sind der beste Beweis dazu. Übrigens, das Ausmass des US-Wirtschaftswachstums hat die Erwartungen seit 2012 immer wieder verfehlt, die Erholung ist angesichts des finanziellen Stimulus schlichtweg enttäuschend. Und deswegen soll der Dollar so stark steigen? Nein. Die Dollarstärke ist auf relativer Basis zu erklären, weil das globale Währungsabwertungsrennen an den USA aussen vorbei geht und somit eine Dynamik in Gang gesetzt hat, die unheimlich hohen globalen Carry-Trade-Bestände aufzulösen. Dies führt aber dazu, dass die USA, sofern sie nichts tun, letztendlich den Schwarzen Peter in den Händen halten werden. Weil ihre Wirtschaft vom Konsum und somit vom Import lebt, werden sie die tiefen Preisniveaus ihrer Handelspartner importieren. Dies wiederum kann nicht zu Zinsanstiegen und weiterer Dollarstärke führen, einem Hauptargument wider höherer Edelmetall- und Rohstoffpreise.
Ein Zinsanstieg in den USA dieses Jahres ist doch negativ sowohl für Gold als auch Rohstoffe?
Zum einen sprechen wir seit 2013 von diesem Zinsanstieg in 2014 oder 2015. Vor 12 Monaten prognostizierte der Markt eine Erhöhung der US Fed Fund Rates um 100 Basispunkte in vier Quartalsschritten. Resultat? Null! Erinnern sich der Markt und die Analysten noch an ihre Prognosen und agieren sie konsistent? Es scheint sich zu bestätigen, wie von Craton Capital schon mehrere Male indiziert (auch in diesem Forum), dass die realen US-Zinsen länger tief oder sogar negativ bleiben werden als weitherum prognostiziert. Zum andern hat das World Gold Council in einer vertieften Studie einleuchtend dargelegt, dass die Korrelation zwischen US-Zinsen und beispielsweise Gold sodann verzerrt eingeschätzt wird, weil sich a) die Rolle der US-Zinsen per se (der Anteil der USA an der globalen Weltwirtschaft ist gesunken), somit b) der Einfluss des US-Dollar und c) die Zusammensetzung der physischen Goldnachfrage verändert hat. Der Markt liebt einfache Konzepte und Korrelationen, was jedoch zu fehlerhaften Beurteilungen führen kann. Die Marktbeeinflussung der Zentralbanken übertüncht derzeit die fundamentalen Unzulänglichkeiten.
Zurück zu den Rohstoffen. Wird die Abschwächung in China das Überangebot nicht zu wenig schnell abbauen, was weiter sinkende Preise indiziert?
Jein. Wir gehen davon aus, dass China eh schon schwächer wächst, als uns die Regierung vermitteln möchte. Im Bereich Eisenerz gebe ich Ihnen Recht. Die australischen Produzenten fahren eine unheimlich agressive Volumenstrategie, um teurere Produzenten aus dem Markt zu drängen. Dies kann noch andauern, weil der politische Prozess, die teure überschüssige Kapazität in China stillzulegen, langsam verläuft. In den Bereichen Zink, Kupfer und Nickel ist der Markt jedoch nahezu beim Gleichgewicht. Wir müssen uns eines vor Augen halten: Infolge der anhaltenden globalen Industrialierung und Urbanisierung ist der Tonnagenbedarf in den letzten 15 Jahren markant gestiegen. Wenn jetzt die aufstrebenden Länder ein oder zwei Prozente weniger stark wachsen, wird die Auswirkung davon überschätzt. Einerseits, weil die Minenunternehmen keine weiteren Produktionskapazitäten planen, respektive viel Kapazität bereits stillgelegt haben. Andererseits, weil der Aufholbedarf in Europa und den USA nicht in den Nachfragekalkulationen enthalten ist. Die Rohstoffpreise sind derzeit auch politisch (Öl) oder durch finanzielle Spekulation (beispielsweise Kupfer) beeinflusst und vermitteln oftmals ein unzulängliches Bild der zugrundeliegenden Angebots-Nachfrage-Dynamiken.
Wie operieren die Minen selber in diesem Umfeld?
Gleich wie in 2013 und 2014, nur jetzt mit anderem Erfolg. Exploration wird markant reduziert, Administration abgebaut, Unterhaltsinvestitionen auf das Minimum heruntergefahren, Expansionsabsichten gestrichen. Die Wirtschaftlichkeit und nicht mehr die Grösse der Projekte dominiert. Die Konsequenzen sind ein Abbau der Schulden, eine substanzielle Verbesserung der Cashflows, eine Stabilisierung der operativen Margen, oder einfach ausgedrückt, ein Turnaround der finanziellen Kennzahlen. Und dies alles bei Rohstoffpreisen, die 30 bis 50 Prozent oder noch tiefer ausfallen. Jemand soll mir einen anderen Sektor zeigen, der die gleiche Ausgangslage offeriert!
Wie lautet somit Ihr Fazit in diesem Anlageumfeld?
Ernüchternd. Spass beiseite. Anleger müssen sich bewusst sein, dass die Finanzmärkte weiterhin von den Zentralbanken bestimmt sind und kein wahres Bild der zugrundeliegenden Begebenheiten liefern. Insofern handeln die Investoren rational irrational. Dies kann andauern, nur spannt sich das Gummiband immer mehr. Investoren überschätzen die fundamentale Berechtigung für ihre Dollar- und Zinserwartungen und überzeichnen den Einfluss dieser Parameter auf den Goldpreis (Gold in anderen Währungen ist stark angestiegen). Rohstoffunternehmen haben ihre Hausaufgaben erledigt und stehen an der Schwelle eines Cashflow-Zyklus, vom Markt ignoriert. Das Risiko-Rendite-Verhältnis hat sich sehr vorteilhaft entwickelt. Da fast keine Gelder mehr in Rohstoff- und Edelmetallminen angelegt sind, ist die Ausgangslage sehr vielversprechend, zumindest für einen Anlagehorizont, der länger als ein Quartal dauert.
Wie können sich Investoren dafür positionieren?
Durch eine Bündelung qualitativ guter Unternehmen, die attraktives Produktions-, Cashflow- und Gewinnwachstum offerieren. Diese werden überdurchschnittlich profitieren. Diese findet der Investor jedoch nicht in ETFs abgedeckt, denn diese ETFs beinhalten viele qualitativ inferiore Unternehmen inklusive Konkurskandidaten. ETFs auf das Metall oder den Rohstoff haben zudem den Nachteil, dass diese den jetzt verbesserten operativen Cashflow und Reingewinnhebel der Unternehmen (hohe Dividendenrenditen sind nicht zu verachten) nicht offerieren können.
Matthias Bachmann stiess im Sommer 2012 zum Nischen-Assetmanager und Rohstoffspezialisten Craton Capital, den sein Bruder in 2003 in Johannesburg gegründet hatte. Nebst dem Produktevertrieb und der Leitung der Schweizer Niederlassung nimmt er auch strategische und regulatorische Aufgaben wahr. Er ist ausgebildeter Ökonom und Betriebswirtschafter und erlernte das Aktienhandwerk bei der UBS Investmentbank während zehn Jahren in verschiedenen Bereichen und Funktionen. Ab Sommer 2007 baute er als einer der Mitbegründer der Schweizer Niederlassung für das deutsche Aktienhaus MainFirst Bank ein neues Geschäft und Produkt mit auf.