«Die Fundamentaldaten der Biotech-Unternehmen sind besser als die Stimmung»

28.01.2016
Herr Dr. Koller, BB Biotech hat das Jahr 2015 mit einem positiven Ergebnis abgeschlossen, hatte aber mit Turbulenzen an den Märkten zu kämpfen. Wie sehen Sie die Entwicklung von BB Biotech rückblickend?
Wir sahen uns mit einer hohen Volatilität der Märkte konfrontiert. Insbesondere das dritte Quartal war von einer starken Korrektur im Biotech-Sektor geprägt, ausgelöst durch eine erneut aufgeflammte Diskussion über die Medikamentenpreise. Im Jahresverlauf hat der Biotech-Sektor grob skizziert die folgenden Phasen durchlaufen: Fortführung der 2014er Rally im ersten Quartal, Stagnation im zweiten, Korrektur im dritten und Erholung im vierten Quartal. Im Endergebnis wies der Sektor doch eine Gesamtrendite von knapp 12 Prozent aus, während die amerikanischen und europäischen Aktienmärkte das Jahr entweder unverändert oder mit einem Plus im mittleren einstelligen Bereich beendeten. Dank einer erfolgreichen Titelauswahl konnte BB Biotech gar eine deutliche Outperformance gegenüber dem massgeblichen Nasdaq Biotech Index erzielen.
BB Biotech hat die Dividende erneut deutlich angehoben auf 14.50 Schweizer Franken und dies zum vierten Mal in Folge. Können Sie diese für den Biotech-Sektor ungewöhnliche Massnahme erläutern?
Mit der 2013 eingeführten Ausschüttungspolitik will BB Biotech seine Aktionäre am Unternehmenserfolg teilhaben lassen. Zu diesem Zweck setzt BB Biotech die Massnahmen zur Rückführung von Kapital in einem Umfang von bis zu 10 Prozent jährlich fort. Ausschüttungen von ca. 5 Prozent bilden den einen Teil, kontinuierliche Aktienrückkäufe von bis zu 5 Prozent des Kapitals jährlich die zweite Komponente dieser Strategie. Im Vergleich zu den Unternehmen im Nasdaq Biotech Index ist BB Biotech tatsächlich eines der wenigen Biotechs, das eine Dividende ausschüttet: Von den 200 Werten trifft dies gerade mal auf 7 zu.
Wie erklären Sie sich die starken Kurseinbussen im Biotechsektor Anfang Januar 2016 - trotz erfreulichen Fundamentaldaten?
Die Biotech-Branche ist von der schlechten Investorenstimmung, die derzeit die Börsen weltweit überschattet, besonders betroffen. Dies hat man sehr gut an der JP Morgan-Konferenz Anfang Jahr in San Francisco gemerkt. Diese Konferenz ist eine der grössten Investorenveranstaltungen im Bereich Healthcare und kann als Stimmungsbarometer für die ganze Branche gewertet werden. Die Konferenz wies zwar eine rekordhohe Besucherzahl auf, es hat sich aber eine getrübte Stimmung breit gemacht. Dies hing letztlich vor allem mit zwei Punkten zusammen: Erstens wurde, anders als in den Vorjahren, kein Hype ausgelöst, da spektakuläre Ergebnisse für das Jahr 2016 bei fast allen Präsentationen fehlten. Dazu kam die aktuelle Lage der Märkte, die einen starken Kontrast zu der fast schon euphorischen Stimmung der letzten Jahre im Biotech-Sektor bildete. Ein gutes Beispiel dafür ist Celgene. Obwohl dieses Unternehmen weiterhin mit guten Fundamentaldaten überzeugt, stellte es auf der Konferenz keine bahnbrechenden Neuheiten/positiven Überraschungen vor. Dies hat schon ausgereicht, um die vorsichtige Stimmung unter den Investoren zu bestätigen. Die grosse Aufbruchsstimmung, die oftmals nach der JP Morgan-Konferenz im Sektor herrscht, blieb diesmal weitgehend aus.
Die teils scharfen Kurskorrekturen haben auch das Bewertungsniveau nach unten gedrückt. Ist dies ein guter Einstiegszeitpunkt für Investoren?
Die Fundamentaldaten der Biotech-Unternehmen sind besser als die aktuelle Börsenstimmung vermuten lässt. Tatsächlich beläuft sich das durchschnittliche Gewinnwachstum der profitablen Biotechs im Zeitraum 2014 bis 2017 auf 12,1 Prozent. Dagegen kommt die Pharmabranche mit 1,1 Prozent nicht voran. Die jüngste Korrektur hat dazu geführt, dass die Bewertungen der meisten Biotech-Schwergewichte mittlerweile unter denen der Pharmakonzerne liegen. Aufgrund der günstigen Bewertungen haben wir in unserem Portfolio Positionen wie Celgene, Gilead, Actelion und Novo Nordisk aufgestockt.
Und wie beurteilen Sie den Ausblick für BB Biotech und den Biotechsektor im Allgemeinen für das Jahr 2016?
Im Allgemeinen erwarte ich weiterhin eine sehr positive Entwicklung für die Biotechnologie. Ich bin überzeugt, dass die Branche gerade mit Blick in die Zukunft von einer hohen Innovationskraft getrieben ist. Mittlerweile entstammt etwa die Hälfte der zugelassenen Medikamente aus den Laboren der Biotech-Industrie. Wir erwarten auch für dieses Jahr nebst weiteren Produktzulassungen die Veröffentlichung zahlreicher Daten zu Pipelineprodukten unserer Beteiligungen. Der Level an M&A-Aktivitäten wird anhaltend hoch bleiben. BB Biotechs Portfolio setzt sich aus etablierten rentablen Unternehmen mit attraktiver Bewertung und innovationsorientierten Small- und Mid-Caps zusammen. Dank dieser Diversifikation sehen wir uns gut gerüstet, um das Potenzial der wichtigen Meilensteine im Jahr 2016 auszuschöpfen.
Mit welchen Herausforderungen ist 2016 verbunden?
Wir rechnen mit einer erhöhten Volatilität an den Märkten. Einerseits ist dies bestimmt durch das Makroumfeld, divergierende Massnahmen der Notenbanken, geopolititsche Unwägbarkeiten, Schwellenländerkrise und tiefen Rohstoffpreisen. Anderseits sehen wir auch sektorspezifische Einflussfaktoren: Die Medikamentenpreise werden im laufenden US-Wahlkampf ein Thema sein und unter den Anlegern zu Unsicherheiten führen. In jüngster Zeit sind vor allem Geschäftsmodelle kritisiert worden, welche alte Medikamente oder eingekaufte Medikamente enorm verteuert verkauft haben, um damit in kurzer Zeit maximale Renditen zu erwirtschaften. Die Preissetzung von Medikamenten wird gerade vor diesem Hintergrund vermehrt der Kosten-Nutzen-Fragestellung ausgesetzt sein. Wir sind der Meinung, dass Innovation verbunden mit einem klaren ungedeckten medizinischen Bedarf auch zukünftig belohnt wird.
In welchen Therapiegebieten sehen Sie eine besonders hohe Innovationskraft?
Im Gebiet der Immunonkologie zeichnet sich eine enorme Dynamik ab. Hier geht es darum, das körpereigene Immunsystem gegen Krebs zu stärken, indem es aktiviert wird, Tumorzellen zu erkennen und auszuschalten. Angriffspunkt sind genau die Moleküle, die es Krebszellen ermöglichen, sich der Erkennung und dem Angriff durch das Immunsystem zu entziehen. Es gibt junge Biotechs, die sich auf zellbasierte Therapien konzentriert haben. Sie entnehmen dem Körper Immunzellen und verändern diese genetisch, bevor sie dann wieder dem Patienten verabreicht werden. Die bisherigen Daten zeigen eine sehr hohe Wirksamkeit.
Dr. Daniel Koller trat 2004 bei Bellevue Asset Management ein und ist als Senior Portfolio Manager im Bereich Biotechnologie mit Spezialgebiet Herz-Kreislauf-Krankheiten tätig. Seit 2010 ist er Head Management Team der börsenkotierten Beteiligungsgesellschaft BB Biotech AG. Vor seinem Eintritt bei Bellevue Asset Management war er während vier Jahren in der Finanzindustrie tätig, zuerst in der Funktion als Aktienanalyst bei UBS Warburg, danach als Private Equity Investor bei equity4life. Daniel Koller studierte Biochemie an der ETH Zürich und doktorierte im Bereich Biotechnologie während seiner Tätigkeit bei Cytos Biotechnology.