«Die Inflation erlebt ein Comeback»

26.05.2017
Frau Forelli, in den letzten Jahren drehten sich die Sorgen vieler Anleger um das Deflationsrisiko. Könnte 2017 das Jahr werden, in dem die Inflation ein Comeback erlebt?
Eine markante Erholung der Rohstoffpreise hat seit Mitte 2016 bereits zu einem deutlichen Inflationsanstieg geführt. Der europäische Verbraucherpreisindex VPI stieg von 0,2 Prozent im Juli 2016 auf 1,9 Prozent im April dieses Jahres, das höchste Niveau seit Januar 2013. Im selben Zeitraum kletterte der US-amerikanische VPI von 0,8 Prozent auf 2,2 Prozent.
Während die Auswirkungen der höheren Rohstoffpreise in den nächsten Monaten nachlassen dürften, könnten die zunehmend angespannte Lage am US-Arbeitsmarkt und die steigenden Löhne zu weiterem Inflationsdruck in den USA führen. Da zudem die Möglichkeit erheblicher fiskalpolitischer Impulse und einer restriktiveren Handelspolitik der Regierung von Donald Trump besteht, rechnen wir bei der US-Inflation eher mit Aufwärtsrisiken.
Und wie präsentiert sich die Situation in Europa?
In Europa bleibt der Kerninflationsdruck relativ verhalten, während der jüngste Anstieg des VPI in erster Linie durch die steigenden Energiekosten und den historisch schwachen Euro ausgelöst wurde. Die jüngste Konjunkturerholung und die Fortsetzung der extrem lockeren Geldpolitik der EZB haben jedoch zur Folge, dass die Risiken zunehmend ausgewogen sind.
Die aktuellen Einkaufsmanagerindizes PMI deuten darauf hin, dass die stärkere Nachfrage einer wachsenden Zahl von Unternehmen erlaubt hat, die Preise zu erhöhen. Im ersten Quartal 2017 erhöhten sich die Faktor- und Verkaufskosten mit den stärksten Wachstumsraten seit 2011. Normalerweise würde ein Inflationsanstieg Zinserhöhungen auslösen. Kommentare der Zentralbanken deuten jedoch weltweit darauf hin, dass die geldpolitischen Entscheidungsträger einer Phase mit Preissteigerungen oberhalb der Zielinflation relativ gelassen entgegensehen.
Welche Strategien empfehlen Sie für festverzinsliche Anlagen in einem Umfeld steigender Inflation?
Inflationsindexierte Anleihen stellen die unmittelbarste Form von Inflationsschutz dar, da sowohl die Coupons als auch der Kapitalbetrag an die Entwicklung des VPI angepasst werden. Traditionelle inflationsindexierte Staatsanleihen bieten derzeit jedoch sehr niedrige Renditen. Zudem weisen diese Instrumente in der Regel sehr lange Laufzeiten auf und reagieren dadurch möglicherweise stark auf Zinsänderungen.
Trotz des jüngsten Anstiegs des europäischen VPI ist an den Märkten für inflationsindexierte Anleihen nach wie vor nur ein sehr geringes Inflationsniveau für die nächsten Jahre eingepreist. Dies steht im Gegensatz zur Situation in Grossbritannien und den USA, wo die Inflationsrisiken in den Kursen inflationsindexierter Papiere jetzt nahezu vollständig berücksichtigt scheinen.
Die europäischen Breakeven-Zinsen implizieren eine Inflation von durchschnittlich nur 1,0 Prozent über die nächsten fünf Jahre. Dies deutet darauf hin, dass die Anleihenmärkte einen Rückgang des europäischen VPI von seinem aktuellen Niveau erwarten. Für Marktteilnehmer, die einen nachhaltigeren Anstieg der Inflation in Europa erwarten, stellt dies nach unserer Einschätzung einen attraktiven Einstiegspunkt dar, um ihre Inflationsabsicherung auszubauen.
Gibt es weitere Alternativen?
Ja, während inflationsindexierte Anleihen die unmittelbarste Möglichkeit einer Absicherung gegen höhere Inflationsraten bieten, existieren verschiedene andere Arten festverzinslicher Instrumente, die Anleger in einem Umfeld steigender Inflation in Betracht ziehen könnten.
Floating Rate Notes zahlen einen variablen Coupon, der regelmässig an den Marktzinssatz angepasst wird. Da die Zinsen bei einem Inflationsanstieg in der Regel anziehen, dürften sich Floating Rate Notes in einem inflationären Umfeld relativ gut entwickeln.
Kurzfristige Unternehmensanleihen - in der Regel Papiere mit einer Laufzeit von maximal drei Jahren - weisen naturgemäss eine niedrige Duration auf und dürften sich daher in einem Umfeld steigender Anleihen-Renditen und Inflationsraten relativ gut halten.
Schliesslich gibt es Multi-Asset-Fonds mit flexiblen Strategien. Diese Fonds sind in der Lage, eine Vielzahl von Strategien umzusetzen, und können in ein breites Spektrum Anlageklassen investieren. Auf diese Weise können die Fondsmanager die Portfoliopositionierung an die unterschiedlichsten Konjunkturszenarien anpassen.
Micaela Forelli ist Country Head für M&G Investments in der Schweiz. Sie arbeitet seit 2001 für M&G Investments. 2010 wurde sie zum Director für die Beziehungen mit den Global Banks ernannt. Neben ihrer Aufgabe als Country Head Schweiz wird Micaela Forelli weiterhin das Global Banks Team von M&G leiten. Ihre Aufgabe ist die Arbeit mit Kunden von Global Financial Institutions in Grossbritannien, Europa, Asien und Amerika, um strategische und langfristige Partnerschaften mit globalen Distributoren von Investmentfonds, Vermögensverwaltung, Investitionen und Wertschriftenvermögen mit einem Lebensversicherungsvertrag zu bauen. Zuvor hatte sie die Verantwortung für den Aufbau der südeuropäischen Operationen von M&G und war Verkaufsleiterin für Italien. Micaela Forelli arbeitete auch als italienische Sales Director für Fidelity Investments. Sie hat einen Abschluss in Betriebswirtschaft und einen MBA von der Universität Bocconi in Mailand.