Die Lücke zwischen aktiv gemanagten Fonds und Indexfonds schliessen

Leiter Privatkundengeschäft für die Schweiz und Kontinentaleuropa
BlackRock Asset Management Schweiz AG, Zürich
blackrock.com
13.09.2018
Herr Bantli, BlackRock bringt mit der «Advantage-Serie» eine neue Fondsfamilie auf den Schweizer Markt. Welches Anlegerbedürfnis sprechen Sie damit konkret an?
Die Aktienmärkte sind gut gelaufen. In der sich nun abzeichnenden Börsenlage wollen viele Investoren im Kern ihres Portfolios nicht mehr allein auf das Beta - sprich die allgemeine Marktrendite - vertrauen. Stattdessen schauen sie vermehrt auch auf mögliche Mehrrenditen - das sogenannte Alpha. Gleichzeitig verändert sich das regulatorische Umfeld durch Initiativen wie FIDLEG, die am 1. Januar 2020 in Kraft treten soll. Angesichts dessen treten die Kosten eines Produktes, die Klarheit seines Konzeptes und die Einbeziehung von nachhaltigen Anlagekriterien stärker in den Vordergrund. Dieser veränderten Nachfrage vonseiten der Anleger werden wir mit der «Advantage-Serie» gerecht.
Welche Produkte gehören zu der Serie?
Die Palette beinhaltet aktuell sechs Aktienfonds, die als Kernbestandteile für Portfolios konzipiert sind. Dazu gehören ein global ausgerichteter Fonds und fünf mit den regionalen Schwerpunkten USA, Schwellenländer, Gesamteuropa, Europa ohne Grossbritannien sowie Asien ohne Japan.
Handelt es sich dabei um aktiv gemanagte Fonds oder um Indexprodukte?
Die Kundennachfrage hat sich über die Suche nach rein aktiv gemanagten beziehungsweise rein indexbasierten Anlagelösungen hinaus entwickelt. Vor diesem Hintergrund schliessen wir mit der «Advantage-Serie» eine Lücke zwischen diesen beiden Enden des Spektrums. Die «Advantage-Portfolios» entsprechen zu etwa 70 Prozent dem jeweiligen Index, der angestrebte Tracking Error liegt bei zwei Prozent. Somit handelt es sich um indexorientierte Produkte, die systematisch in Einzelwerte investieren, um ihre jeweilige Benchmark zu übertreffen. Gleichzeitig sind sie darauf ausgerichtet, die wesentlichen Charaktereigenschaften des unterliegenden Marktes zu wahren - etwa bezüglich Risikoparametern oder Länderallokationen. Ziel ist es, etwa ein bis zwei Prozent Alpha pro Jahr mit einem Tracking Error kleiner zwei zu erzielen - und das zu einem äusserst kompetitiven Preis von 0,3 bis 0,6 Prozent je nach Fonds.
Damit liegen die Kosten im Vergleich zu anderen Produkten deutlich niedriger. Wodurch wird das möglich?
Nicht zuletzt durch den Einsatz modernster Technologien wie maschinelles Lernen, die es ermöglichen, die Portfolios besonders effizient zu verwalten. Unsere Modelle generieren aus einer Vielzahl an öffentlich verfügbaren Daten - auch bekannt unter dem Stichwort Big Data - Signale für die Entwicklung von einzelnen Aktien, breiten Märkten und Konjunktur. In einem weiteren Schritt prüfen die Portfoliomanager diese Vorschläge und entscheiden, welche sie letztlich umsetzen.
Können Sie genauer erläutern, wie die «Advantage-Serie» Big Data als Alpha-Quelle nutzt?
Die Portfolios werden von BlackRocks Systematic Active Equity (SAE) Team gemanagt. Zu diesem Team gehören mehr als 80 Anlageprofis, die in San Francisco und London sitzen und weltweit mehr als 105 Mrd. US-Dollar Vermögen verwalten (Stand 31.03.2018). Neben Portfoliomanagern, Analysten und sonstigen klassischen Kapitalmarktexperten umfasst das Team auch 20 Mitarbeitende, die in Computer-, Wirtschafts- und Finanzwissenschaften sowie in Physik und Ingenieurwesen promoviert sind. Insofern ist das SAE-Team optimal aufgestellt, um die Kraft von Mensch und Maschine zu nutzen. Ziel ist es, Anlegern Alpha zu bieten, indem das Team Daten und Technologien zum Erkenntnisgewinn nutzt.
Welche Daten kommen dabei zum Einsatz?
Ganz wichtig vorweg: Das SAE-Team zieht ausschliesslich anonymisierte Daten heran, um den Datenschutz zu gewährleisten. Den bisherigen Erkenntnissen zufolge sind vor allem drei Bereiche von Big Data interessant: Erstens Anfragen über Internet-Suchmaschinen wie Google. So liefert die Häufigkeit bestimmter Schlagwörter, nach denen die Menschen suchen, Aufschluss über ihre Stimmung. Beispielsweise können häufigere Suchanfragen nach Urlaubsreisen oder neuen Autos auf zunehmende Konsumfreude infolge besserer Beschäftigungsverhältnisse und steigender Löhne hindeuten, die ihrerseits einen wirtschaftlichen Aufschwung anzeigen. Der zweite Bereich umfasst soziale Medien einschliesslich Chat-Foren für bestimmte Interessengruppen. Internet-Gruppen, in denen Arbeitnehmer sich über ihre Unternehmen austauschen und diese bewerten, sind in den USA schon weitaus stärker verbreitet als etwa in der Schweiz. Spiegelt sich darin eine positive Grundstimmung wider, könnte das ein Zeichen für eine gesunde Verfassung des Unternehmens sein. Äussern die Angestellten dagegen zunehmend Unmut, liefert das eher ein negatives Indiz. Drittens können Verschriftlichungen von Analystenkonferenzen mit Unternehmensvorständen deutlich aufschlussreicher sein als die vorangegangenen Telefonkonferenzen selbst. Das Systematic Active Equity Team bei BlackRock wertet pro Quartal ein paar Tausend solcher Transkripte aus und sucht dabei gezielt nach bestimmten Stichworten. Die Häufigkeit, mit der optimistisch oder pessimistisch besetzte Begriffe fallen, liefert oft einen besseren Einblick in die Stimmung in der Vorstandsetage und in die Zahlen als jene Nachricht, die Firmen bewusst verbreiten möchten. Begriffe wie «schwierig» oder «herausfordernd» sind eher negativ besetzt, «Verbesserung», «stark» oder «Rekordwachstum» dagegen positiv.
Welche Vorzüge bietet die Analyse von Big Data gegenüber klassischen Daten wie zum Beispiel Konjunkturindikatoren?
Es sind vor allem zwei Vorzüge. Erstens ist das Bild, das Big Data liefert, aktueller als bei klassischen Konjunkturindikatoren. Dazu ein Beispiel: Eine globale Fast-Food-Kette mit mehr als 14‘000 Lokalen in den USA überarbeitete das Design ihrer Restaurants und ihrer Menüs. Im Zuge dessen beobachteten die SAE-Modelle den Fortschritt dieser Massnahmen. Die Signale zum Kundenstrom in den Lokalen begannen steigende Verbraucheraktivität anzuzeigen. Zudem zeigten die Makromodelle des SAE-Teams, dass das Unternehmen Lokale in Regionen der USA betrieb, in denen die wirtschaftliche Aktivität zunahm. Unterdessen gaben Algorithmen, welche die Stimmung von Bankanalysten zu diesem Wert massen, an, dass die Experten zunehmend positiv über das Unternehmen dachten. In Anbetracht dessen baute das SAE-Team eine Position in der Aktie des Unternehmens auf. Monate später veröffentlichte das Unternehmen einen Quartalsbericht, der die Erwartungen übertraf. Infolgedessen stieg der Aktienkurs. Das SAE-Modell hatte eine frühzeitige Positionierung ermöglicht - als Ergebnis von Anlagesignalen, die das Team auf Basis seiner Anlage- und Technologieexpertise gewonnen hatte.
Und der zweite Vorzug?
Zweitens ist das Bild, das wir erhalten, auch umfassender: Einkaufsmanagerindizes und andere Stimmungsindikatoren basieren auf Befragungen einiger Hundert oder weniger Tausend Experten. Dagegen spiegeln Google-Suchanfragen und soziale Medien häufig wider, was Zehn- oder gar Hunderttausende denken, wie sie handeln oder was sie beabsichtigen. Diese umfassendere Grundgesamtheit ermöglicht ein besonders robustes und aussagekräftiges Bild. Voraussetzung dafür ist, dass die Daten entsprechend aufbereitet und analysiert werden.
Wie werden Sie die «Advantage-Serie» in Ihre Vertriebsstrategie für den Schweizer Markt integrieren?
Im zweiten Halbjahr 2018 werden wir einen Schwerpunkt auf diese Serie legen. Dabei richten wir uns zunächst vor allem an Dachfondsmanager, Vermögensverwalter und andere professionelle Anleger. Auf längere Sicht ist der Retail-Markt die Hauptzielgruppe für diese Serie. Varianten mit Vertriebsprovisionen werden kurzfristig folgen.
André Bantli ist Leiter des Privatkundengeschäfts in der Schweiz und Kontinentaleuropa von BlackRock. Er ist Mitglied der Geschäftsleitung von BlackRock Schweiz und Mitglied des Retail Executive Committee für die Region EMEA bei BlackRock. Bevor Bantli zu BlackRock stiess, war er in verschiedenen Positionen bei der Credit Suisse Private Banking and Wealth Management in Singapur, Peking, Dubai, New York und Zürich tätig. André Bantli erwarb einen MBA an der University of Chicago und einen BA-Abschluss in Betriebswirtschaft an der Hochschule Zürich.