«Die mangelnde Liquidität am Anleihemarkt kann Zündstoff sein»

28.10.2015
Herr Peters, man hört regelmässig von einem Rückgang bei der Liquidität am Anleihemarkt. Können Sie dem zustimmen und wenn ja, was steckt dahinter?
Ja, auch wir sehen, dass sich die Liquiditätsrisiken merklich erhöht haben. Striktere regulatorische Vorgaben haben die Banken dazu gebracht, sich aus ihrer Rolle als aktive Käufer und Verkäufer von Unternehmensanleihen zurückzuziehen. Ein weiterer Treiber ist die Vorsicht grosser institutioneller Investoren, die zunehmend weniger gewillt sind, die Anleihemärkte langfristig zu betrachten und kurzfristige Marktvolatilität auszuhalten. Dadurch geht ein stabilisierender Faktor verloren.
Gleichzeitig hat die Politik des leichten Geldes die Renditen von Staatsanleihen auf Rekordtiefstände getrieben und renditehungrige Investoren in die gleichen Positionen gezwungen. Hier sind beispielsweise Hochzinsunternehmensanleihen und Emerging- Markets-Anleihen zu nennen. Wir sprechen hier jedoch nicht über langfristig ausgerichtete Anlageentscheidungen, sondern sehr stark vom Risikosentiment bedingte Investitionen. Während also regulatorische Veränderungen das Angebot an Liquidität reduziert haben, führen die Anlagetrends dazu, dass die potenzielle Nachfrage nach Liquidität drastisch gestiegen ist. Es ist unwahrscheinlich, dass eine dieser Entwicklungen allein eine grosse Finanzmarktkrise auslöst. Zusammengenommen bergen sie jedoch eine Menge Zündstoff.
Sind von dieser Thematik nur aktive Fondslösungen tangiert oder betrifft dies auch andere Anlageformen wie beispielsweise ETFs?
Es betrifft insbesondere ETFs. Aber lassen Sie mich das am Beispiel von Hochzinsanleihen erläutern. Im Jahr 2014 befanden sich fast 23 Prozent des Marktes für US-Hochzinsanleihen in der Hand von Fonds für Privatanleger und ETFs. Im Jahr 2006 waren es lediglich 15 Prozent. Viele dieser Anleger neigen dazu, Anlagen häufig zu kaufen und zu verkaufen - abhängig von aktuellen Schlagzeilen oder Kurstrends.
Aus diesem Grund haben ETFs in den Portfolios an Beliebtheit gewonnen. Denn diese bieten breites Exposure zu einem Teil des Anleihenmarktes, indem sie einen Index passiv nachbilden. Gleichzeitig gelten sie als kostengünstiger und sind laufend handelbar. Dadurch, dass ETFs jedoch einen Index schlichtweg nachbilden, ist eine grosse Zahl von Investoren dieselben Positionen eingegangen. Wollen jetzt alle durch die gleiche Tür hinaus, dann kann es extrem eng werden. Hinzu kommt, dass der Verkauf von Anleihen proportional erfolgt und nicht nach Kostengesichtspunkten.
In einem aktiv verwalteten Fonds hingegen können diese Dynamiken zumindest ein wenig abgefedert werden, indem liquide Mittel in einem gewissen Umfang vorgehalten werden, Positionen ausserhalb des Indexes eingegangen werden können und diejenigen Anleihen zunächst verkauft werden, die beispielsweise den geringsten Verkausabschlag bedeuten.
Welche Massnahmen können Anleger ergreifen, um das Portfolio dennoch robust und möglichst liquide aufzustellen?
Viele der Massnahmen klangen bereits oben an, aber lassen Sie mich diese im Sinne von drei Grundprinzipien herunterbrechen.
Erstens, ist es sinnvoll, eine relativ hohe Diversifkation im Portfolio anzustreben. Das heisst, hohe Klumpenrisiken sollten vermieden werden. Wenn man in wenigen Anleihen sehr stark engagiert ist, verringert man die Chancen, sich in einem schwierigen Marktumfeld Liquidität beschaffen zu können. Zudem kann eine breit angelegte Multisektor-Strategie dabei helfen, die Zyklikalität eines einzelnen Segmentes des Marktes zu vermeiden. Eine solche Diversifikation verspricht insbesondere dann Liquiditätsvorteile, wenn die Anlagen im Portfolio nicht vom gleichen Faktor getrieben sind, beispielsweise den allgemeinen Risikoappetit.
Zweitens, raten wir, die Masse zu vermeiden. Das heisst, sich aus Positionen herauszuhalten, in denen sich viele Anleger drängeln. Auf diese Weise versetzen sich Investoren wieder in die Lage, den Wert von Anlagen zur Basis ihrer Entscheidungen zu machen - und nicht ihre Popularität. ETFs sind hierbei womöglich nicht der günstige Kauf als der sie gemeinhin erscheinen, den hier tummelt sich die Masse und die Anleihenverkäufe erfolgen per Knopfdruck und nicht nach Kostenüberlegungen.
Und drittens ist zwar die Verlockung gross, vorwiegend in höherverzinsliche Anleihen zu investieren, wie zum Beispiel Unternehmens- oder Schwellenländertitel. Doch bleibt es wichtig, auch Barmittel oder barmittelähnliche Bestände im Portfolio zu haben. Denn nur so kann vermieden werden, zum «Zwangsverkäufer» zu werden und damit den schlechtmöglichsten Preis für einen Anleihenverkauf eingehen zu müssen.
Markus Peters ist Senior Portfolio Manager im Fixed Income Team von AB (AllianceBernstein). In seiner Funktion als Experte für Fixed-Income-Märkte und -Anlagestrategien ist er insbesondere für den deutschsprachigen Markt zuständig. Vor seiner derzeitigen Tätigkeit war er mit einem ähnlichen Aufgabengebiet im Anleihenteam von M&G Investments betraut. Markus Peters verfügt über einen MSc in «Politics and Government in the European Union» von der London School of Economics und einen M.A. von der RWTH Aachen.