«Die Nachfrage nach Industriemetallen wird perspektivisch weiter steigen»

Senior Portfoliomanager und Rohstoffexperte
Union Investment, Frankfurt
union-investment.de
15.09.2023
Herr Benedix, Industriemetalle sind in diesem Jahr nicht gerade die Kursgewinner unter den Rohstoffen. Was macht Sie so zuversichtlich, dass das Tal am Markt für Industriemetalle bereits durchschritten ist?
Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, aber der wohl wichtigste ist der Umbau unserer Energieversorgung. Wir müssen uns im Klaren sein: So günstig wie früher wird Energie bei uns nie wieder sein - allein schon, weil das Gas nicht mehr aus einer Pipeline aus Russland kommt, sondern es über komplexere und längere Wege nach Deutschland geliefert wird. Das belastet energieintensive Industrien und hier vor allem deutsche Unternehmen, die besonders von den günstigen russischen Gaspreisen profitiert hatten. Entsprechend müssen Kosten eingespart werden. Dieser Sparzwang hat aber eine positive Seite: Er hat die «grüne» Transformation in den Unternehmen vorangetrieben.
Wo kommen in dieser Kette die Industriemetalle ins Spiel?
Mit der Transformation geht einher, dass sich die Industrie stärker auf erneuerbare Energien fokussieren muss. Dafür fehlen noch die Kapazitäten, doch die werden kommen. Von diesem Ausbau der grünen Infrastruktur profitieren vor allem Industriemetalle wie Kupfer und Aluminium. In einem Windrad der neuesten Generation mit entsprechender Infrastruktur sind 30 Tonnen Kupfer verbaut. Auch für andere Energielösungen wie Photovoltaik werden Kupfer, Silizium und Aluminium benötigt, Kupfer und Nickel kommen bei E-Autos und dem Aufbau von Speicherkapazitäten von CO2 zum Einsatz, Platin bei der Wasserstoffproduktion. Die Nachfrage nach diesen Metallen wird deshalb perspektivisch weiter steigen.
Davon war bislang am Markt wenig zu sehen. Im ersten Halbjahr haben die Kurse für Industriemetalle ungefähr zehn Prozent verloren und seither nur wenig Boden gutgemacht.
Das ist richtig, die Notierungen spiegeln diese Erwartungen derzeit noch nicht wider. Die Kursverluste haben aber andere Gründe. Sie sind vor allem auf den Zinserhöhungszyklus der Notenbanken zurückzuführen und auf den ausbleibenden Wachstumsschub in China, mit dem die Marktteilnehmer eigentlich gerechnet hatten. Aber: Diese kurzfristigen Kursdämpfer verlieren an Einfluss, weil der Zinsgipfel in den USA und im Euroraum erreicht ist.
Welches sind denn die Faktoren, die für steigende Kurse sprechen könnten?
Die Lagerbestände sind trotz der globalen Konjunkturschwäche niedrig geblieben. Vor allem bei Kupfer und Aluminium bleiben die physischen Märkte in einem strukturellen Defizit - und das dürfte sich aufgrund des Bedarfs aus der grünen Transformation in den nächsten Jahren nicht ändern. So gehen Schätzungen von Marktteilnehmern davon aus, dass sich beispielsweise der Anteil der weltweiten «grünen» Nachfrage nach Kupfer von sieben Prozent 2022 auf elf Prozent bis 2025 erhöhen dürfte.
Wie stehen Sie einem Investment in Industriemetalle unter den Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit gegenüber?
Wir befinden uns hier in einem Spannungsfeld. Ein Beispiel: Die Kupferförderung ist immer ein Eingriff in die Natur, die Kupfernutzung etwa in einem Windrad ist aber klimafreundlich. Für uns ist die Grundlage der Investmententscheidung die Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette. Die grösste Herausforderung sind unter ESG-Aspekten die Anstrengungen gegen den Klimawandel. Deshalb erscheint es legitim, das Ziel der Dekarbonisierung gegenüber anderen Nachhaltigkeitszielen zu priorisieren. Dies setzt allerdings ein anderes Verständnis von Rohstoffinvestments voraus, nämlich eines, das auf die möglichen Gewinner der Energiewende setzt und damit ermöglicht, die Transformation hin zu einer grüneren Wirtschaft zu begleiten. Dabei ist natürlich von Fall zu Fall genau zu prüfen und transparent zu belegen, welches Investment vor diesem Hintergrund Sinn macht.
Link zum Disclaimer
Thomas Benedix ist seit September 2016 als Senior Portfoliomanager Commodities bei Union Investment tätig. Er ist Teil der Gruppe Investment Strategy und verantwortet die Fundamentalanalyse sowie die Entwicklung der Investmentstrategien im Rohstoffsektor.