«Die neue Welt ist exponential»

CEO, Betreiber der ETF-Infoplattform 10x10.ch und Veranstalter der Finance 2.0
financialmedia AG, Zürich
10x10.ch
16.03.2016
Herr Borini, letzte Woche hatten Sie Ihre Flagship-Konferenz «Finance 2.0» durchgeführt. Rund 400 Teilnehmende konnten über zwei Dutzend internationalen und nationalen Fintech-Experten zuhören. Was ist das inhaltliche Fazit?
Die schlechte Nachricht zu Beginn: Finanzinstitute haben viel zu verlieren. Jetzt die gute Nachricht: Die Digitalisierung, das Aufkommen von Fintech Startups und die immer engere Zusammenarbeit zwischen Fintech und Banken oder neue Technologien bieten enorm viele Chancen. Diejenigen Institute, die sich rechtzeitig diesen Herausforderungen stellen und ihr Geschäftsmodell der digitalen Realität anpassen, gewinnen Wettbewerbsvorteile. Und das Wichtigste: Der Kunde profitiert.
Das bedingt aber ein neues Denken. Das war ja auch ein Thema an der Konferenz.
Absolut. Mit einem Vertreter der Singularity Universtität (Silicon Valley) haben wir über exponentielles Denken diskutiert. Wir müssen die Sprache des Internets und das exponentielle Wachstum verstehen. Wir leben in einer «neuen» globalen Welt. Die «alte» Welt ist lokal und linear. Die neue Welt ist exponential, die Grenzkosten gehen zunehmend gegen null und neue Geschäftsmodelle entstehen in einer extremen Geschwindigkeit. Das muss man heute verstehen.
Wurden auch in diesem Jahr Neuheiten präsentiert?
Die UBS lancierte das digitale Kunden-Onboarding, erstmals auf Kontoebene. Das bedeutet: Ein Kunde kann vom Sofa aus ein Konto eröffnen und via Videochat wird die Identität des Kunden geprüft. Der Weg auf die Bankfiliale wird damit obsolet. Es hat sicherlich noch ein paar wenige Banken hierzulande, die das digitale Onboarding ebenso in Kürze anbieten werden. Es fehlt derzeit nur noch auf das finale OK der FINMA, vermutlich in zwei bis drei Wochen.
Gab es auch Neues aus Sicht des Wealth- oder Asset Management?
Eine andere Neuheit zeigte das Schweizer Unternehmen additiv AG. Das Zürcher Technologieunternehmen zeigte eine neue digitale Vermögensverwaltungsplattform. Ein Robo-Advisor der Generation zwei. Neu daran ist, dass Anleger aus diversen intelligenten Anlagestrategien wählen können, also nicht nur klassisch was man bisher bei den US-Robo-Advisors gesehen hat, sondern auch Strategien wie beispielsweise Low Volatility oder praxiserprobte Modell-Portfolios. Sehr spannend ist dabei auch, dass Kunden mit einer halben Million Schweizer Franken sogar in ihre eigene regelbasierte Anlagestrategie investieren können. Dazu muss deren Regelwerk lediglich in einen Algorithmus übersetzt werden.
Welche Rolle werden diese Unternehmen künftig im Bereich Wealth- und Asset Management übernehmen?
Wichtig ist, dass Fintech nicht zwingend Startup und jung heisst. Leonteq oder Swissquote sind Fintechs, also sie sind eher Technologieunternehmen, die Finanzdienstleistungen anbieten. Zurück zu Ihrer Frage: Fintechs spielen eine wichtige Rolle, sie sind die Treiber und erhöhen den Druck auf die etablierten Unternehmen. Den Finanzinstituten empfehle ich, sich mit den wilden jungen Fintechs auszutauschen. Entlang der ganzen Wertschöpfungskette gibt es einige Elemente, die ein Fintech besser, schneller und kosteneffizienter abdecken kann. Von vielen Fintechs kann man viel lernen. Aber natürlich gibt es auch Konkurrenzsituationen - Fintechs, die Kunden und Vermögen von Banken abluchsen.
Sind die Robo-Advisor ein neuer Konkurrent der Banken?
Erstens hat es hat Platz für beide. Zweitens sind diese nichts anderes als ein Vermögensverwalter, mit denen arbeiten die Banken sowieso schon zusammen, nur werden die neuen halt digitale Vermögensverwalter sein. Und man muss einfach sehen, es geht um die Demokratisierung. Es gibt ein Kundensegment, das setzt auf diese Art der Vermögensverwaltung, andere Kunden wollen weiterhin traditionell ihr Vermögen verwalten lassen. Und dann gibt es eine dritte Gruppe, die setzen auf beides. Für die Finanzproduktindustrie sind diese digitalen Plattformen übrigens ein interessanter Distributionskanal.
Rino Borini ist Mitgründer und CEO der financialmedia AG in Zürich. Das unabhängige Medienhaus gibt verschiedene Publikationen im Wirtschafts- und Finanzbereich heraus und veranstaltet zahlreiche Veranstaltungen und Konferenzen wie die Finance 2.0. Borini leitet auch den Certificate of Advanced Studies (CAS) «Digital Finance» an der Hochschule Zürich. Davor war er in leitenden Funktionen in der Finanzindustrie tätig. Der Certified European Financial Analyst (CEFA) eignete sich während mehreren Jahren ein fundiertes Wissen über Banking und Kapitalanlagen an.