«Die Robo-Advisor kommen in der Realität an»

08.02.2019
Herr Soltau, Sie haben einen tiefen Einblick in das Verhalten der Buy-Side. Welche Art von Fonds wird aktuell am stärksten nachgefragt?
In 2018 ging der Trend verstärkt von Mischfonds zu Aktienfonds über, was sich allerdings Ende des Jahres schlagartig änderte. Kein Wunder, bei über 18 Prozent Jahresverlust im DAX. Die Kunden gingen immer mehr auf Trend-/Themenfonds und beschäftigen sich mehr mit einzelnen Themen, wie etwa Robotik, Demographie oder Konsum, anstatt sich auf bestimmte Fondskategorien zu fokussieren. Letztlich konnte sich aber kaum ein Investor vor den fallenden Kursen schützen, nahezu alle Assetklassen haben verloren - aber manche Themen haben den Verfall besser überstanden als andere. Ich erwarte daher für 2019 eine weitere Nachfrage nach den Themenfonds.
Die Verlierer - wenn man dies so sagen darf - sind also die Mischfonds?
Nein, ich denke die grössten Verlierer sind die Small- und Mid-Cap-Fonds, die aufgrund ihrer Ausrichtung in 2018 überproportional verloren haben und dann auch noch in Werten investiert sind, die nur begrenzt liquide sind. Folglich wurden diese Fonds wohl leider am stärksten von den Anlegern abgestraft, auch wenn einige der Fonds bereits wieder Performance gut machen konnten.
Bei den Mischfonds erwarte ich eine wiederkehrende Nachfrage, da sich einige davon im vergangenen Jahr durch ihre Absicherungsstrategien und die richtige Positionierung gut gehalten haben. Die Kunden achten in der Regel auf die Performance der Historie, daher wurde in 2018 eher in Aktienfonds investiert, statt in Mischfonds. Die Performance war in 2017 deutlich besser, die Mischfonds streuen natürlich breiter und fahren somit weniger Risiko, was sich im vergangenen Jahr bemerkbar gemacht hat.
Um Robo-Advisor ist es in jüngster Zeit ruhiger geworden. Teilen Sie diesen Eindruck?
Ja, in der Tat ist der Boom etwas verflogen. Mindestens vier Robo-Advisor haben sich aktiv aus dem Markt zurückgezogen oder wurden veräussert und sind damit unter ein grösseres Dach gegangen. Wie ich bereits vor etwa zwei Jahren sagte, sind Robo-Advisor nur eine neue Verpackung für Investmentfonds. Es handelt sich um standardisierte Portfolios, die von einem Manager verwaltet werden. Folglich nehmen die Kunden das auch nicht als ganzheitliche Lösung wahr, sondern als Baustein in ihrem Portfolio. Wenn man sich dem bewusst wird, wird einem auch klar, wie gross die Konkurrenz mit zum Beispiel der kompletten Fondswelt aber auch mit Vermögensverwaltern für die Robo-Advisor ist. Anbieter, die sich in diesem Segment etablieren, sind diejenigen, die B2B-Ansätze fahren und auf Drittvertriebe oder Banken zugegangen sind. Nicht diejenigen, die versuchen, selbst die Endkunden über Marketingaktivitäten zu erreichen.
Gleichzeitig sehen wir derzeit eine Entwicklung hin zu den Meta-Plattformen. Es gibt immer mehr Gesellschaften, die sich diesem Thema widmen. Ein Vermögensverwalter kann dort seine Leistung in einer Strategie anbieten, ein Endkunde kann auf der Plattform in diese Strategie investieren, aber auch in verschiedene andere Strategien und sich somit sein Portfolio zusammenstellen. Eben ähnlich wie ein Anleger das mit seinem Depot bei Investmentfonds handhaben kann.
Wo sehen Sie die grossen Trends in 2019?
Grundsätzlich steht natürlich alles im Zeichen der Digitalisierung. Ich sehe eine starke Verschlankung der Prozesse bei Banken, Vermögensverwaltern und auch bei Vermittlern. Der Gesetzgeber möchte zusätzlich noch den Bereich ESG stärker fokussieren, was sicherlich auch zu einer entsprechenden Entwicklung führen wird.
Auf der Anlageseite rechne ich damit, dass wir ein durchwachsenes aber nicht sehr negatives Jahr 2019 sehen werden und sich die Investoren folglich mit Themenfonds, Immobilieninvestments (auch -fonds) und wieder Mischfonds beschäftigen werden.
Gespannt bin ich auf die Entwicklung des ETF-Bereichs in 2019. Denn die ETFs haben 2018 genau das gemacht, wofür sie geschaffen wurden: Sie haben den Markt abgebildet - erstmals seit Aufkommen des Trends (ca. 2010) hiess das aber, dass der Anleger 15 Prozent oder mehr verloren hat.
Link zum Disclaimer
Thomas Soltau ist bereits seit 2003 in der Fondsbranche aktiv und kennt die Industrie, insbesondere das Verhalten der Endkunden, so gut wie kaum ein anderer. Seit Januar 2014 ist er der Vorstandsvorsitzende der wallstreet:online capital AG und konzentriert sich mit seinem Berliner Team seither auf die Weiterentwicklung der Gesellschaft, insbesondere der Webseite FondsDISCOUNT.de. Mit einem verwalteten Depotvolumen in Höhe von derzeit ca. 850 Mio. Euro hat sich das Haus zu einem der grössten Online-Vermittler in Deutschland und zeitgleich aber auch zu einem hochspezialisierten Medienhaus entwickelt.