Die Rolle des Vertreters von in der Schweiz angebotenen ausländischen Fonds

28.09.2022
Herr Alder, man hört, für die FIFS gäbe es dieses Jahr etwas zu feiern.
Das ist richtig, wir feiern dieses Jahr unser 20-jähriges Jubiläum. Am 20. Juni 2002 hat uns die FINMA (damals Eidgenössische Bankenkommission (EBK) die Bewilligung als Vertreter von ausländischen Fonds erteilt. Wir waren der erste unabhängige Anbieter von Vertreterdienstleistungen, daher auch unser Name «FIRST INDEPENDENT FUND SERVICES AG». Diese Rolle war davor den in der Schweiz lizenzierten Banken vorbehalten.
Wie hat sich das Unternehmen in den letzten 20 Jahren entwickelt?
Das Schöne ist, dass die beiden Gründungspartner auch nach mehr als 20 Jahren immer noch eng mit der Gesellschaft verbunden sind (Elpida Tsecouras Fisch als Mitglied des Verwaltungsrates und Stefan D. Naegeli als stellvertretender Geschäftsführer und Verwaltungsratspräsident). Das Unternehmen ist in den letzten 20 Jahren stetig gewachsen und verfügt dank einer sehr tiefen Mitarbeiterfluktuation über eine grosse Stabilität. Besonders stolz sind wir darauf, dass sämtliche Mitarbeitenden schon lange für das Unternehmen tätig sind (zwischen sieben und 17 Jahren). Dies stellt heute im Finanzbereich leider eher die Ausnahme als die Regel dar. Aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit sind wir ein gut eingespieltes Team, welches das Vertretergeschäft aus dem Effeff kennt.
Was beinhaltet die Rolle des Vertreters von in der Schweiz angebotenen ausländischen kollektiven Kapitalanlagen?
Gemäss Kollektivanlagegesetz besteht die Rolle des Vertreters in der Vertretung von ausländischen Fonds gegenüber den Schweizer Anlegern und der Finanzmarktaufsichtsbehörde FINMA. Mit anderen Worten stellt der Gesetzgeber sicher, dass den Anlegern und der FINMA bei Fragen zu einem in der Schweiz angebotenen ausländischen Fonds eine Anlaufstelle zur Verfügung steht. Zusätzlich hat der Vertreter die Einhaltung verschiedener aufsichtsrechtlicher Pflichten durch den ausländischen Fonds sicherzustellen. Was dies in der Praxis bedeutet und ob überhaupt ein Vertreter benötigt wird, hängt davon ab, welchen Anlegern ein ausländischer Fonds angeboten werden soll.
Können Sie das genauer ausführen?
Bevor ein ausländischer Fonds Schweizer Anlegern angeboten wird, gilt es zu klären, welche Anlegerkategorien angegangen werden sollen. Je nach Anlegerkategorie sind keine, wenige oder viele regulatorische Voraussetzungen auf Fondsebene einzuhalten. Bei den Anlegerkategorien wird unterschieden, ob ein ausländischer Fonds an sogenannte «geborene» qualifizierte Anleger oder an Anleger, welche erst mittels einer Erklärung zu qualifiziertem Anleger werden (sogenannte qualifizierte Anleger mit opting-out-Erklärung) oder an nicht-qualifizierte Anleger (Privatanleger) angeboten werden. Im Fall der geborenen qualifizierten Anleger, wozu u.a. alle (FINMA) beaufsichtigten Anleger zählen, besteht keine Pflicht, einen Vertreter zu ernennen und es sind auf Fondsebene keine Schweiz-spezifischen Anforderungen einzuhalten (nicht zu verwechseln mit den Anforderungen am «Point of Sale»). Sollen ausländische Fonds jedoch sogenannten qualifizierten Anlegern (mit opting-out-Erklärung) oder Privatanlegern angeboten werden, muss ein Vertreter ernannt werden. Je höher die Schutzbedürftigkeit des Anlegers aus Sicht des Gesetzgebers ist, desto umfangreicher sind die Vertreterpflichten.
Den Fachausdruck opting-out-Erklärung müssen Sie bitte erläutern.
Grundsätzlich sollen Privatanlegern in der Schweiz nur stark regulierte Fondsprodukte wie UCITS angeboten werden dürfen. Es gibt nun aber in der Schweiz auch viele Privatanleger, die aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse sowie aufgrund ihrer persönlichen Ausbildung und ihrer beruflichen Erfahrung weniger stark schutzbedürftig sind als andere Privatanleger. Diesen Privatanlegern will der Gesetzgeber die Möglichkeit bieten, mittels einer opting-out-Erklärung in das tiefere Schutzniveau des qualifizierten Anlegers zu wechseln. Ein solcher Wechsel erlaubt es den Fondsanbietern, diesen Anlegern weniger stark regulierte Fondsprodukte, wie beispielsweise alternative Anlagen, anzubieten.
Und nun zu den Vertreterpflichten: welche Pflichten hat ein Vertreter, falls ein ausländischer Fonds Privatanlegern angeboten wird?
Hier sind insbesondere die gesetzliche Melde-, Publikations- und Informationspflichten gegenüber den Anlegern und der FINMA zu erwähnen. So muss der Vertreter zum Beispiel kontrollieren, ob der Nettoinventarwert eines ausländischen Fonds regelmässig im Publikationsorgan für die Schweiz veröffentlicht wird. Des Weiteren hat der Vertreter sicherzustellen, dass Fondsdokumente und Marketingmaterial den Schweizer Disclaimer enthalten oder sämtliche im Domizilland des ausländischen Fonds aktualisierte Fondsdokumente fristgerecht bei der FINMA eingereicht werden. Bei diesen ausländischen Fonds handelt es sich in der Regel um in der EU domizilierte UCITS.
Welche Pflichten hat ein Vertreter, falls ein ausländischer Fonds «nur» qualifizierten Anlegern (mit opting-out Erklärung) angeboten wird?
Die Vertreterpflichten für ausländischen Fonds, welche qualifizierten Anlegern mit einer opting-out-Erklärung angeboten werden, sind weniger detailliert im Gesetz geregelt und die oben erwähnten Publikations- und Meldevorschriften sind nicht anwendbar. Auch bei diesen Fonds stellt der Vertreter aber sicher, dass die in der Schweiz verwendeten Fondsdokumente und Marketingmaterialien den Schweizer Disclaimer enthalten und dass Schweizer Anleger die massgebenden Fondsdokumente beim Vertreter beziehen können. Da diese ausländischen Fonds nicht von der FINMA genehmigt werden, agiert hier der Vertreter quasi auch als verlängerter Arm der FINMA, welcher dem ausländischen Fonds den Marktzutritt in der Schweiz ermöglicht. Bei diesen Fonds handelt es sich in der Regel um Fonds für alternative Anlagen (Hedgefonds, Private-Equity-Fonds etc).
Bietet die FIFS auch weitere Dienstleistungen an?
Neben der Sicherstellung, dass unsere Kunden die aufsichtsrechtlichen Pflichten einhalten, sehen wir uns vor allem auch als Sparring-Partner für unsere Kunden. Die Mehrheit unserer Mitarbeitenden hat eine juristische Ausbildung, weshalb sie beispielsweise bei regulatorischen Fragen einen Mehrwert bieten können. So unterstützen wir unsere Kunden mittels einer zertifizierten Schulung bei der Einhaltung der Voraussetzung am «Point of Sale» im Rahmen des Vertriebes von ausländischen Fonds. Gemäss der heute geltenden Gesetzgebung müssen sich gewisse Kundenberater in einem Beraterregister eintragen und dieser Eintrag muss alle zwei Jahre erneuert werden. Voraussetzung für eine Erneuerung ist unter anderem auch der Nachweis über die Kenntnisse der Verhaltensregeln am «Point of Sale». Unsere Schulung Fondsvertrieb als Finanzdienstleistung (anwendbare Verhaltens- und Organisationspflichten) deckt diese Anforderungen ab (vgl. Liste «Kenntnisse der Verhaltensregeln für die Erneuerung der Eintragung «Wiederkehrende Schulung / refresher Kurs). Wir können unsere Kunden somit nicht nur bei der Einhaltung der regulatorischen Anforderungen auf Fondsebene, sondern auch bei der Einhaltung der Anforderung am «Point of Sale» unterstützen.
Link zum Disclaimer
Jürg Alder stiess Ende 2014 als Verantwortlicher des Bereichs Recht & Compliance zur FIRST INDEPENDENT FUND SERVICES AG. Seit anfangs 2017 ist er Mitglied der Geschäftsleitung und wurde per 1. Januar 2019 zum Geschäftsführer ernannt. Alder ist über 16 Jahre im Fondsbereich tätig. Er ist in Chur aufgewachsen, hat in St. Gallen Rechtswissenschaften studiert und in Kapstadt ein Zusatzstudium absolviert.