«Die Schwellenländer-Rally ist noch nicht zu Ende»

Head Passive & ETF Specialist Sales Deutschland & Österreich, Asset Management
UBS Europe SE, Frankfurt
ubs.com/etf
12.01.2018
Herr Rodewald, 2017 war sicher ein sehr gutes Jahr für die Emerging Markets. Sowohl Aktien als auch Anleihen aus Schwellenländern haben sich deutlich überdurchschnittlich entwickelt. Wie lange kann diese Rally noch anhalten?
Aus Sicht der Experten von UBS CIO Wealth Management Research zumindest noch eine ganze Weile. Und zwar aus gleich drei Gründen. Erstens ist die Wachstumsdynamik in den Schwellenländern ungebrochen. Das Wachstum ihres Bruttoinlandsproduktes (BIP) könnte sich 2017 erstmals seit 2010 wieder beschleunigt haben. Dazu passt, dass auch die Unternehmensgewinne in den Schwellenländern wieder steigen: Die Gewinne im MSCI Emerging Markets Index haben nach mehrjährigem Null- bis Minuswachstum seit Jahresanfang 2017 auf US-Dollar-Basis um 18 Prozent zugelegt. Zweitens sollte das Liquiditätsumfeld für Emerging-Markets-Anlagen generell konstruktiv bleiben. Unser Basisszenario für die Entwicklung der Geldpolitik sieht eine graduelle und gut kommunizierte Normalisierung vor. Zudem sind die Realzinsen in vielen Schwellenländern weiter hoch, sodass die Region relativ unempfindlich auf steigende Zinsen in den USA und in Europa reagieren dürfte.
Und drittens?
Drittens sind Assets aus den Schwellenländern noch immer vergleichsweise günstig. Die Bewertungen sind zwar gegenüber 2016 gestiegen, erscheinen im historischen Vergleich aber noch nicht überzogen und überzeugen weiterhin gegenüber dem Bewertungsniveau der entwickelten Märkte. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis der letzten zwölf Monate notiert bei Emerging-Markets-Aktien derzeit bei 15,3 und liegt damit über seinem zehnjährigen Durchschnitt von 13,6. Schwellenländer-Aktien werden aber immer noch zu einem Abschlag von 27 Prozent gegenüber Aktien der entwickelten Welt gehandelt.
Womit wir wieder bei den Investmentchancen wären, die sich aus den guten makroökonomischen Rahmendaten ergeben. Sowohl während der globalen Finanzkrise als auch in den Jahren darauf erlebten die Finanzmärkte der Schwellenländer teilweise harte Zeiten. Wie sehen die Renditen für Anleger im längerfristigen Blick zurück aus?
Angesichts der grossen öffentlichen Aufmerksamkeit, die zwischenzeitliche Krisen in den Emerging Markets immer wieder erfahren, mag das den einen oder anderen überraschen. Zwischen Dezember 2000 und August 2017 erzielten Schwellenländer-Aktien eine durchschnittliche annualisierte Rendite von zehn Prozent, während Aktien der entwickelten Märkte im Durchschnitt nur 4,9 Prozent pro Jahr einbrachten. Auch im Fixed-Income-Segment hat in diesem Zeitraum der Barclays EM USD Aggregate, eine breite Benchmark für US-Dollar-Schwellenländeranleihen, sein Pendant für die entwickelten Märkte um durchschnittlich 3,8 Prozentpunkte pro Jahr übertroffen. Wer das höhere wirtschaftliche Risiko in Kauf nimmt und auch nur ein begrenztes Emerging-Markets-Engagement eingeht, kann die Rendite seines Portfolios also deutlich aufbessern.
Welche Möglichkeiten haben Anleger heute, wenn sie dafür ETFs nutzen wollen?
Vielfältige. ETFs bieten inzwischen Zugang zu einer breiten Spanne von Aktien-, aber auch von Anleihe-Indizes. Neben breiten Standard-Benchmarks decken sie etwa auch an Nachhaltigkeitskriterien (ESG) orientierte Investments ab. So enthält der MSCI EM Socially Responsible 5 % Capped Index zum Beispiel nur solche Unternehmen, die bei mehreren Kennzahlen der Bereiche Umwelt, Soziales und Governance (ESG-Kriterien) hohe Werte erzielen. Seit Mai 2011 liegt der EM SRI um durchschnittlich 2,9 Prozent pro Jahr über der breiten Emerging Markets Benchmark. Dies zeigt die Effektivität eines ESG-Screenings, bei dem Schwellenländer-Unternehmen mit besonders guten Voraussetzungen für nachhaltiges Wachstum herausgefiltert werden.
Und bei Anleihen?
Ein führender Index im Anleihe-Segment ist der Bloomberg Barclays Emerging Market USD Sovereign + Agency 3 % Capped Index. Er enthält primär Staatsanleihen und weist ein geringeres Kreditrisiko auf als etwa Indizes auf Unternehmensanleihen. Ein grosser Pluspunkt von Emerging-Markets-Staatspapieren ist, dass die Schwellenländer vergleichsweise gering verschuldet sind. Zudem gewährleistet der Index durch die Obergrenze von 3 Prozent eine breitere Diversifikation, sodass er nicht übermässig stark von den Ländern mit den höchsten Schuldenquoten beeinflusst werden kann. Diese Indexversion mit 3-prozentiger Obergrenze hat sich in der Vergangenheit nicht nur stärker entwickelt als Indizes für Staatsanleihen aus entwickelten Ländern, sondern auch als vergleichbare Benchmarks für Schwellenländeranleihen ohne Cap. Der Barclays EM USD Sovereign + Agency 3 % Capped Index erzielte zwischen April 2013 und August 2017 mit 4,9 Prozent pro Jahr höhere Gesamterträge als der Barclays Global Developed Treasury Index, der nur auf 1,1 Prozent kam.
Dag Rodewald ist Head Passive & ETF Specialist Sales Deutschland & Österreich bei der UBS Europe SE in Frankfurt. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung an den Finanzmärkten. Vor seinem Eintritt bei UBS ETFs im Jahr 2013 war er für verschiedene internationale Investmentbanken tätig, zuletzt als Leiter des Sales Trading bei der Commerzbank. Dag Rodewald ist Diplom-Volkswirt und hat an den Universitäten in Heidelberg und Regensburg sowie der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee, studiert.