«Die Volatilität im Biotechsektor wird durch höhere Gesamtrenditen kompensiert»

14.02.2019
Herr Dr. Koller, vor 25 Jahren wurde das Investmentvehikel «BB Biotech» lanciert. Was waren die Gründe dafür?
Es war die Gründungszeit der Bank am Bellevue und weder die Schweiz noch die EU boten einen Zugang zu der sehr jungen und dynamischen Biotechbranche in den USA. In der Schweiz gab es lediglich die Pharmagiganten Ciba, Sandoz und Roche. Gleichzeitig haben einige Finanzexperten erkannt, dass diese Branche sehr viel Potenzial birgt und man sie den Anlegern zugänglich machen sollte. So gründeten sie eine Beteiligungsgesellschaft, über die in die US-Biotechindustrie investiert werden konnte. «BB Biotech» war geboren.
Wissen Sie noch, wie sich das erste Portfolio damals zusammengesetzt hat?
Es gab nur eine Handvoll an der Börse notierte Unternehmen wie die heutigen Branchenriesen Amgen, Vertex, Biogen und Genentech. Sie standen damals am Anfang ihrer Entwicklung und hatten noch keine oder nur einzelne zugelassene Produkte. Unsere Beteiligungen erstreckten sich auf nur sieben Gesellschaften, die drei grössten machten mehr als drei Viertel des Portfolios aus. Zum Vergleich: Ende 2018 umfasste das Portfolio von «BB Biotech» 34 Positionen.
Welche Unternehmen haben Sie grundsätzlich besonders positiv überrascht?
Ich möchte exemplarisch Vertex Pharmaceuticals herausstreichen. Diese Firma ist nun seit über zwei Jahrzehnten an der Börse notiert und hatte es nicht immer einfach. Als erstes Unternehmen gelang es Vertex, eine neuartige Medikation gegen Hepatitis mit direkter antiviraler Wirkung zu lancieren. Dieses wurde aber nach kurzer Zeit von Konkurrenzprodukten verdrängt. Hoch anzurechnen ist es, dass Vertex mehrere Präparate gegen Mukoviszidose zur Zulassung gebracht hat. Für 2019 rechnen wir zudem mit der Zulassung für eine Triple-Therapie, mit der die Mukoviszidose zwar nicht heilbar ist, aber die Patienten mittels der täglichen Einnahme dieser Tablette den Status eines Gesunden erreichen. Auch Incyte mit Jakafi für die Therapie von Myelofibrose und Celgene mit Revlimid zur Behandlung des multiplen Myeloms haben Massstäbe gesetzt und die Märkte dominiert. Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang nochmals Actelion, die mehrere dominante Produkte zur Behandlung des Lungenbluthochdrucks entwickelt hat - was letztendlich in der 30 Milliarden Dollar schweren Übernahme durch Johnson & Johnson resultierte.
Wo wurden Ihre Erwartungen am stärksten enttäuscht?
Thematisch gesehen insbesondere im Bereich der Antibiotika-Entwicklung. Wir haben historisch Investitionen unter der Annahme des hohen medizinischen Bedarfes getätigt. Schlussendlich war der Erfolg ernüchternd, zumal viele dieser Produkte aufgrund eines Mangels an wirklicher Innovation in der Klinik nicht überzeugten und sich wenig von bestehenden älteren Antibiotika-Generationen unterschieden.
Gab es Phasen, in denen Sie sich eine ganz andere Profession gewünscht haben?
Die ersten beiden Jahre in der Funktion als Head Portfolio Management von «BB Biotech» waren eine herausfordernde Zeit, zumal wir 2012 von aktivistischen Investoren und diversen Banken bezüglich einer Umwandlung in einen Fonds angegangen wurden. Insgesamt war es aber immer eine enorm spannende Zeit, und ich bin bis heute absolut davon überzeugt, dass wir nicht nur in eine der vielversprechendsten, sondern auch faszinierendsten Branche investieren.
Im vergangenen Jahr haben Sie eine Portfoliorestrukturierung begonnen: Kleinere und mittelgross kapitalisierte Unternehmen spielen erneut eine wichtigere Rolle, während die Gewichtung der Large Caps abnimmt. Was ist Ihre Motivation für diesen Schritt?
Viele der grosskapitalisierten Unternehmen, von denen wir uns trennen oder dies schon getan haben, sind sehr solide Unternehmen. Aber sie erfüllen nicht mehr unsere Ansprüche an das erforderliche Umsatz- und Gewinnwachstum, um unsere Zielrendite von rund 15 Prozent pro Jahr zu erzielen. Zudem bedingt unsere Ausrichtung auf neue Technologien, uns immer wieder auf kleinere und mittelgrosse Gesellschaften zu konzentrieren, wie exemplarisch aufgezeigt bei RNA-, zell- oder genbasierte Technologien und Produkten.
Viele Anleger trauen sich nicht an Biotechtitel heran, weil sie diese als zu risikoreich erachten. Was entgegnen Sie?
Für die meisten Anleger liegt in meinen Augen die Herausforderung darin, die wissenschaftliche Neuigkeit und die Risiken der medizinischen und klinischen Entwicklung richtig einschätzen zu können. Danach folgen regulatorische Hürden - die Zulassungsbehörden FDA (USA) EMA (Europa), bevor dann Preisverhandlungen mit den Versicherungen anstehen. Und schliesslich müssen die Produkte wettbewerbsfähig gegenüber bestehenden Produkten sein. Deshalb sind Einzelinvestments in kleinere und jüngere Unternehmen mit hohen Risiken verbunden Unsere Antwort darauf ist der Portfolioansatz mit momentan 34 Titeln. Die Volatilität im Biotechbereich ist überdurchschnittlich hoch - was jedoch durch deutlich höhere Gesamtrenditen kompensiert wird.
Seit Ihrem Start bei «BB Biotech» haben Sie eine Rendite von rund 15 Prozent pro Jahr erwirtschaftet. Lässt sich diese Wertsteigerung auch künftig fortschreiben?
Wenn man den mittel- bis langfristigen Zyklus und die aktuellen Bewertungen einbezieht und ich dies mit unseren internen Finanzmodellen betrachte, so bin ich klar davon überzeugt. Dazu gehört auch der Mut, sich situativ gegen die Märkte zu positionieren. Sind sie schwierig, kaufen wir hinzu. Laufen sie eher heiss wie etwa im Jahr 2015, erhöhen wir die Cashquote, um neue Anlageopportunitäten wahrnehmen zu können. Was wir allerdings kaum einschätzen können, ist die kurzfristige Entwicklung. Nehmen Sie nur die vergangenen Monate. Der Dezember war äusserst schwierig - doch seit Jahresbeginn hat sich die Aktie von «BB Biotech» wieder erholt.
Welche drei Titel sind Ihre persönlichen Favoriten für 2019?
Bei den Large Caps sehen wir Vertex ideal aufgestellt. Die Firma ist höchst profitabel und verfügt über eine Pipeline, die eine Verdoppelung, gar Verdreifachung des Umsatzes auf Sicht der kommenden Jahre verspricht. Unter den mittelgrossen Werten sticht Argenx mit einem neuen Ansatz zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen hervor. Diese Gesellschaft ist hervorragend finanziert und auf einem sehr guten Weg. Unsere grösste Beteiligung, Ionis Pharmaceuticals, verfügt über ein sehr starkes Balance Sheet mit ca. zwei Milliarden Dollar Cash, besitzt drei Viertel von der börsennotierten Akcea und ist in der Antisense-Therapie führend und erforscht über 30 Wirkstoffkandidaten mit dieser Technologie. Wir gehen davon aus, dass die Wertentwicklung von Ionis erst begonnen hat und auf absehbare Zeit voranschreitet.
Link zum Disclaimer
Dr. Daniel Koller trat 2004 bei Bellevue Asset Management ein und ist als Senior Portfolio Manager im Bereich Biotechnologie mit Spezialgebiet Herz-Kreislauf-Krankheiten tätig. Seit 2010 ist er Head Management Team der börsenkotierten Beteiligungsgesellschaft BB Biotech AG. Vor seinem Eintritt bei Bellevue Asset Management war er während vier Jahren in der Finanzindustrie tätig, zuerst in der Funktion als Aktienanalyst bei UBS Warburg, danach als Private-Equity-Investor bei equity4life. Daniel Koller studierte Biochemie an der ETH Zürich und doktorierte im Bereich Biotechnologie während seiner Tätigkeit bei Cytos Biotechnology.