«Die Zeit zum Positionsaufbau ist gekommen»

26.03.2020
Herr Conelius, wie würden Sie das derzeitige Marktgeschehen im historischen Vergleich einordnen?
Wir haben derartige Phasen schon öfter durchlaufen. Diese ist zwar heftiger als die meisten zuvor, doch die grundlegenden Merkmale bleiben gleich. Historisch gesehen waren Phasen solcher Verwerfungen gute, wenn auch unangenehme Zeiten. Und es waren Gelegenheiten, die man nutzen konnte, um Positionen aufzubauen. Das ist dieses Mal nicht anders. Wir glauben, dass die Zeit gekommen ist, neue Engagements auf diesem Niveau einzugehen. Trotz der hohen Volatilität und Liquiditätsbedingungen legen die Bewertungen eine deutliche Übergewichtung nahe.
Was sind die grössten Herausforderungen?
Wie die meisten Risikoaktiva erlebten Schwellenländeranleihen die grössten Eintagesverluste seit der globalen Finanzkrise. Daher überrascht kaum, dass die meisten Spreads nun so hoch sind wie seit der globalen Finanzkrise nicht mehr. Die Liquidität bleibt eine Herausforderung. Es gibt mehr Verkäufer als Käufer, was sich sowohl in den Preisen als auch im Volumen widerspiegelt. Obwohl börsengehandelte Fonds (ETFs) keine starken Marktakteure sind, sind sie oft undifferenzierte Verkäufer, weil sie mit hohen Rücknahmen konfrontiert waren.
Wie hat sich die Zusammensetzung Ihres Portfolios vor diesem Hintergrund entwickelt?
Wir sind vergleichsweise defensiv in das Jahr gestartet. Abgesehen von kleinen Beteiligungen in Venezuela und Argentinien waren wir mit Blick auf die Frontier Markets und Titel mit B-Rating vorsichtig. Wir hatten zudem ein ungewöhnlich hohes Engagement in defensiveren Märkten wie Russland, Saudi-Arabien, Katar und Israel. Wir haben sicherlich nicht mit einer Coronakrise gerechnet, doch waren wir angesichts der Bewertungen sowie der steigenden endogenen und exogenen Risiken alarmiert. Im Februar haben wir an der defensiveren Ausrichtung in den Investment-Grade-Märkten festgehalten und risikoreichere Positionen aus Märkten wie Südafrika und Mexiko reduziert. Dies hat zu einer relativ neutralen Positionierung geführt, die Raum für Zukäufe in Schwächephasen bietet.
Was sind aktuell Ihre am höchsten gewichteten Positionen?
Wir haben Brasilien mit 10 Prozent gegenüber der Benchmark übergewichtet. Viele Firmen bieten weiterhin Wertschöpfungsmöglichkeiten, insbesondere im Energiesektor. Zudem sind die politischen Aussichten stabil und als relativ geschlossene Wirtschaft mit grossen Reserven verfügt das Land über starke Puffer gegen externe und interne Schocks. Inmitten der Schwäche haben wir günstig bewertete Firmenanleihen zugekauft. Ukrainische Anleihen haben wir mit 3 Prozent übergewichtet. Zwar haben wir gewisse Bedenken hinsichtlich der jüngsten politischen Entwicklungen, doch die Bewertungen sind sehr günstig, der Internationale Währungsfonds (IWF) ist engagiert und eine Agrarreform ist nach wie vor wahrscheinlich. Zuletzt erhöhten wir unsere Positionen in der Ukraine und Ghana und stellten einen Fuss in Anleihen notleidender Firmen aus dem Libanon und Ecuador. Diese Bonds weisen erhebliche Bewertungsabschläge auf und bieten entsprechende Erholungschancen.
Wo halten Sie sich eher zurück?
Den Mittleren Osten haben wir mit 7 Prozent untergewichtet. Begrenzte Wertschöpfungsmöglichkeiten sehen wir weiterhin in den qualitativ hochwertigen, von geringen Spreads charakterisierten Golfstaaten. China haben wir mit 5 Prozent untergewichtet, da die Bewertungen schlecht und die Transparenz begrenzt ist. Zurückgefahren haben wir auch unser Engagement in den strukturell anfälligen Märkten der Türkei und Südafrika.
Wie könnte es weitergehen?
Wir erwarten, dass die Volatilität zwar weiterhin hoch bleibt und es Ausfälle sowohl im Bereich der Unternehmens- als auch der Staatsanleihen geben wird. Gleichwohl sehen wir einige fundamental starke mit BB- und B eingestufte Titel so günstig bewertet wie seit zehn Jahren nicht mehr. Vor diesem Hintergrund haben wir unser Portfolio ergänzt. Die heutigen aggressiven, koordinierten geldpolitischen Impulse sollten die Erholung weiter unterstützen.
Link zum Disclaimer
Mike Conelius ist Portfolio Manager in der Fixed Income Division bei T. Rowe Price und leitet dort die Emerging Markets Bond Strategy. Er steht seit 31 Jahren in Diensten von T. Rowe Price. Bevor er zu T. Rowe Price kam, war er Berater bei Booz Allen Hamilton. Conelius hat einen Bachelor of Science im Bereich Finanzen an der Towson University sowie einen Master of Science an der Loyola University Maryland und ist Chartered Financial Analyst.