«Die Zulassung der FDA von Aducanumab zur Behandlung von Alzheimer hat viel Aufsehen erregt»

25.07.2021
Herr Dr. Koller, der Biotechsektor als Ganzes hatte in den letzten Monaten stärker als andere Zukunftstechnologien um die Aufmerksamkeit der Investoren zu kämpfen. Woran liegt das?
Der Sektor hat sich im 2. Quartal insgesamt gut gehalten und der Biotech Index NBI wies eine positive Performance von 9 Prozent in US-Dollar auf, ähnlich wie der Nasdaq 100 als auch andere breiteren Aktienindizes. Wichtig zu erwähnen ist, dass das zweite Quartal mit einer Korrektur begonnen hat und sich dann im Mai und Juni klar erholt hatte. Ängste betreffend der kurzfristig stark ansteigenden Inflation und den möglichen nachgelagerten Zinsanstiegen führte in Wachstumsthemen wie Tech als auch Biotech zu Gewinnmitnahmen. Sowohl beruhigende Aussagen der Zentralbanken als auch die sehr kontroverse Produktezulassung von Aduhelm von Biogen Idec und Daten von Intella trieben den Biotech-Sektor nebst den Corona-Impfstoffplayern an. Insgesamt führte dies trotz deutlicheren Korrekturen in vielen kleineren und mittelgrossen Unternehmen zu einem hohen einstelligen positiven Return für den Biotech-Sektor.
Die Corona-Pandemie hat die Welt immer noch fest im Griff, was steht diesbezüglich für die zweite Jahreshälfte an?
In der zweiten Jahreshälfte erwarten wir weitere Informationen betreffend dem Fortschritt der globalen Durchimpfung, in welcher die mRNA-Impfstoffe ihre dominante Rolle weiter ausbauen können. Länder mit hoher Impfquote haben eine erfolgreiche Eindämmung der Fallzahlen an schwerwiegenden Infektionen aufzeigen können. Wir befinden uns aber in einem Wettlauf mit aufkommenden Virusvarianten, welche bis anhin durch die bestehenden Impfungen gut unter Kontrolle sind. Probleme bedeuten aber einerseits die weiterhin zu tiefen Impfquoten und dass in vielen Ländern erst jetzt Zugang zu Impfungen besteht. Unsere grösste Portfolio-Position Moderna investiert substantiell sowohl in den Ausbau der Herstellungskapazität als auch betreffend der Abdeckung an neuen Varianten, um für 2022 und die kommenden Jahre ideal positioniert zu sein.
Sie haben die Produktzulassung des Alzheimermedikaments Aduhelm von Biogen erwähnt. Welche Auswirkungen hat die Entscheidung der FDA für die Neurologie als Ganzes?
Die höchst umstrittene Entscheidung der FDA-Zulassung von Aducanumab zur Behandlung von Alzheimer-Patienten hat viel Aufsehen erregt. Dies führte soweit, dass die FDA selbst externe Untersuchungen empfohlen hat, um die Entscheidung mit mehr Vertrauen zu untermauern. Nach Aussage der FDA wurde die Zulassung aufgrund der bewiesenen Reduktion der Plaques ausgesprochen. Kurz danach wurden für zwei weitere Antikörper, einer von Eli Lilly und einer von Biogen und Eisai eine Breakthrough Designation ausgesprochen, als weiteres Signal, dass die Neuro Divison der FDA das Thema mit einer offeneren Haltung betrachtet mit dem Ziel, dass die Forschung und Entwicklung im Bereich Neurologie verstärkt wird und ein ähnlicher mittel- bis langfristiger Erfolg ermöglicht wird, wie dies auch dank der FDA in den letzten Jahren zu vielen Erfolgen im Bereich der Krebsforschung geführt hatte.
Wie hat sich BB Biotech im 2. Quartal 2021 geschlagen?
Im 2. Quartal 2021 legte der Aktienkurs von BB Biotech um 5.8 Prozent in Schweizer Franken und 6.1 Prozent in Euro zu, während der Net Asset Value (NAV) um 3.3 Prozent in Schweizer Franken, 4.2 Prozent in Euro und 5.3 Prozent in US-Dollar stieg. Dies schlägt sich in einem Nettogewinn von 129 Mio. Schweizer Franken für das 2. Quartal nieder, während im gleichen Vorjahreszeitraum ein ausserordentlicher Nettogewinn von 1.18 Mrd. Schweizer Franken erzielt worden war. Die Aktie von BB Biotech wies für die erste Jahreshälfte 2021 eine Gesamtrendite einschliesslich Dividende von 22.2 Prozent in Schweizer Franken und 21.3 Prozent in Euro aus. Sie lag damit über dem Anstieg des Net Asset Value von 8.9 Prozent in Schweizer Franken, 7.3 Prozent in Euro und 4.1 Prozent in US-Dollar. Der daraus resultierende Nettogewinn für das 1. Halbjahr betrug 349 Mio. Schweizer Franken gegenüber 422 Mio. Schweizer Franken im gleichen Vorjahreszeitraum. Wechselkursschwankungen des Währungspaares USD/CHF stärkte die Performance im 1. Halbjahr mit rund 4.8 Prozent.
Welche der Portfoliobeteiligungen von BB Biotech könnten im zweiten Halbjahr mit «value inflection points» nicht nur Kurse bewegen, sondern auch in der gesamten Branche Akzente setzen?
Im zweiten Halbjahr werden wichtige Nachrichten anstehen. Einerseits für Ionis, einer unserer wichtigsten Positionen, die in den letzten sechs Monaten aufgrund zweier Rückschläge deutliche Kursverluste aufwies. Mit dem Entwicklungspartner Biogen stehen die wichtige Phase 3 Daten für Tofersen zur Behandlung von ALS-Patienten mit einer SOD1- Mutation an. Obwohl ein «Proof of concept», so erwarten wir insbesondere für Relay Therapeutics und dessen hochspezifischen FGFR2 Inhibitor wichtige Daten. Dies ist von so grossem Interesse, denn Relay ist führend im Bereich der Computer-assistierten präklinischen Molekülscreening und Identifikation von Kandidaten, und bald wird einer der Pipelinekandidaten entsprechende Daten liefern. Fortschritte erwarten wir auch im Bereich der genetischen Medikamente als auch wichtige Daten von Fate Therapeutics, welche weitere Aussagekraft haben sollten, dass die Stammzell-basierten NK- und CAR-Produkte kompetitiv im Vergleich zu den ersten als auch zweiten Generationen CARTs sind und diese allenfalls verdrängen können.
Welche Technologien sind für das Portfolio Team bei der Suche nach neuen Beteiligungen zurzeit besonders aussichtsreich?
Wir haben über die letzten Jahre kontinuierlich das Portfolio Exposure von BB Biotech um neue Technologien erweitert. Antisense und RNAi, gefolgt von modifizierter mRNA, als auch genetische Medikamente wie etwa von Crispr Therapeutics. Wie gerade erwähnt, betrachten wir Fate mit weiteren zu erwartenden klinischen Daten als äusserst spannend und wir werden unser Augenmerk auf die Response Rate, also den Behandlungserfolg als auch vor allem auf die Duration dieser Response legen. Im Feld der genscheren Therapien werden wir die Möglichkeiten der in vivo Editierung weiter analysieren als auch wie die nächsten Technologien wie im Beispiel von Beam Therapeutics, also das Editieren und somit Korrigieren von einzelnen Basen auf dem Genom möglich sein wird. In diesem Feld bewegt uns aber nicht nur die Frage der Machbarkeit, sondern auch die Thematik allfälliger möglicher Langzeitnebenwirkungen bis hin zur wichtigen Thematik eines erfolgreichen Business Cases bis hin zu Unsicherheiten, wie unsere Gesellschaft mit solchen Technologien in der Zukunft umgehen möchte.
Zum Schluss das Thema Künstliche Intelligenz. Dieses ist in aller Munde. Auch bei Ihnen im Team gibt es nun Verstärkung in diesem Bereich. Was hat Sie dazu bewogen, einen Experten an Bord zu holen?
Das Thema Künstliche Intelligenz muss differenziert betrachtet werden, denn der Begriff wird sehr breit eingesetzt. Wir haben uns aus zwei Gründen Expertise ins Team geholt:
- Erstens steigen die publizierten Datenmengen aus der Forschung und Entwicklung weiterhin sprunghaft an. Um dies analytisch als Team verarbeiten zu können, benötigen wir bessere Tools und Verfahren, wie mit der öffentlich zugänglichen Information umzugehen und diese effektiv in den Anlageprozess einfliessen zu lassen.
- Zweitens steigt die Anzahl Unternehmen, die über Computer-gesteuerten Prozesse neue, allenfalls bessere Medikamente entwickeln als auch effizientere klinische Projekte und Entwicklungen ermöglichen stark an. Hier hilft uns das neue Know-how, die Verfahren und Fähigkeiten dieser allfälligen Investitionskandidaten bestmöglich einschätzen zu können, um zukünftig dies vermehrt im Portfolio reflektiert zu haben. Mit unsere Portfolio Position Relay sind wir in einer der führenden Unternehmen positioniert, welche in den kommenden Monaten für sein erstes Molekül mit klinischen Daten aufwarten wird.
Link zum Disclaimer
Dr. Daniel Koller trat 2004 bei Bellevue Asset Management ein und ist als Senior Portfolio Manager im Bereich Biotechnologie mit Spezialgebiet Herz-Kreislauf-Krankheiten tätig. Seit 2010 ist er Head Management Team der börsenkotierten Beteiligungsgesellschaft BB Biotech AG. Vor seinem Eintritt bei Bellevue Asset Management war er während vier Jahren in der Finanzindustrie tätig, zuerst in der Funktion als Aktienanalyst bei UBS Warburg, danach als Private-Equity-Investor bei equity4life. Daniel Koller studierte Biochemie an der ETH Zürich und doktorierte im Bereich Biotechnologie während seiner Tätigkeit bei Cytos Biotechnology.