«Dies zeigt sehr deutlich einen Vertrauensverlust in die Leistungsfähigkeit aktiver Fondsmanager»

13.12.2019
Herr Glow, welcher Trend in der Fondsindustrie hat Sie in diesem Jahr am stärksten beeindruckt?
Den einen Trend gab es in 2019 nicht, vielmehr gab es einige spannende Themen, welche die Märkte geprägt und bewegt haben. Zunächst das Themas Nachhaltigkeit beziehungsweise ESG, das meiner Ansicht nach im Jahr 2019 endgültig die Nische verlassen hat und zu einem Mainstream-Thema geworden ist, dann gab es verschiedene Produktneuheiten und Investmentthemen, wie zum Beispiel im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI bzw. AI), bis hin zu dem Fakt, dass die europäischen Anleger in steigenden Aktienmärkten insgesamt betrachtet (per Ende Oktober) Geld aus Aktienfonds abgezogen haben.
Besonders beeindruckend war für mich aber die Tatsache, dass Anleger in Europa im Jahresverlauf per Ende Oktober mehr Geld in passive Anlageinstrumente (ETFs und Indexfonds) investiert haben als in aktiv gemanagte Fonds. Dies zeigt meiner Ansicht nach sehr deutlich einen Vertrauensverlust in die Leistungsfähigkeit aktiver Fondsmanager, in der Folge sind Anleger nicht mehr bereit, für mittelmässige Ergebnisse die hohen Gebühren von aktiv gemanagten Fonds zu bezahlen.
Dieses Anlegerverhalten könnte sowohl bei den Gebühren, wie auch bei den Managementansätzen der Fondsanbieter in Europa, einen neuen Trend auslösen. Denn wenn auf der einen Seite immer mehr Geld in preiswerte passive Produkte fliesst, müssen die Anbieter von aktiv gemanagten Fonds ihre Strategie überdenken und für ihre indexnahen Produkte die Preise senken, um die Mittelabflüsse in Richtung der Indexprodukte zu stoppen. Auf der anderen Seite sehen wir aber auch, dass Fonds mit einer hohen Abweichung von den gängigen Marktindizes und einem entsprechenden Rendite/Risiko-Verhältnis, trotz verhältnismässig hoher Gebühren, immer noch in der Lage sind, Mittelzuflüsse zu generieren. Das heisst aus Sicht der Anbieter: es müssen den Fondsmanagern wieder mehr Freiheiten eingeräumt werden, die diese dann natürlich auch noch entsprechend nutzen müssen, um weiterhin erfolgreich hochmargige Produkte anbieten zu können.
Ist «ESG» wirklich ein Game Changer?
Aus meiner Sicht ist ESG weder neu, noch ist es, zumindest derzeit, ein Game Changer. Das Thema ist zwar im Moment in aller Munde, aber entsprechende Produkte gibt es schon sehr lange. Ein Game Changer wäre ESG dann, wenn es in der Wirklichkeit gelebt werden würde und nicht nur auf dem Papier. Dies ist leider nicht der Fall, denn die meisten Fondsanbieter sehen die Einführung von Nachhaltigkeitskriterien eher als Last und fühlen sich durch entsprechende Vorgaben in ihren Freiheiten beschränkt. Dies spiegelt sich aus meiner Sicht insbesondere in dem Abstimmungsverhalten der Fondsmanager auf den Jahreshauptversammlungen, wie aber auch in den sogenannten Engagement-Strategien wider. So gibt es in diesen Bereichen noch reichlich Nachholpotenzial. Von daher muss gerade auf Anbieterseite ein Umdenken erfolgen, weg von dem Erfüllen von Minimalkriterien, hin zu der Umsetzung von einer gelebten Nachhaltigkeit und das dann bitte auch mit der nötigen Transparenz, damit Investoren die einzelnen Strategien, deren Umsetzung und deren Wirkung auf Unternehmensebene auch wirklich miteinander vergleichen können. Gerade bei dem Thema Transparenz müssen viele Fondsanbieter noch ihre Hausaufgaben machen, da sie sonst im Abseits stehen werden. Schon heute ist abzusehen, dass Investoren wissen wollen, was genau mit ihrem Geld passiert. Zusätzlich wird auch von Seiten der Regulatoren der Druck in Bezug auf die Produkttransparenz höher. Allerdings muss man mit Blick auf die Regulatorik anmerken, dass neue Regulierungen die Transparenz oftmals nicht wirklich verbessern, sondern eher das Gegenteil erreichen, wie zum Beispiel die viel kritisierten negativen Transaktionskosten zeigen.
Im Moment ruht im Bereich der nachhaltigen Investments viel Hoffnung auf der kommenden Regulierung durch die EU-Initiative zur «Finanzierung des nachhaltigen Wachstums». Diese wird zwar dazu führen, das ESG zukünftig von allen Fondsanbietern berücksichtigt werden muss und diese auch darüber berichten müssen, allerdings bezieht sich die Initiative im ersten Schritt nur auf das «E» (Environmental) und nicht auf das «S» (Social) und das «G» (Governance), zudem wird zum Beispiel die Transparenz hinsichtlich des Abstimmungsverhaltens, also der Nutzung der Stimmrechte, mit der neuen Regulierung nicht erhöht.
Es ist zwar davon auszugehen, dass die EU-Kommission in dieser Legislaturperiode auch in den beiden bisher fehlenden Bereichen noch entsprechende Regulierungsvorhaben auf den Weg bringen wird und auch weitere Verbesserungen an den bestehenden Regulierungen vornehmen wird, ich persönlich gehe aber davon aus, das deren Umsetzung wahrscheinlich erst in der nächsten Legislaturperiode erfolgt.
Was erwarten Sie von unserer Branche im neuen Jahr?
Ich würde mir zwar wünschen, dass die Fondsindustrie von sich aus Initiativen in Richtung Produktklarheit und -wahrheit oder einfach nur Transparenz angeht, da dies aber mit Aufwand und somit Kosten verbunden ist, wird das wohl nicht passieren. Es ist eigentlich schade, dass die Anbieter von Investmentfonds immer erst von der Marktaufsicht dazu gezwungen werden müssen, Dinge zu verändern oder im Sinne des Anlegers anzupassen. Dies ist insbesondere ärgerlich, da die Fondsmanager als Treuhänder das Geld der Anleger verwalten und somit eine Auskunftspflicht gegenüber dem Anleger haben. Dennoch beschränken sich viele Fondsanbieter darauf, in der Kommunikation mit den Anlegern nur die Pflichtangaben zu machen. Wenn wir wie gerade beschrieben das Beispiel der Abstimmungen auf den Hauptversammlungen nehmen, so berichten zum Beispiel nur die wenigsten Fondsanbieter darüber, wie oft und wie sie auf Hauptversammlungen abgestimmt haben. Das klingt jetzt wenig spektakulär, aber als Treuhänder ist der Fondsmanager verpflichtet, die Aktionärsrechte der Anleger wahrzunehmen und meiner Ansicht nach dementsprechend auch darüber zu berichten. Erst wenn wir auch in diesen Bereichen eine weitreichende Transparenz erreicht haben, nehmen die Anbieter aus meiner Sicht ihre treuhänderischen Pflichten ernst. Interessant ist dabei, dass die Fondsmanager von den Unternehmen immer mehr Transparenz verlangen, während sie selbst versuchen, nur die Mindeststandards einzuhalten.
Insgesamt betrachtet, verändert sich die Fondsindustrie leider nur sehr langsam und oftmals auch nur mit Zwang, somit glaube ich glaube nicht, dass wir im nächsten Jahr - abgesehen von der einen oder anderen Produktinnovation - viel Neues sehen werden.
Link zum Disclaimer
Detlef Glow, MBA (UoW), begann im Jahr 2005 als Leiter der Fondsanalyse für Deutschland und Österreich bei Lipper at Refinitiv. Anfang 2007 übernahm er die Leitung für die Regionen Zentral-, Nord- und Osteuropa. Seit Oktober 2010 ist Glow Leiter der Fondsanalyse von Lipper in Europa, dem Nahen Osten und Afrika (EMEA). Zuvor war er als Direktor Portfoliomanagement bei der Feri Wealth Management GmbH in Bad Homburg als Portfoliomanager für vermögende Privatkunden tätig. Seine Karriere begann Detlef Glow neun Jahre zuvor bei der tecis Holding AG in Hamburg, wo er zuletzt als Leiter der Fondsanalyse sowohl für das quantitative als auch das qualitative Fondsresearch der tecis Asset Management AG verantwortlich war.