«Dividenden sind viel mehr als ein schönes Zubrot»

01.12.2017
Herr Nossek, der WT-Small-Cap-Fonds «DFE» (WisdomTree Europe SmallCap Dividend UCITS ETF) weist eine durchschnittliche Jahres-Rendite von 29,3 Prozent auf seit seiner Gründung 2006. Was ist das Geheimnis des Erfolges?
Ja, die Entwicklung ist wirklich erfreulich und der Fonds ist einer der besten seiner Klasse. Generell gibt es verschiedene Treiber für die Wertentwicklung des Fonds und von Small Caps. Da sind das Gewinnwachstum der Unternehmen und die Kurssteigerungen, aber der zentrale Punkt sind die Dividendenströme. Diese machen zum Beispiel rund 50 Prozent der Gesamtperformance seit Auflage des Fonds im Juni 2006 aus.
Diese ETF-Dividendenstrategien sind ja eine Spezialität von WisdomTree. Wie sehen Sie genau aus?
WisdomTree ist ein Pionier auf diesem Gebiet. Im Jahr 2006 haben wir eine der ersten Familien alternativer ETFs eingeführt. Von da an haben wir dieselbe Methodik auf die ertragsgenerierenden Segmente des Marktes angewendet. Wir haben diese ersten ETFs mit Dividenden oder Gewinnen gewichtet, weil wir glauben, dass diese Fundamentaldaten ein besserer Indikator für die Verfassung, den Wert und die Rentabilität eines Unternehmens bieten als der Aktienpreis allein. Bei der Zusammensetzung von Dividenden-ETFs für Aktien aus Europa, den USA, Asien und den Schwellenländern gewichten wir grundsätzlich als Ausgangspunkt nach Dividendenstärke und nicht nach Marktkapitalisierung. Dividenden wurden zum Beispiel in Deutschland traditionell oft wenig gewürdigt. Investoren sahen und sehen in ihnen eher ein nettes Plus, ein schönes Beiwerk oder Zubrot - aber entscheidend war und ist für viele Anleger noch immer der Gewinn pro Aktie. Der bekannte Finanzwissenschaftler Prof. Jeremy Siegel konnte aber anhand von historische Studien zeigen, dass Investoren höhere Renditen ohne zusätzliche Risiken erreichen können, wenn sie sich auf Faktoren konzentrieren, die mit der Bewertung und Fundamentaldaten von Unternehmen zu tun haben. Die Dividendenrendite ist hier ein zentraler Faktor, auch das KGV. Im Laufe der Zeit haben laut der Studien Portfolios aus Aktien mit höheren Dividendenrenditen, niedrigeren KGVs und geringerer Liquidität den Gesamtmarkt stärker abgehängt.
Und diese Merkmale treffen vor allem auf kleine Unternehmen, die so genannten Small Caps, zu?
Ja, der beschriebene Index setzt sich aus den Unternehmen zusammen, die nach Entfernung der 300 grössten Unternehmen die unteren 25 Prozent der Marktkapitalisierung des «WisdomTreeEurope Dividend Index» ausmachen. Sie müssen mindestens 100 Mio. Euro Marktkapitalisierung aufweisen. Die so ausgewählten 300 Unternehmen werden im Index auf Grundlage der jährlich gezahlten Bardividenden gewichtet. Das überprüfen wir dann jedes Jahr in Form unseres Rebalancing. Das ist sehr wichtig. Dabei wird einmal jährlich nach Ende der Berichtssaison (in Europa im Juni) das Portfolio durch Diversifikation methodisch neu so zusammengesetzt, dass niedrig bewertete Value-Aktien stark vertreten sind, einzelne Aktien, Branchen und Länder aber nur begrenzt.
Auf welche Regionen fokussieren Sie sich denn aktuell im Bereich Nebenwerte?
Rund ein Viertel der Aktien kommt aktuell aus Grossbritannien. Das hat besonders damit zu tun, dass der Finanzmarkt dort im Gegensatz zu Kontinentaleuropa eine längere Tradition hat und es einfach mehr Titel zur Auswahl gibt. Daher spielen auch Finanzunternehmen eine wichtige Rolle, weil sie in Grossbritannien stark gewichtet sind. Aber auch Schweden ist zum Beispiel gut vertreten. Das Land ist zwar eher klein, hat aber eine Reihe sehr interessanter, international agierender Unternehmen und einige sehr erfolgreiche Konsummarken. Auch die Rahmenbedingen wie eine niedrige Staatsverschuldung und Inflation sowie ein hoher Anteil erwerbstätiger Frauen sind positiv. Auch ist das Pro-Kopf-Einkommen mit fast 47‘000 Euro pro Einwohner (Stand 2016) deutlich höher als zum Beispiel in Deutschland.
Wie sehen Sie die Zukunftsaussichten für Small Caps in Europa?
Das Positive ist, dass viele dieser Unternehmen in Europa sehr stark vom Binnenmarkt profitieren, vor allem im Bereich Consumer und auch Industrie. Viel wichtiger als schwankungsanfällige Faktoren wie die Zinsentwicklung, Rohstoffpreise oder politische Ereignisse spielt die Konjunkturentwicklung in Europa eine zentrale Rolle. Und die Aussichten sind hier gut. An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal auf das Beispiel Schweden verweisen: Es gibt rund 900 deutsche Unternehmen in Schweden; mehr als 1‘200 schwedische Firmen gibt es in Deutschland. Die Bundesrepublik ist Schwedens wichtigster Handelspartner und macht rund 10 Prozent des schwedischen Exports und 17 Prozent der Importe aus. Die schwedische Wirtschaft beschäftigt in Deutschland ca. 200‘000 Arbeitnehmer. Ähnliches gilt für die Schweiz. Schweden ist der wichtigste Handels- und Investitionspartner der Schweiz im nordischen Raum. Der jährliche Warenaustausch beläuft sich auf ca. drei Milliarden Franken. Rund 100 Schweizer Firmen sind in Schweden in den unterschiedlichsten Branchen tätig und beschäftigen rund 18’400 Menschen. Das zeigt die enge Vernetzung und die erfolgreiche Zusammenarbeit. Schweden ist hier nur ein Beispiel und wir sind insgesamt für den Bereich Small Caps in Europa positiv gestimmt.
Hat das spezielle Gründe?
Die strukturellen Reformen am Arbeitsmarkt und der Sozialversicherungssysteme, der Schuldenabbau der privaten Haushalte sowie die sicher schmerzhafte Senkung von Löhnen und Gehältern sind wichtige Treiber für die positiven Aussichten für Small Caps. Durch die verbesserte Konkurrenzfähigkeit der schwächeren Mitgliedsstaaten der EU vor allem im Süden Europas ist die Gesamtwirtschaft durch die verstärkte Binnennachfrage (sprich Konsum und Investitionen) stark angekurbelt worden und hat nachhaltig bessere Wachstumsbedingungen für die Zukunft geschaffen.
Letzte Frage: Was macht Ihnen etwas Sorgen im Bereich Nebenwerte?
In den letzten zehn Jahren ist in Europa die Zahl der Large Caps um zwölf Prozent gestiegen, und zwar ausschliesslich aufgrund von Unternehmen, die aus dem Small- und dem Mid-Cap-Segment aufgestiegen sind. Damit hängt die Anzahl der börsennotierten Blue Chips quasi alleine von den Erfolgsstorys innerhalb des Nebenwerte-Segments ab. Das ist zwar ein toller Vertrauensbeweis und passt ins beschriebene Bild. Wichtig ist aber, dass genügend Small Caps zum Beispiel über Börsengänge nachwachsen.
Viktor Nossek, Director of Research bei WisdomTree Europe, verfügt über 14 Jahre Markterfahrung und war vormals als Head of Research bei Renaissance Asset Management sowie bei BlackRock tätig.